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scarosso moritz offeney marco reiter Die Gründer und Ex-Geschäftsführer von Scarosso, Moritz Offeney (35, links) und Marco Reiter (29)

Scarossos Gründer und Geschäftsführer sind raus. So viel ist schon länger bekannt, die Eintragungen im Handelsregister stammen von Mitte Juni. Warum aber Marco Reiter (29) und Moritz Offeney (35) ihr 2010 gegründetes Premium-Schuhlabel verlassen haben – das ist schwieriger nachzuvollziehen. Gründerszene hat zahlreiche Hinweise von mit dem Startup involvierten Personen bekommen und ist diesen nachgegangen.

Unter anderem hieß es, dem Unternehmen gehe es finanziell längst nicht gut wie es sollte. Eigentlich planten die Gründer, 2014 erstmals einen zweistelligen Millionenumsatz zu erwirtschaften und rentabel zu werden. Doch die Erfolgsmeldungen blieben aus. Auch die bislang nicht kommunizierte Serie-C-Finanzierung Scarossos aus dem Frühling dieses Jahres wirft Fragen auf: Wie aus Unternehmenskreisen zu hören ist, soll dabei weniger Geld geflossen sein als bei der Serie B im vergangenen August, damals hatte es noch 11 Millionen Euro gegeben. Aus dem Handelsregister geht derweil hervor, dass bei der jüngsten Runde gleichzeitig mehr Anteile vergeben wurden – was auf eine sogenannte Down Round schließen ließe. Dabei erhalten Investoren Anteile zu einer niedrigeren Unternehmensbewertung als bei der vorherigen Finanzierungsrunde. Bestätigen wollte das Unternehmen dies allerdings nicht.

Auch zu den Umständen des Ausscheidens der beiden Gründer hält sich das Unternehmen bedeckt. Vor zwei Wochen fragte Gründerszene bei Scarosso an, nun heißt es lediglich: „Die beiden Gründer Marco Reiter und Moritz Offeney haben die Firma verlassen, um sich anderen Herausforderungen zu stellen, sind aber weiterhin Gesellschafter.“ Und: „Das neue Management hat die volle Unterstützung der Gesellschafter.“

Probleme: Datenlage und Management-Stil

Aus Unternehmenskreisen ist mehr zu den Gründen des Wechsels zu hören. So sei die Qualität der Buchhaltung katastrophal gewesen, als der neue Geschäftsführer Yorck H. Richter sein Amt vor einem Monat eingenommen hatte. Er ist Spezialist für Restrukturierungen und Sanierungen. So steht es auch in seinem Profil von Taskforce – einem Münchner Unternehmen, das „für [seine] Mandanten nachhaltig wirksame Problemlösungen auf Spitzenniveau um[setzt]“.

Auch soll das Ex-Management sehr hohe Summen ins Marketing gesteckt haben – die erhofften Umsätze daraus hätten sich allerdings nicht realisiert. Somit stieg der Druck der Investoren auf die Gründer. Resultat: aggressives und unkontrolliertes Führungsverhalten, wie mehrere frühere Mitarbeiter gegenüber Gründerszene berichten. So habe sich ein Mitarbeiter, der krank und wegen zahlreicher Überstunden überarbeitet gewesen sei, nach einer lautstarken Auseinandersetzung von seinem Arzt krankschreiben lassen – und Scarosso habe ihn gefeuert. Der Mitarbeiter sagt weiter, er sei gegen diese Entlassung vorgegangen und habe vor Gericht Recht bekommen. Scarosso habe ihn weiter beschäftigen müssen.

Moritz Offeney und Marco Reiter wollen zu diesem Zeitpunkt gegenüber Gründerszene keine Stellung nehmen.

Ihr Management-Stil hat seit vergangenem Sommer einen Mitarbeiter-Exodus bei Scarosso ausgelöst. Zahlreiche Entwickler sowie der Großteil des Managements wie CTO, CMO und COO haben die Firma verlassen, bei der nach eigenen Angaben derzeit etwa 60 Angestellte arbeiten. Dies dürfte einer der Gründe für die Investoren gewesen sein, letztlich die Notbremse zu ziehen.

Mehr als 13 Millionen gab es von den Investoren

Scarosso gehört mittlerweile zu 57 Prozent der britischen Investmentgesellschaft Neo Investment Partners, die auch den neuen, offiziell eingetragenen Sanierungs-CEO Yorck Richter ins Boot geholt hat. Weitere neue Geschäftsführerin ist Indira Thambiah, die laut Scarosso mehr als 20 Jahre Erfahrung im Retail mitbringt.

Die beiden weiteren größten Anteilseigner an dem Startup sind DN Capital mit 22 Prozent und die IBB Beteiligungsgesellschaft mit 6,5 Prozent. Daneben sind noch einige Business Angels bei Scarosso investiert, Offeney und Reiter halten ebenfalls noch Anteile von um die vier Prozent an der Firma. Auch dem ehemalige Gucci-Chef Robert Polet gefiel die Vision des Premium-Schuhlabels, das es zunächst nur online gab. In der Serie A, bei der zwei Millionen Euro investiert wurden, stieg er ein, bis heute hält er Anteile.

Die Idee hinter Scarosso, die viele Investoren überzeugte und mit der das Unternehmen seit dem Start ein gutes Markenimage aufbauen konnte: Zwischenhändler überspringen und so handgemachte und individualisierte Lederschuhe günstiger als die Konkurrenz unter einem eigenen Label verkaufen. Außerdem setzt das Startup auf eine Multi-Channel-Strategie und hat in den vergangenen Jahren neben dem Online-Shop fünf lokale Geschäfte eröffnet: in Berlin, Wien, Hannover, Hamburg und Frankfurt.

Die beiden Gründer begannen bereits während ihres Studiums an der renommierten Bocconi-Universität in Mailand, hochwertige und handgefertigte Lederschuhe an Kommilitonen zu verkaufen. Das erzählte Offeney 2013 in einem Gründerszene-Videointerview. Qualität sah er dabei als wichtigsten Faktor für Skalierbarkeit und gab an, der Umsatz habe sich 2012 verfünffacht; 2013 sollte eine Steigerung um 300 Prozent geschafft werden. Aus dem Bundesanzeiger geht hervor, dass sich in den beiden Jahren zumindest der Jahresfehlbetrag auf 2,7 Millionen Euro verfünffacht hat. Neuere Zahlen sind nicht öffentlich.

Bild: Scarosso