Virgin-Gründer Richard Branson

Boy George ist 56 Jahre alt. In den 80er-Jahren stürmte er mit seiner Band Culture Club die Charts. Sein Alter spielte sicherlich eine Rolle, als Milliardär Richard Branson ihn vor einigen Tagen zu einer besonderen Feier einlud.

Ein junger Popstar wäre eher unpassend gewesen. Denn Branson, der schwerreiche und erfolgreiche Gründer der Virgin-Gruppe feierte auf der Werft im italienischen Sestri Ponente bei Genua die Kiellegung seines ersten Kreuzfahrtschiffes. Er will 2020 in den lukrativen Markt einsteigen. Doch anders als bislang in dem Geschäft üblich, werden auf seinen Schiffen keine Kinder an Bord sein. Das Mindestalter der Passagiere soll bei 18 Jahren liegen.

Die Großwerft Fincantieri soll für Bransons neue Marke Virgin Voyages drei Kreuzfahrtschiffe bauen. Wie teuer das wird, ist nicht bekannt, jedoch kostet ein mittelgroßer Kreuzfahrtdampfer mindestens eine halbe Milliarde Euro. Bransons Schiffe sollen Platz für 2860 Passagiere und reichlich Luxus bieten. Hinzu kommen rund 1150 Crewmitglieder.

Die Luxusdampfer sollen 278 Metern lang und rund 38 Meter breit sein. Schifffahrtsexperten schätzen, dass Bransons insgesamt rund zwei Milliarden Euro investieren muss. Leisten kann er sich das: Laut der Forbes-Reichenliste hat der Unternehmer über seine Firmengruppe ein Vermögen von etwa 5,1 Milliarden Dollar (4,4 Milliarden Euro) angehäuft.

Experten sehen Bransons Modell skeptisch

Bransons Kreuzfahrtschiffe sollen als sogenannte Adults-only-Ships über die Weltmeere schippern. „Wir haben seit Längerem mit dem Gedanken an eine Kreuzfahrtlinie gespielt. Die Branche ist reif für eine positive Störung“, wird er auf seiner Internetseite zitiert. Der britische Unternehmer ist 67 Jahre alt, seine Tochter und sein Sohn sind längst erwachsen.

Als Vorstandschef für seine Schiffstochter hat er den Amerikaner Tom McAlpin angeheuert. Der 58-jährige Manager hat zuvor viele Jahre für Disney gearbeitet und dort reichlich Erfahrung mit Produkten für eine junge Kundschaft gesammelt.

Warum sich Branson auf erwachsene Reisegäste beschränkt, darüber lässt sich nur spekulieren. Experten sehen eine derartige Vermarktung allerdings kritisch. „Bei solch einer Art Einschränkung fragt man sich, in was man sich bei dem Angebot hineinbegibt“, sagt Franz Maximilian Schmid-Preissler, seit Jahrzehnten erfahrener Markenexperte.

So sollen die Schiffe von Virgin Voyages aussehen.

Auf diese Weise Neugierde wecken zu wollen hält er für unseriös. „Eine Selektion ist auch bei Reiseangeboten denkbar und vertretbar. Aber diese Form wirkt unsolide und wichtigtuerisch“, sagt Schmid-Preissler. Bei der Intelligenz, über die Branson verfüge, hätte er sich etwas Besseres einfallen lassen können.

In Deutschland bemühen sich die Kreuzfahrtreedereien paradoxerweise gerade um das Gegenteil, nämlich darum, ihr Publikum zu verjüngen. Sie wollen weg vom Rentner-Image – und das scheint ihnen in Teilen auch zu gelingen. In dem stark wachsenden Markt mit inzwischen rund zwei Millionen Kreuzfahrtgästen aus Deutschland sinkt das Durchschnittsalter der Reisegäste allmählich: Laut dem Branchenverband Cruise Lines International Association ist jeder zehnte Passagier bei den Schiffsreisen deutscher Veranstalter jünger als 15 Jahre.

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Auch weltweit gesehen ist das Geschäft mit Seereisen der am stärksten wachsende Bereich des Tourismus. Und die drei größten Kreuzfahrtreedereien – Carnival Corporation, Royal Caribbean Cruises und Norwegian Cruise Lines – verdienen laut einer Analyse des US-Fachmagazins „Cruise Industry News“ sehr gut an dem Trend.

Der Analyse zufolge lag der Nettogewinn von Carnival in den Sommermonaten Juni, Juli und August 2017 bei 1,3 Milliarden Dollar. Royal Caribbean kam auf 753 Millionen Dollar und Norwegian auf 401 Millionen Dollar.

An Bord sitzt das Geld locker

Noch interessanter ist diese Zahl: Den höchsten Nettogewinn pro Gast und Tag kassierte Norwegian mit 79 Dollar vor Royal Caribbean mit 72 Dollar. Die Carnival-Gruppe, zu der auch der deutsche Reiseanbieter Aida sowie der italienische Anbieter Costa gehören, kommt auf 59 Euro pro Passagier und Tag. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht das einer Steigerung um bis zu neun Prozent.

Betrachtet man nur den Umsatz, ändert sich die Reihenfolge etwas: Carnival erreichte in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres fast 235 Dollar Umsatz pro Kunde und Tag. Bei Royal Caribbean betrug der Wert 252 Dollar und bei Norwegian 326 Dollar.

An Bord sitzt das Geld offensichtlich locker. Denn die genannten Summen setzen sich aus dem Reisepreis und den Bordverkäufen zusammen. Den Berechnungen von „Cruise Industry News“ gaben die Kreuzfahrer am Tag 59 Dollar auf Schiffen von Carnival, 66 Dollar bei einer Fahrt mit Royal Caribbean und 91 Dollar bei Norwegian aus. In den Bars, Casinos und Shops der schwimmenden Luxushotels lässt sich so die Zeit zwischen den Landgängen vertreiben. Gestiegen sind im Vergleich zum Vorjahr allerdings auch die Kosten der Schiffe – weil Treibstoff sich verteuert hat.

Dieser Entwicklung wird sich auch Branson nicht entziehen können – oder etwa doch? Seine Schiffe sollen „zu den saubersten Fabriken auf See“ werden, heißt es. Branson kündigte eine sogenannte „Game-Changing-Technologie“ an, also eine Revolution der Schiffstechnik. Was genau das heißt, wird allerdings nicht erklärt. Und einen Namen haben die „revolutionären Schiffe“ auch noch nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Astrid Stawiarz / Virgin