Gründerszene berichtete zuletzt bereits von umfangreichen Entlassungen in der Türkei, nun wird publik, dass Rocket Internet (www.rocket-internet.de) sich aus der Türkei gänzlich zurückzieht und seine Aktivitäten vor Ort einstellt. Was passiert mit den Mitarbeitern und worauf wird sich der Berliner Inkubator fortan konzentrieren?

Rocket Türkei Schließung

Dichtmachung: Rockets Türkei-Portfolio entscheidet

Gründerszene hatte dieser Tage bereits exklusiv berichtet, dass Rocket Internet in der Türkei kolportierte 125 Mitarbeiter entließ. Nun spitzt sich die Situation am Bosporus zu: Der Samwer-Inkubator zieht sich aus der Türkei gänzlich zurück. Grund dürfte der hohe Wettbewerb in diesem kulturell sehr speziellen Markt sein. Schließlich sind auch die Ressourcen eines Rocket Internets nicht unendlich, sodass sich die Berliner fortan wohl auf ihre anderen Märkte konzentrieren werden.

Die Türkei soll sich bisher als kein guter Markt für Rocket dargestellt haben. Bei ausgeprägter Rabattkultur sind der Wettbewerb und der kulturelle Unterschied gleichzeitig hoch. Ein Experte berichtete gegenüber Gründerszene bereits, dass Rocket Internet in der türkischen Szene als teure Startup-Schule gilt, da der Samwer-Inkubator neben zahlreichen Trainees vor allem teure Manager mit geringer Marktkenntnis beschäftigen soll.

Bisher war Rocket Internet am Bosporus mit Ablegern von Wimdu (www.wimdu.com), Pinspire (www.pinspire.de), Westwing (www.westwing.de) und Bamarang (www.bamarang.de) aktiv sowie den türkischen Gründungen Zidaya (www.zidaya.com; Fashion à la Zalando), Eleseri (www.eleseri.com; Unikate-Marktplatz à la Etsy oder DaWanda), Sporena (www.sporena.com; Sportartikel) und Evimister (www.evimister.com; Möbel à la Home24). Über die Einstellung von Pinspire sowie die Aufgabe der Marke Bamarang berichtete Gründerszene ebenfalls.

Was mit den Mitarbeitern geschieht – vor den Entlassungen soll Rocket einen Mitarbeiterstamm von rund 400 Personen in der Türkei aufgebaut haben – bleibt vorerst unklar. Vermutlich werden die viel versprechenden Top-Positionen in andere Rocket-Unternehmungen umverteilt, während ein Großteil wohl mit seiner Kündigung zu rechnen hat. Glaubt man einem Insider, sollen die jeweilgen Rocket-Portfoliounternehmen selbst entscheiden müssen, was mit ihren Türkei-Standorten geschieht. Unternehmen wie Westwing müssen dann überlegen, wie sie mit ihren Mitarbeitern am Bosporus verfahren. Wie mit den jeweiligen Neugründungen verfahren wird, bleibt bisher unklar, eine Schließung dürfte aber wahrscheinlicher sein als ein Verkauf.

Absehbares Scheitern oder konsequente Fokussierung?

Risikokapital würde wohl nicht seinen Namen tragen, wenn nicht eben auch ein gewisses Risiko des Scheiterns besteht. So wird auch Rockets Gründungsversuch in der Türkei im Nachhinein wieder kontrovers diskutiert werden. Freilich liegt die Frage nahe, ob der industriehafte Klonansatz der Samwers funktionieren kann, wenn – wie im Falle der Türkei – anscheinend kaum eine Sensibilisierung für die kulturellen Eigenheiten besteht und stattdessen auf aggressives Wachstum nach Blaupause gesetzt wird. Umso größer wird die Tragweite dieser Diskussion, wenn eine Mitarbeiteranzahl von 400 Personen im Raum steht.

Auf der anderen Seite stellt Rocket Internets globales Imperium auch eine Mammutaufgabe dar und es erscheint nur konsequent, dass jene Märkte geschlossen werden, deren eingesetzte Ressourcen die geringsten Umsätze abwerfen und somit geringere Multiples bedeuten würden. Rocket Internet befindet sich angesichts seiner globalen Expansion also anscheinend auf einem Refokussierungskurs, der auch dem hohen Kapitalaufwand geschuldet sein dürfte. Und während aus moralischer Sicht erneut über die Art der Schließung diskutiert werden darf, bleibt für das Ökosystem als Ganzes zu hoffen, dass Rockets Expansion dennoch Erfolg trägt. Ein Scheitern hätte eine Sogwirkung für die gesamte Szene und würde den deutschen Internetstandort um Jahre zurückwerfen. Angesichts umfangreicher Finanzierungen wie jener durch Millicom, Kinnevik (zuletzt 124 Millionen Euro) oder Access Industries (200 Millionen Euro) dürfte dies wohl vorerst kein akutes Szenario darstellen – die Wirkung für die gesamte Internetszene sollte aber nicht vergessen werden.

Bildmaterial: Dieter Schütz / pixelio.de