Dörte Hirschberg, Human Resources Chefin bei
Rocket Internet SE

Wie geht Rocket Internet eigentlich mit seinen Mitarbeitern um? Wie arbeitet die Personalabteilung? Man hört viele Geschichten aus dem Samwer-Imperium. Nicht immer nur gute. Startups werden in Windeseile dichtgemacht – zuletzt der Blablacar-Konkurrent Tripda. Ein Drittel der Angestellten mussten bei Rockets afrikanischem Amazon-Klon Jumia gehen.  Zuletzt wurde immer wieder gemunkelt, dass Rocket seine Mitarbeiter durch die detaillierte Analyse von Daten beobachten wolle. Dazu sagt Vice Präsidentin of Human Resource Dörte Hirschberg auf Nachfrage, man würde dafür lediglich öffentlich zugängliche Netzwerke wie Linkedin oder Xing nutzen. Im Gespräch verriet sie uns dann noch, wie der perfekte Kandidat für Rocket aussieht.

Rocket Internet ist für schnelle Personalwechsel bekannt. Wie geht Ihr beim Personalabbau vor?

Ich denke, wer zu Rocket kommt, weiß, dass man hier die Möglichkeit hat, unglaublich schnell Karriere zu machen und binnen kürzester Zeit aufzusteigen. Allerdings ist vorher nie klar, in welchem Unternehmen das passieren wird. Manchmal klappt die erhoffte Karriere eben auch nicht so wie erhofft. Wenn es zu Entlassungen kommt, versuchen wir von der Personalabteilung bereits vorab, das Profil der Leute kennenzulernen und zu schauen, in welchem anderen Venture wir die Top-Leute unterbringen können. So kann bereits während der Kündigung eine neue Option aufgezeigt werden. Für alle guten Leute finden wir dann auch schnell etwas Neues im Netzwerk.

Kommen wir zum Einstellungsverfahren. Inwieweit sind Oliver Samwer und Alexander Kudlich in den HR-Prozess involviert?

Oli und Alex sind viel unterwegs. Das nutzen wir, um bei handverlesenen Veranstaltungen um die besten Talente zu werben. Dabei liegt unser Fokus auf den Hochschulen, wo wir eine hohe Zahl sehr guter Gründer gefunden haben, etwa die WHU in Vallender oder die HSG in St. Gallen. Schließlich waren sie dort selbst einmal Studenten. Darüber hinaus interviewen beide regelmäßig Führungskräfte für Rocket selber und Founder für unsere Companies.

Wie sieht der Recruiting-Prozess bei Rocket Internet generell aus – was sind Besonderheiten?

Das Recruiting basiert bei uns auf drei Säulen: Klassische Bewerbung mit Lebenslauf, Direktansprache bzw. Headhunting und die Rekrutierung aus unserem Talent-Pool bzw. über Mitarbeiterempfehlungen.

Wir pflegen unseren Bewerberpool mit großer Sorgsamkeit: Denn erfahrungsgemäß dauert es nicht lange, bis wir für einen exzellenten Kandidaten eine passende Stelle finden – entweder bei Rocket im Headquater oder bei einem unserer Unternehmen. Diese Vielfalt ist zugleich eine Besonderheit. Wir nutzen den Bekanntheitsgrad unserer Marke und vermitteln Bewerber direkt weiter zu unseren Unternehmen, wenn dort Bedarf ist.

Wie sieht der perfekte Rocket-Bewerber aus?

Wir achten bei der Auswahl sowohl auf die Qualifikation als auch auf den „cultural fit“. Wir brauchen Mitarbeiter, die bildlich gesprochen Architekt, Ingenieur und Bauarbeiter in sich vereinen. Einen Architekten, weil wir sehr strategisch arbeiten und für den Aufbau unserer Unternehmen auf herausragende analytische Fähigkeiten setzen. Einen Ingenieur, der die Planung und Skalierung verantwortet, und genau sieht, welche Ressourcen an welcher Stelle zum Einsatz kommen. Und einen Bauarbeiter, der sich nicht zu schade ist, selbst die ein oder andere Wand zu streichen.
Der Auswahlprozess ist mehrstufig und beginnt in der Regel mit einem Interview mit einem unserer Recruiter. Sollte sich der Bewerber hier beweisen, folgt das Gespräch mit einem Experten aus der jeweiligen Abteilung. Für Führungspositionen engagieren wir zusätzlich ein Treffen mit der Geschäftsführung.

