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Bis vor einigen Jahren war das Thema Burnout ein Tabu. Mittlerweile ist es glücklicherweise soweit, dass sogar auf Events wie der Internetkonferenz Noah darüber geredet werden kann. Und genau das tat Arianna Huffington, Gründerin der Huffington Post, am Vorabend der Konferenz: Sie erzählte in ihrer Rede beim Speakers Dinner offen und ausführlich von ihrem eigenen Zusammenbruch, den sie 2007 erlitten hatte.

Moderator und Noah-Gründer Marco Rodzynek nahm das zum Anlass, Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer auf der Bühne danach zu fragen: Hatte er schon einmal einen Burnout? Hatte er jemals Angst davor? Samwers flapsige Antwort: „Ich denke, diese Burnout-Sache ist nichts für mich.“ Mit dem Satz erregte der Rocket-Chef Aufsehen: Für die Berichterstatter von FAZ, SZ, Welt, Berliner Morgenpost und auch Gründerszene war die Aussage vor allem beispielhaft für Samwers Arbeitsethos.

Doch in den Kommentarspalten, auf Facebook und auf Twitter nahmen viele Leser den Satz eher als Verharmlosung eines ernsten Themas wahr – und als Beweis für den unausgereiften Umgang der Startupszene mit Problemen wie Überlastung und Burnout. Wir dokumentieren die Debatte in Auszügen.

Dotnetdeveloper kritisiert beispielsweise auf Gründerszene:

„Vielleicht ist er mit seinen 41 Jahren bisher verschont geblieben, vielleicht kann er sich als Vorstandsvorsitzender und Multimillionär ja auch einfach die Sachen aussuchen, die ihm Spaß machen (und das sage ich ganz ohne Neid, ohne Diskussion, ob er sich das ,verdient‘ hat). Das freut mich für ihn. Schade finde ich nur, dass ,diese Burnout-Sache‘ dadurch verharmlost wird. Seine Worte haben immerhin Gewicht, da muss man sich meiner Meinung nach auch überlegen, wie man etwas ausdrückt. Es ist ja keinesfalls ,irgendeine Sache‘, sondern durchaus ernst zu nehmen. Und durch sein ,ist nichts für mich‘ meint er wohl, das man es sich aussuchen kann, ob ,diese Burnout-Sache‘ was für einen ist oder nicht, so wie ein neues Auto oder iPhone. Und schade, dass Ihr das hier auch noch als Titel nehmt, da hätten sich ja auch andere Schlagzeilen angeboten. Selbst wenn Burnout im Titel eventuell mehr Leser zieht, hätte man ja was Neutrales wie ,Oliver Samwer hat keine Angst vor Burnout‘ schreiben können, anstatt dieses meiner Meinung nach abfällige Zitat auch noch als Headline zu nehmen.“

Auf der Facebook-Seite der FAZ wird ebenfalls diskutiert. Auch hier herrscht wenig Verständnis. Krah Krah findet:

„,Burnout Ding‘. Als ob Menschen sich das aussuchen, wie ein Hobby. Das sagt einiges über das Niveau dieser Unternehmer aus. […] Ich frage mich, was das für eine Kultur ist, die nur aus Investments und Gewinnmaximierung besteht. Der absolute Nihilismus.“

Auf Twitter sekundiert Ute Schulze:

Genau: Was ist eigentlich mit Samwers Angestellten, die mit der von oben verordneten Workaholic-Kultur leben müssen? ‚orst analysiert:

„Man muss hier zwei Dinge sehen: Zum einen, wie Herr Samwer mit dem Thema umgeht. Es wird natürlich, so vermute ich, aus dem Kontext gerissen sein und er will das Thema nicht bewusst verharmlosen. Damit ist nicht zu spaßen. Zum anderen geht es um Burnout im Bezug auf ihn selbst (und nicht auf zig seiner Angestellten, die in Startups verbrannt werden). Ein Angestellter, der mit Drill und Stress von oben klar kommen muss, unter Druck steht, sein Hiwi-Gehalt nach Hause bringt und dennoch 50 bis 80 Stunden kloppen darf, geht anders damit um als jemand wie Samwer: Ein Selfmade-Millionär, der sich aussucht, was er macht und ganz frei und bewusst die Entscheidung einer 7-Tage-Woche trifft. Weil er so gut klar kommt, weil es zu ihm passt, weil ihn diverse Dinge antreiben und motivieren und ihn funktionieren lassen. In einer anderen Konstellation wäre er vielleicht schon zusammengebrochen und hätte drei Jahre Reha gemacht.“

In der FAZ (Printausgabe) kommentiert Britta Beeger die Frage, was der Rocket-Boss von seinen Mitarbeitern erwarten darf.

„Gründungsphasen sind wilde Zeiten. Geschäftsführer aufstrebender Unternehmen berichten, dass es stets mehr zu tun gibt, als in 24 Stunden zu schaffen ist. Einfache Mitarbeiter verdienen zudem oft nicht besonders viel, bekommen nur befristete Verträge, ackern rund um die Uhr und laufen dennoch Gefahr, dass sie bei einem Scheitern ohne Arbeitsplatz dastehen. Mutet sich mancher damit nicht zu viel zu? ,Dieses Burnout-Ding ist nichts für mich‘, sagt Samwer lapidar. Man kann davon ausgehen, dass er das auch von seinen Mitarbeitern erwartet. Doch auch, wenn es in der Gründungsphase vielleicht nur mit vollem Einsatz geht – nicht an jedem perlt das so einfach ab wie an ihm.“

Vielleicht sind die, die – wie Samwer – ihren Job lieben, einfach weniger anfällig für einen Burnout. Christian Haja schreibt:

„Ich verfüge über keine psychotherapeutische Ausbildung und kann daher keine fachliche Kompetenz in diesem Bereich vorweisen. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass Burnout stets mit einer ausgeübten Tätigkeit in Verbindung steht, mit der sich die betroffene Person nicht identifizieren kann. Im Artikel führt Oliver Samwer weiter an: ,Ich liebe, was ich tue.‘ Ein äußerst wichtiger Zusatz. Solange man seiner Leidenschaft nachgeht und eine intrinsische Motivation Triebkraft der Arbeit ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer Burnout-Erkrankung vermutlich deutlich geringer. Oliver Samwer gehört damit aber auch zu einem geringen Teil der Bevölkerung.“

Aber: Einige berühmte Persönlichkeiten, die ihrem Beruf nachweislich mit Leidenschaft nachgehen, waren ebenfalls schon von einem Burnout betroffen: die Schauspielerin Renée Zellweger etwa, der Fußballtrainer Ralf Rangnick – oder eben Arianna Huffington.

Marcus G. Bussmann entgegnet daher:

„Es ist gut, wenn Liebe zum Job bedeutet, mit ihm nicht im Widerspruch zu stehen. Ein Schutz ist das aber leider nicht. Samwer weiß ganz klar nicht, worüber er redet.“

Auf Twitter ergänzt Ulrich Goldschmidt:

ClubCooee-GründerAlexander Jorias fasst zusammen:

Was haltet Ihr von der Aussage? Ist die Kritik berechtigt? Diskutiert mit!

Mitarbeit: Niklas Wirminghaus
Bild: Gründerszene