Für seine Anmerkung, die „Nichtbeantwortung der Fragen war hochprofessionell“, bekommt Anlegerschützer Michael Kuhnert breiten Beifall. Die Aktionäre, die sich auf der ersten Hauptversammlung von Rocket Internet in Berlin einen kleinen Einblick in das Innenleben der Firmenfabrik versprochen hatten, zeigen sich enttäuscht: Firmenchef Oliver Samwer und seine Vorstandskollegen Alexander Kudlich und Peter Kimpel beschränkten sich am Dienstag auf das Vorlesen vorbereiteter, rechtssicherer Floskeln.

Von Beginn hatten Samwer & Co. vor allem eines demonstriert: viel Optimismus. „Das Schöne ist, Konsum endet nie“, weiß Firmenchef Samwer. Er beteuert die gute Entwicklung der Rocket-Portfoliounternehmen, die er in drei Gruppen aufteilt: E-Commerce, Marktplätze und Bezahldienstleistungen. Alles vereint auf drei Rocket-eigenen Technologieplattformen, denen man niedliche Namen gegeben hat: Alice (E-Commerce), Nico (Marktplätze) und Yoda (FinTech) heißen sie. Und: (Umsatz-) Wachstum wo man nur hinschaut, beteuert Oliver Samwer in seiner Präsentation, alle Ziele erreicht, alles bestens.

Derweil sind viele Aktionäre mit Fragen nach Berlin gekommen. Etwa zu den anhaltenden Verlusten – schließlich musste Rocket Internet das Jahr 2014 mit einem deutlichen Minus abschließen. Oder zum Aktienkurs. Der liegt heute, rund ein Dreivierteljahr nach dem Börsengang, unter dem Ausgabepreis: 37,80 Euro war das Papier am Morgen wert, zum IPO wurden 42,50 Euro verlangt. Das zwischenzeitliche Hoch von knapp 60 Euro war schnell wieder verpufft.

Samwer versucht derweil mit Bewertungen zu beeindrucken. An der Entstehung aller vier „Einhörner“, also Startups mit Bewertungen von mehr als einer Milliarde Euro, die die Investmentbank GP Bullhound hierzulande kürzlich identifiziert hat, sei Rocket beteiligt: Delivery Hero, Home24, Rocket Internet selbst und Zalando. Vor allem von Delivery Hero, das lässt Samwer durchblicken, erhofft man sich Großes. Und bald sollen weitere Startups über eine Milliarde Euro bewertet sein: „Wir denken, dass weitere Unternehmen dazustoßen werden“, sagt der Rocket-CEO. Das wird er nicht erst bei der nächsten Hauptversammlung in einem Jahr beweisen müssen.

Was würde noch auf der ersten Hauptversammlung von Rocket besprochen? Wir haben für Euch die spannendsten Fragen der Aktionäre und ihrer Vertreter sowie die Antworten des Rocket-Vorstands und -Aufsichtsrats zusammengefasst:

Wie viel „Cash“ benötigt Rocket Internet, um weiter funktionieren zu können?

Im laufenden Jahr sei die Cash-Position von 2 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro gesunken, das Geld floss in den Geschäftsbetrieb des Unternehmens-Netzwerks und in die Gründung fünf neuer Gesellschaften. Welche Summe in der zweiten Jahreshälfte investiert werden muss, wollte der Vorstand nicht sagen. Langfristig sei aber natürlich geplant, die Kosten für den Geschäftsbetrieb aus Gewinnen zu bestreiten.

Wann wird es die nächste Kapitalerhöhung geben? Immerhin bittet Rocket die Aktionäre dahingehend um Erlaubnis.

Kein Kommentar.

Rocket hat 780 Millionen Euro für Essens-Lieferdienste ausgegeben. Kann man diesen Betrag jemals über Gewinne wieder reinholen?

Man sehe großes Marktpotenzial, beteuert Samwer einmal mehr. Als Beweis beruft sich der Rocket-Vorstand etwa auf die Unternehmensbewertung von Delivery Hero bei der letzten Finanzierungsrunde, die bei drei Milliarden Dollar lag.

Kann Rocket den Erfolg am „Last Portfolio Value“ messen, also der Wert der Beteiligungen zur letzten Finanzierungsrunde?

Das Vorgehen entspreche den internationalen Richtlinien für Venture Capital und Private Equity, heißt es lapidar.

Ist Rocket Internet also eigentlich ein Investmentunternehmen? Damit würde Rocket allerdings anderen Gesetzen unterliegen und müsste von der Bafin überwacht werden.

Das treffe auf Rocket aus zwei Gründen nicht zu. Erstens, weil man operativ tätig sei und zweitens, weil man keine feste Anlagestrategie verfolge. Die Bafin teile diese Ansicht, man unterliege entsprechend auch nicht dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG).

Wann steht der Verkauf oder IPO eines der Portfoliounternehmen an? Immerhin baut Rocket auf die Entwicklung der Unternehmenswerte und der Verkauf der Zalando-Anteile hatte sich 2013 deutlich positiv im Geschäftsergebnis niedergeschlagen.

Man evaluiere die Optionen fortlaufend und prüfe Finanzierungsmöglichkeiten sowie andere Angebote. Dazu gehörten auch mögliche Veräußerungen oder Börsengänge.

Welche Unternehmen ist bereits börsenfähig?

Man evaluiere… Siehe oben.

Woran macht Rocket fest, welche Geschäftsmodell umgesetzt wird?

Drei Kriterien lege der Vorstand bei seinen Entscheidungen an: Das allgemeine Marktpotenzial, der Wettbewerb und das Potenzial, die Rocket-eigenen Plattformen für das Geschäftsmodell einsetzen zu können.

Wann rechnet Rocket mit Gewinnen?

„Typischerweise“(!) dauere das bei E-Commerce-Unternehmen sechs bis neun Jahre, fünf bis sieben Jahre bei Marktplätzen und bei Finanzunternehmen sechs bis acht Jahre, antwortet der Vorstand.

Wie lange dauert noch die Lockup-Periode für bestehende Investoren beim IPO? Rechnet Rocket mit Verkäufen, wenn diese zu Ende geht?

Für Großinvestoren belaufe sich die Halteperiode auf 12 Monate, bei sogenannten „Cornerstone-Investoren“ auf sechs bis zwölf Monate. Rocket sei natürlich überaus zuversichtlich, dass alle an Bord bleiben.

Wird Rocket den Anlegern irgendwann auch Dividenden zahlen?

Das habe man kurz- bis mittelfristig nicht auf der Agenda.

Wieso lässt sich Rocket den Rückkauf eigener Aktien genehmigen? Zeigt das nicht Schwäche?

Man habe dahingehend keine Absichten, hätte aber gerne den Handlungsspielraum. Mit dem Rückkauf eigener Aktien können Unternehmen ihren eigenen Kurs stärken.

Wann erfolgt der Wechsel in den Prime Standard der Börse, der höhere Transparenz erfordert?

Zum IPO habe Rocket einen Zeitrahmen von 18 bis 24 Monaten in Aussicht gestellt. Dieses Ziel verfolge man weiter, versicherte der Finanzvorstand.

Wie hoch ist der Frauenanteil bei Rocket Internet?

Im gesamten Unternehmen seien etwa ein Drittel der Mitarbeiter weiblich, im Management ungefähr 20 Prozent. Und null Prozent in Vorstand und Aufsichtsrat.

Bild: Gründerszene