Endlich mal wieder „aggressiv“

Pressekonferenz in London, Oliver Samwer will übers Essen sprechen. Denn gerade erst ist bekannt gegeben worden: Rocket Internet kauft für knapp eine halbe Milliarde Euro 30 Prozent vom Lieferdienstvermittler Delivery Hero und pumpt 100 Millionen Euro in den Kochboxen-Service HelloFresh. „Essen ist die neue Vorfront des E-Commerce“, sagt er überzeugt.

Mit dem Online-Vertrieb von Lebensmitteln haben es schon viele versucht. Fast alle wollten mit Discountern konkurrieren, fast alle sind gescheitert. Samwer weiß, dass es dafür einen guten Grund gibt. „Wir machen kein ‚Supermarkt.com’, in diesem Geschäft sind die Margen zu gering.“ Stattdessen fokussiere man sich besonder mit HelloFresh auf gesundes Essen – und gesunde Margen, erklärt HelloFresh-Chef Dominik Richter.

Samwer rührt währenddessen kräftig die Werbetrommel: „Ich hätte mehr investiert, aber die anderen Investoren wollten nicht.“ Und: „Ich fühle mich, als wäre noch einmal 98 – wir haben den Jackpot geknackt.“ (In diesem Jahr hatte er zusammen mit seinen Brüder beschlossen, den Ebay-Klon Alando in Deutschland aufzubauen – der Verkauf ein Jahr später an das US-Vorbild war der Beginn der Samwer-Story.) Dann holt er endlich wieder einmal altbekanntes Vokabular aus der Schublade – zuletzt hatte sich der Rocket-Chef gerne etwas sanfter gegeben: „Wir waren nicht die ersten, aber wir gehen sehr aggressiv in diese Märkte.“

Dann zur Frage, warum Rocket bei Delivery Hero eingestiegen sei. „Wenn Dir ein Markt zu 60 Prozent gehört, ist das komfortabel. Wenn nicht, muss man auch über Joint Ventures nachdenken.“ Zusammen mit dem hauseigenen Foodpanda, das hauptsächlich in Wachstumsregionen aktiv ist, wurde heute die Global Online Takeaway Group gegründet. Die ist der „größte Lieferdienstvermittler der Welt…“ – Samwer muss es ordentlich ärgern, jedes Mal „…außerhalb Chinas“ hinzufügen zu müssen. Mit einer Kampfansage an die westlichen Wettbewerber putscht er sich wieder auf: „Passt auf, Grubhub und JustEat, wir kommen. Wir kommen im großen Stil!“

Zwischendrin platzierte Samwer aber auch einige wohlüberlegte und fast bescheidene Sätze. „Wir haben das größte Internetunternehmen der Welt noch nicht aufgebaut. Aber sehr viele gute.“ Und er betont, wie sehr man immer auf neue Gelegenheiten schiele: „Ich wollte beim Monopoly immer die Bank sein, die hat am meisten Karten.“

HelloFresh-Gründer Richter und Foodpanda-CEO Ralf Wenzel hatten heute zwar die mit Abstand meiste Redezeit. Im Rampenlicht stand in London aber der Rocket-Übervater, der dann nur für ein paar kurze Fragen zur Verfügung stand. „Dann nehme ich meine Tasche und geh’ arbeiten“. Tschüß, Oli.

Und dann gab es noch einige Zahlen

Parallel zur Pressekonferenz in London hat Rocket Internet auch die Quartalsergebnisse einiger Gesellschaften vorgelegt. Kernergebnis: Die Umsätze der drei größeren Mode-Ableger stiegen in den ersten neun Monaten 2014 überall an, gleichzeitig erhöhten sich auch die Verluste.

  • Die in Brasilien und Lateinamerika aktive Zalando-Variante Dafiti weist einen um 36,4 Prozent auf umgerechnet 128,2 Millionen Euro angestiegenen Umsatz aus. Dabei stand ein Minus von 50,0 Millionen nach 46,9 Millionen Euro zu Buche.
  • Fast verdoppelt hat sich das Modegeschäft in Russland. Die Rocket-Tochter Lamoda setzte von Januar bis September 2014 mit 76,5 Millionen Euro 94,3 Prozent mehr um als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Das Ebitda belief sich dabei auf 25,5 Millionen nach 19,7 Millionen Euro.
  • Das Modeversand von Jabong in Indien legte stark zu: Ein Umsatz von 76,8 Millionen Euro bedeutet 168,8 Prozent mehr Geschäft als im Vorjahreszeitraum. Bei 44,4 Millionen nach 25,2 Millionen Euro lag der operative Verlust.

Die deutschen Möbelversender des Samwer-Inkubators, der Shoppingclub Westwing und der Online-Shop Home24, haben zwischen Januar und September 2014 jeweils etwas mehr Umsatz gemacht als im gesamten Jahr zuvor.

  • Bei einem Umsatz von 123,6 Millionen Euro addierte sich der operative Verlust (Ebitda) von Westwing auf 42,3 Millionen Euro. Im Gesamtjahr 2013 hatte der Münchner Shoppingclub 112 Millionen umgesetzt und ein Minus von 46,4 Millionen Euro ausgewiesen.
  • Bei Home24 stand einem Umsatz von 105,5 Millionen Euro in den ersten drei Quartalen ein operatives Minus von 30,2 Millionen Euro gegenüber. Das Ergebnis des (gesamten) Vorjahres: Minus 37,9 Millionen Euro bei 92,8 Millionen Euro Umsatz.
Bild: © panthermedia.net / Eric Basir