Anzahl und Höhe der Exits: Europa ist da laut Studie im Vergleich zu den USA noch ein „Zwerg“

Startups in Europa müssen sich nicht vor denen im Valley verstecken – auf Augenhöhe sind sie allerdings auch noch nicht. Das ergibt eine aktuelle Studie der Beratung Roland Berger. Darin will das Unternehmen mit „Mythen“ um europäische Jungunternehmen aufräumen und zeigen, was sich positiv entwickelt.

Zum Beispiel die Exits. Zwar sei Europa bei Anzahl und Höhe der Exits zugegebenermaßen noch ein „Zwerg“ im Vergleich zu den Staaten: Laut Studie hätten nicht einmal die Hälfte der europäischen Startups, die mit Milliarden bewertet sind, IPO-Reife erreicht. In den USA seien zwei Drittel der Firmen bereit für den Börsengang. Aber einige Exits an wichtige Konzerne hätten das Prestige der europäischen Branche erhöht. Beispiele im deutschsprachigen Raum seien der Quandoo-Verkauf an die japanische Recruit Holding für fast 200 Millionen Euro, der Exit von 6Wunderkinder an Microsoft für geschätzte 100 bis 200 Millionen Euro und die Adidas-Übernahme von Runtastic für 220 Millionen Euro.

In diesen mittelgroßen Verkäufen sieht die Roland-Berger-Untersuchung Europas nähere Startup-Zukunft. Sie vergleichen die Struktur der Hidden Champions in Europa mit dem deutschen Mittelstandsphänomen in den Tagen vor der Digitalisierung. „Denk an deutsche Startups wie Sociomantic und Rhode Code: Es mag da draußen Startups geben, die sexier sind, aber die Geschäftsmodelle stopfen wichtige Lücken im Markt“, heißt es in der Studie.

Bei hohen Unternehmensbewertungen hängen europäische Startups im Vergleich zu den USA ebenfalls hinterher. So schätzt die Beratung den kumulierten Wert aller US-Unicorns auf etwa 700 Milliarden Dollar. In Europa seien alle Einhörner nur 110 Milliarden wert.*

Weitere Ergebnisse im Überblick:

  • Für Europa sei wichtig, dass Preise in den Tech-Hubs niedriger seien als in den USA. Dort lägen die Lohnkosten für Software-Ingenieure im Schnitt 25 Prozent über denen in Europa. Bei Mietpreisen gebe es außerdem große Unterschiede: Während in San Francisco ein Quadratmeter Bürofläche durchschnittlich 95 Euro im Monat koste, seien es in Berlin 22,5 Euro.
  • Ein weiteres Indiz für steigende Attraktivität Europas sieht die Beratung darin, dass Konzerne sich mehr und mehr engagieren. So habe Google bereits ein halbes Dutzend Forschungszentren in Europa eröffnet, Amazon in Berlin ein Entwicklungscenter gestartet. Die Zahl der Inkubatoren und Acceleratoren, viele von großen Firmen betrieben, habe sich zwischen 2007 und 2013 vervierfacht.
  • Die Bedingungen für Gründer hätten sich in Europa verbessert. Ein Ranking der Europäischen Kommission hingegen attestiert europäischen Staaten gerade bei ihrer digitalen Leistung Nachholbedarf – keine ideale Ausgangslage für Tech-Startups. Roland Berger aber argumentiert, die Breitbandversorgung in europäischen Wirtschaftszentren sei gut, die Sicherheitsstandards im Datenschutz hoch.
  • Daten seien entscheidend: Unternehmen wie Criteo und Blablacar hätten bereits gezeigt, dass sich alles um Daten drehe. Welche Auswirkungen das jüngste EuGH-Urteil zum Safe-Harbor-Abkommen haben könnte, wird nicht analysiert. Das Abkommen garantierte US-Konzernen bislang, die Daten ihrer europäischen Kunden auf US-Servern verarbeiten zu können – das ist nun vorbei.
  • Schließlich bleibt noch die allgegenwärtige Diskussion über das Geld. Laut Beratung fehle zwar noch immer Kapital in Europa. Allerdings hätten mittlerweile sechs Mal mehr Startups als noch 2009 eine Seed-Finanzierung erhalten.
    Der Median aller Fundings wachse stetig. Zwischen April 2014 und April 2015 hätten Startups 46 Finanzierungen mit einem Volumen von mehr als 30 Millionen US-Dollar abgeschlossen. Im ersten Halbjahr 2015 hätten europäische Startups insgesamt 6,9 Milliarden US-Dollar eingesammelt, 86 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Am erfolgreichsten waren Delivery Hero mit 730 Millionen US-Dollar, Spotify mit 526 Millionen und das britische OneWeb mit 500 Millionen.
*In der Liste fehlt allerdings das jüngst von Investoren mit 2,6 Milliarden Euro bewertete HelloFresh, da die Bewertung laut Roland Berger erst nach dem Stichtag zur Studie zustande gekommen sei.
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