BROOKLINE, MA - JANUARY 2: Spaetzle from the Fairsted Kitchen in Brookline. (Photo by Essdras M Suarez/The Boston Globe via Getty Images)Wohl nicht viele Lebensmittel-Hersteller würden ihr Essen freiwillig mit den Worten „Keine Kontaminationsgefahr“ bewerben. Schließlich verbindet man Kontamination eher mit einem radioaktiv verseuchten Gebiet oder sonst irgendeiner Art von Belastung, – aber garantiert mit nichts, das man essen möchte.

Zwei Frauen aus Oberbayern, die 47-jährige Brigitte Kirchberger und die 56-jährige Girolama Scarcella, sehen das anders. Mit ihrem Startup Ruki verkaufen sie Spätzle, Schupfnudeln und Knödel, die sie selbst gemacht haben. Und auf ihrer Webseite prangt der Slogan „Keine Kontamination“. Damit meinen sie, dass ihre Produkte frei von Gluten und anderen Stoffen sind.

Gluten ist ein Eiweißgemisch, das vor allem in Getreide vorkommt – und damit beispielsweise auch in Zimtschnecken, Müsli, Salzstangen oder Bier: also in verschiedenen Lebensmitteln. Es sorgt dafür, dass Brot beim Backen fluffig aufgeht und einen knusprigen Rand erhält, aber manche Menschen macht es krank. Bei ihnen entzündet sich dadurch der Darm.

Die Folge: Die Betroffenen verlieren Gewicht, leiden unter Symptomen wie Durchfall, Erbrechen oder Müdigkeit und durch die Entzündungen kann sogar Krebs entstehen. Zöliakie heißt das Krankheitsbild. In Deutschland sollen davon rund 800.000 Menschen – jeder 100. Deutsche – mehr oder weniger stark betroffen sein.

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„Wir richten uns an Menschen mit Zöliakie, Gluten- und Weizenunverträglichkeit sowie Laktoseintoleranz“, erzählt Kirchberger. Denn auch Milchzucker beinhalten ihre Produkte nicht.

Als gelernte Einzelhandelskauffrau leitete Kirchberger jahrelang einen Fuhrpark in München, bis sie im November 2007 mit der Köchin Scarcella ein Restaurant im oberbayrischen Örtchen Scheidegg eröffnete. Eine Nachbarin fragte sie damals, ob sie auch glutenfreie Gerichte anböten. Die Frau hatte Zöliakie. „Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nie etwas davon gehört“, sagt Kirchberger.

Die beiden Frauen versuchten sich an ihren ersten glutenfreien Gerichten. Anstelle von Weizenstärke nutzten sie Maisstärke. Glutenhaltige Pasta ersetzen sie durch Reis- oder Maisnudeln. „Die Kontamination ist das Schwierigste in der Küche“, erzählt Kirchberger. Bereits Spuren von Gluten könnten bei den Betroffenen zu Reaktionen führen: „Es ist beispielsweise ein No Go, mit einem Messer gleichzeitig etwas glutenhaltiges und -freies zu schneiden.“

Nach und nach nahmen die Gründerinnen immer mehr glutenfreier Produkte in ihrer Speisekarte auf – darunter Pizza, Spätzle, Kuchen oder Torten. Gleichzeitig kümmerten sie sich darum, dass immer mehr Menschen im Ort von Zöliakie erfuhren. Sie verteilten Broschüren, sprachen auf Messen und luden zum Brunchen ohne Gluten ein. Und sie verkauften ihre Speisen auf glutenfreien Weihnachtsmärkten. „Es ging uns darum, den Betroffenen eine möglichst sorgenlose Zeit zu ermöglichen“, betont Kirchberger.

Das Restaurant sprach sich in der Gemeinde der Zölis, wie sich Menschen mit Zöliakie liebevoll nennen, herum. „Einige Gäste fanden es schade, dass sie die Produkte nicht im Alltag bekommen konnten“, sagt Kirchberger. Deshalb gründeten sie 2013 die Ruki GmbH – einen Online-Versand für glutenfreie Hausmannskost.

„Das Geschäft wuchs alleine durch Mund-zu-Mund-Propaganda durch die Gaststätte“, erzählt Kirchberger. Doch irgendwann gingen die Online-Bestellungen nicht mehr nebenbei. Die beiden Frauen mussten sich entscheiden: die Gaststätte oder das Startup?

„Uns war klar, dass wir Ruki nur ganz oder gar nicht machen können“, sagt Kirchberger. Das Ergebnis: Vor zwei Jahren gaben sie das Restaurant auf, mieteten sich in einer alten Konditorei in Peißenberg ein und bauten sie zu einer kleinen Fabrik um.

Von der Produktion bis zum Versand machen sie fast alles zu zweit. Nur in Stoßzeiten wie vor Weihnachten stellen sie zusätzliche Hilfskräfte ein. Die Waren verkaufen sie über den Online-Shop, aber auch über einzelne Bioläden: „Wir sprechen gerade mit Großhändlern aus verschiedenen ländlichen Gebieten“, sagt Kirchberger. Die Händler sollen ihre Produkte in die Läden bringen.

Um die Kosten zu decken, nahmen die Gründerinnen einen Kredit bei der KfW-Bank auf. Außerdem haben sie jetzt eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Von dort erhoffen sie sich mindestens 10.000 Euro – Geld, das vor allem für Werbung eingesetzt werden soll. Bald schon werde eine Bekannte in der Firma einsteigen und sich um das Marketing kümmern, so Kirchberger.

Auch Crowdinvesting können sich die Unternehmerinnen in einem nächsten Schritt vorstellen. Sie sind auf Investorensuche. Bei der Gründershow „Die Höhle der Löwen“ haben sie sich beworben, bisher allerdings ohne Zusage des Fernsehsenders.

Ziel sei, bis Ende des Jahres einen Umsatz von 350.000 Euro zu erreichen und ab dann Gewinne einzufahren, erzählt Kirchberger. Die Gründerin klingt sehr entschlossen, wenn sie in tiefem Oberbayrisch sagt: „Ruki ist unser Baby und das ziehen wir jetzt groß.“

Bild: getty images / Boston Globe