Das weltweite Wachstum des Samwer’schen Inkubators Rocket Internet (www.rocket-internet.de) kannte zuletzt kaum Grenzen, doch zumindest in der Türkei scheint damit nun Schluss zu sein: Laut Gründerszene-Informationen machte Oliver Samwer in der nahen Vergangenheit kolportierte 125 Mitarbeiter arbeitslos.

Rocket Türkei Entlassungen

Trainees und Vollzeitkräfte müssen angeblich gehen

Bisher ging es hoch her bei Rocket Internet, das zum globalen Startup-Produzenten avanciert: Nach Aktivitäten in Südamerika, in Afrika, dem Mittleren Osten, in Südostasien sowie einem Entwickler-Hotspot in Portugal konnte Gründerszene kürzlich sogar Gründungen in Myanmar ausmachen. Für die Türkei scheint die Expansionsrechnung dabei allerdings nicht aufzugehen.

Çok kötü yaa, laut Informationen, die Gründerszene exklusiv vorliegen, soll Oliver Samwer am Bosporus zum Aufräumen erschienen sein und entließ zahlreiche Mitarbeiter. Während eine Quelle davon spricht, dass binnen 18 Stunden gleich vier Unternehmen vor Ort dicht machen und rund 200 Mitarbeiter ihren Hut nehmen mussten, berichtet ein Experte vor Ort gegenüber Gründerszene von anderen, ähnlich hohen Zahlen.

So verriet zweitere, deutlich verlässlichere Quelle, dass keine Unternehmen geschlossen werden, aber zahlreiche Arbeitnehmer gehen mussten. Es sollen 100 von insgesamt 200 Trainees ebenso entlassen worden sein wie 25 Vollzeitkräfte – insgesamt also 125 Mitarbeiter. Angeblich soll Rocket Internet bisher einen Mitarbeiterstamm von rund 400 Personen in der Türkei aufgebaut haben.

Türkei: Was ist dran am Rocket-Kahlschlag?

Doch was ist überhaupt an diesen Vorwürfen dran? Auf Anfrage bestritt Rocket Internet die Entlassung so vieler Mitarbeiter in der Türkei. Lediglich rund 30 Leute hätten im Rahmen der Bamarang-Schließung gehen müssen, heißt es auf Anfrage. Gleich zwei türkische Kontakte von Gründerszene sagen anderes – die Wahrheit liegt womöglich irgendwo dazwischen. Sollten sich die Entlassungen bewahrheiten, versucht Oliver Samwer so womöglich seine kolportiert hohe Burn-Rate unter Kontrolle zu bringen und prüft genau, welche der Länder, in denen er Gründerteams zu sitzen hat, ihm die höchsten Multiples versprechen. Abi, krass, kovulduk… – die Türkei zählt hier wohl nicht dazu.

Während dieses rationale Verhalten wirtschaftlich sicher sinnvoll sein dürfte und womöglich weitergehende Fehlinvestitionen verhindert, dürften moralisch wieder Diskussionen um den Inkubator aus Berlin auftreten. Wenngleich die Berliner stets bedacht sind, die rekrutierten Talente ihrer Gründungen im Falle einer Schließung auf andere Portfolio-Unternehmen umzuverteilen, machen doch immer wieder größere Kündigungsnews die Runde, etwa zu Massenentlassungen bei Groupon CityDeal oder zu Hire and Fire bei Wimdu.

Rockets Aktivitäten in der Türkei

Der Internetmarkt in der Türkei befindet sich im Aufbruch. Geopolitisch gesprochen ist die Türkei in Sachen Internet wohl kein Entwicklungsland mehr, aber auch deutlich davon entfernt, eine Erste-Welt-Nation zu sein. Womöglich charakterisiert der Begriff „Schwellenland“ die Türkei recht gut, in der sich derzeit bei ausgeprägtem Unternehmertum vor allem viele Klone westlicher Dickschiffe wie Amazon, LinkedIn oder Facebook finden lassen. Ein solches Vorgehen kann teilweise sinnvoll sein, wirtschaftlich bleiben die großen Erfolge in der Türkei aber bisher aus.

Gründerszene beleuchtete die Samwer’schen Aktivitäten in der Türkei sowie der MENA-Region bereits in einem Artikel und bisher war Rocket Internet am Bosporus mit Ablegern von Wimdu (www.wimdu.com), Pinspire (www.pinspire.de), Westwing (www.westwing.de) und Bamarang (www.bamarang.de) aktiv sowie den türkischen Gründungen Zidaya (www.zidaya.com; Fashion à la Zalando), Eleseri (www.eleseri.com; Unikate-Marktplatz à la Etsy oder DaWanda), Sporena (www.sporena.com; Sportartikel) und Evimister (www.evimister.com; Möbel à la Home24). Über die Einstellung von Pinspire sowie die Aufgabe der Marke Bamarang berichtete Gründerszene ebenfalls.

Rocket Türkei – eine Geldschleuder?

Doch jenseits aller Startup-Aufzählungen – wie schlägt sich Rocket Internet in der Türkei? Glaubt man Gründerszenes Türkei-Experten, hat Rocket in der Türkei bisher vor allem für eines gesorgt: erhöhte Löhne. Während Rocket selbst plant, in den nächsten Jahren ein Monopol in der Türkei und dem Mittleren Osten aufzubauen, sollen die Berliner auf dem Radar der lokalen Größen bisher noch nicht aufgetaucht sein.

Angeblich würde Rocket in der Türkei vor allem Mitarbeiter rekrutieren, deren Lebensläufe entsprechende Managementschulen aufweisen und diesen hohe Löhne zahlen. Da den so rekrutierten Management-Teams allerdings häufig die nötige Marktkenntnis fehlt, soll Rocket Internet in der türkischen Szene als teure Startup-Schule wahrgenommen werden, heißt es weiter von Gründerszenes Kontakt. Dabei ist der türkische Internetmarkt nach wie vor noch recht klein – was Rocket aber anscheinend nicht zu stören scheint. Wie viel Aussicht auf Erfolg hat also Rocket Internets Strategie, die am Bosporus anscheinend wieder auf einen Rollout Marke Samwer-Blitzkrieg setzt?