Das klingt erst mal recht unkonkret, wie findet man heraus, ob jemand über diese Qualitäten verfügt?

Ein strukturiertes Interview mit einem erfahrenen Personalmanager schafft einen guten Eindruck. Dabei ist es wichtig, Fragen zu stellen, die nicht nur Qualifikationen abfragen, sondern den Kandidaten tatsächlich herausfordern. Wir brauchen bei Rocket Leute, die mitdenken und schnell Lösungsansätze für komplexe Probleme entwickeln können. Für den Recruiter ist in solchen Situation wichtig, sich zurück zu nehmen und zuzuhören, statt aktiv einzugreifen und das Gespräch zu lenken.

Wie sehen solche situativen Frage aus?

Es gibt unendlich viele, häufig kommen sie von selbst. Analytisches Denken und die schnelle Identifikation der nächsten Schritte ist eine Schlüsselfähigkeit bei Rocket. Eine Frage könnte sein: Stell dir vor, du erhälst die Aufgabe, Foodora in drei weiteren deutschen Städten zu starten. Wo würdest du loslegen und warum? Und wie würdest du vorgehen? Wie ist dein Arbeitsplan, wie groß muss dein Team sein? Diese Fragen lassen sich beliebig vertiefen und ins Detail verstricken. Und tatsächlich lässt sich so gut erkennen, in wie weit ein Kandidat unternehmerisch denken kann.

Man hört, dass das Recruiting bei Rocket mitunter chaotisch läuft, woran liegt das?

Das kann man so nicht sagen. Wir haben ein hochprofessionelles Team, das sich mit viel Erfahrung um unsere Bewerber und Kandidaten kümmert. Es unterstützt auch neue Mitarbeiter aus dem Ausland beim Beantragen des Visums und dem Start in Berlin. Was ab und zu bei uns passieren kann, ist, dass eine Parallelbewerbung direkt an Rocket und an ein Venture läuft – oder zwei unserer Unternehmen den selben Kandidaten spannend finden und kontaktieren. Aber auch das ist kein Chaos, sondern ein von uns gewollter Prozess.

Können die Founder überhaupt selbstständig entscheiden, wen sie im Team haben möchten?

Selbstverständlich! Unsere Founder tragen die Verantwortung für den Erfolg des Unternehmens. Wer Teil ihres Teams werden soll oder welche Positionen sie überhaupt ausschreiben, ist ihre strategische Entscheidung. Ein Unternehmen mit einem starken Fokus auf Kundenakquise braucht vielleicht einen guten Content-Redakteur, ein anderes viele Rechtsexperten. Das unterscheidet sich stark. Durch unsere Erfahrung und den standardisierten Launchprozess können wir die Founder jedoch gut beraten und ihnen sagen, zu welchem Zeitpunkt welcher Experte für ihr Unternehmen eingestellt werden sollte. Das heißt, dass wir passende CV’s an sie weiterleiten oder auch aktiv in den Recruiting-Prozess eingebunden werden.

Was sind die neusten Trends auf der Suche nach dem passenden Mitarbeiter?

Rocket braucht sehr gute Entwickler – diese werden von vielen Unternehmen umworben. Wir setzen verstärkt auf Social Recruiting. Dafür bewegen wir uns in Foren oder auf Plattformen, die unsere Zielgruppe stark frequentiert nutzt – etwa im Tech und Developer Universum. Dort versuchen wir, mit interessanten Profilen ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus nehmen unsere Entwickler um CTO Christian Hardenberg an Hackathons teil und knüpfen dort Kontakte.

In der HR-Branche gibt es technische Neuerungen. Unteranderem ein Tool mit dem man sehen kann, ob Leute kündigen wollen. Wie wendet ihr das an?

Noch machen wir das gar nicht, aber wir haben uns diese Tools natürlich angesehen. Wir nutzen die sozialen Netzwerke wie Xing und Linkedin und schauen dort, wer sein Profil gerade aktualisiert. Die Informationen dort sind ja für jeden frei zugänglich.

Bild: Rocket Internet