Die neue Seedmatch-Geschäftsführung: Johannes Ranscht und Stefan Flinspach (von links)

Bei der Crowdinvesting-Plattform Seedmatch gibt es einen Führungswechsel. Gründer Jens-Uwe Sauer hört als Geschäftsführer auf, der ehemalige Dealflow-Manager Johannes Ranscht, der das operative Geschäft des Unternehmens bereits seit Jahresbeginn leitete, folgt ihm nach. Sauer bleibt allerdings Gesellschafter der Unternehmensgruppe. Ranscht und der zweite Seedmatch-Geschäftsführer Stefan Flinspach sprachen mit Gründerszene exklusiv über die Gründe für den Wechsel und deuteten eine Neuausrichtung an – ohne jedoch allzu konkret zu werden.

Stefan, Johannes, was sind die Gründe für den Wechsel an der Spitze von Seedmatch?

Stefan Flinspach: Jens-Uwe Sauer brannte als Gründer, Gesellschafter und Geschäftsführer für die erfolgreiche Umsetzung seiner Vision. In dieser Personalunion hast du kaum Feierabend und vereinst eine Vielzahl von Aufgaben auf dich. Für unsere strategische Neuausrichtung war eine Trennung der Verantwortlichkeiten notwendig und gesund. Diese wird sowohl durch die aktuellen Marktveränderungen als auch durch künftige Entwicklungen, wie wir sie prognostizieren, unumgänglich.

Sind Änderungen am Finanzierungsmodell geplant?

Johannes Ranscht: Wir prüfen aktuell verschiedene Modelle, dabei steht die Rechtssicherheit für die Investoren und Unternehmen an oberster Stelle. Echtes Equity, Special-Purpose-Vehicle-Strategien – also Zweckgesellschaften für Investments – und Pooling, die Bündelung von Investitionen, bergen unserer Einschätzung nach allerdings ein nicht kalkulierbares Risiko für beide Seiten. Aktuell gibt es in Deutschland keine optimalen Rahmenbedingungen für eine Alternative zu unserem Finanzierungsmodell.

Soll sich die Ausrichtung auch anderweitig ändern? Gerade Crowdinvesting im Immobilien-Bereich ist zum Beispiel momentan erfolgreich.

Ranscht: Sicherlich haben wir im letzten Jahr nicht an allen Entwicklungen im Crowdinvesting optimal teilgenommen. Immobilien sind ein großer Wachstumstreiber des Marktes. Umso mehr geht es jetzt darum, das Portfolio weiter auszubauen und unseren Investoren neue Produkte anzubieten. Ob dies unter einer neuen Plattform geschehen wird oder die Produkteinführungen bestehende Plattformen ergänzen werden, kann ich leider noch nicht verraten.

Wie bewertet Ihr die Performance von Seedmatch in den vergangenen Monaten?

Ranscht: Wir haben allein in den vergangenen Monaten für vier erfolgreiche Projekte ein Volumen von über 2,3 Millionen Euro vermittelt. Wir sind mit der Performance zufrieden, wir wollen unseren Investoren Klasse statt Masse bieten.

Welche Auswirkungen haben große Pleiten wie die von Protonet, das Geld über Seedmatch einsammelte, für die Branche?

Ranscht: Natürlich können Pleiten durch das damit einhergehende Presseecho unerfahrene Kleinanleger abschrecken. Es bleibt aber die Frage, was tatsächlich den größten Einfluss auf die Branche nimmt: die Medienresonanz oder die faktischen Ausfälle der Investments? Ein mündiger Kleinanleger kennt das Risiko des Totalausfalls, auch professionelle Investoren preisen es vorab ein. Damit unsere Investoren die Ausfallwahrscheinlichkeit einschätzen können, verpflichten sich die Unternehmen auf unseren Plattformen, alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen.

In der Öffentlichkeit heißt es oft, es würden vor allem Startups Crowdinvesting machen, die sonst keine Finanzierung erhalten. Wie wollt Ihr die Qualität der Investments verbessern?

Ranscht: Die öffentliche Wahrnehmung und die Realität müssen nicht immer identisch sein. Crowdinvesting ist für viele Startups eine spannende Alternative, aber das liegt nicht unbedingt daran, dass ihnen andere Finanzierungen verwehrt bleiben. Lendstar, SugarShape und E-volo sind nur einige Beispiele für Seedmatch-Unternehmen, die namhafte Investoren gewinnen konnten.

Flinspach: Wir legen sehr großen Wert auf die qualitätsorientierte Auswahl der Unternehmen. Wir haben einen mehrstufigen Auswahlprozess, in dem wir uns ein Bild der Gründer, der Geschäftsidee und der Rahmenbedingungen des Bewerbers machen. So viel Aufwand ist branchenweit nicht selbstverständlich.

Steckt Crowdinvesting in Deutschland in der Krise?

Flinspach: Keineswegs, solange Rahmenbedingung wie Niedrigzinsen, Inflation und der Trend zur selbstbestimmten Teilhabe auch im Bereich der Kapitalanlagen anhalten, kann nicht von einer Krise gesprochen werden. Als Seedmatch 2011 gegründet wurde, kannte kaum jemand Crowdfunding. Crowdinvesting war nicht existent. Mittlerweile verlässt die Branche ihr Nischendasein, sogar Banken widmen sich heute vermehrt dem Crowdinvesting. Noch vor wenigen Jahren hätte kaum jemand damit gerechnet, dass es sich Immobilien-, Wachstums- und Mittelstandsfinanzierungen zu einer relevanten Alternative entwickeln würde. Ein Markt, der eine so dynamische Entwicklung in der Anzahl der Teilnehmer und Geschäftsmodelle aufweisen kann, steckt in keiner Krise.

Danke für das Interview.

Bild: Seedmatch