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Ist das wirklich ein Backshop? So sehen die Filialen des neuen Konzepts der Backkette Kamps aus

Zwei Jugendliche haben das Prinzip verstanden. Mit ihrem Kaffee, einem belegten Brötchen und einem Schokoriegel in der Hand gehen sie am Kölner Flughafen quer durch die neue Filiale von Großbäcker Kamps zu zwei Bildschirmen und tippen einige Male auf das Display.

Dann zücken sie ihre EC-Karte, tippen die Pin-Nummer ein und ziehen schließlich vorbei an der Kassenschlange zu einem Stehtisch mit Barhockern, um ihren Mittagssnack zu genießen. Die meisten anderen Kunden müssen derweil noch auf ihre Abrechnung warten.

„Kampus“ heißt das neue Konzept mit der Überholspur für Kunden mit Eigeninitiative. „Dort setzen wir auf Selbstbedienung in allen Bereichen“, beschreibt Kamps-Geschäftsführer Jochen Pollotzek im Gespräch mit der WELT. Das bedeutet: Die Gäste nehmen sich nicht nur Brötchen, Brezeln und Gebäck alleine aus dem Regal. Sie bedienen auch den Kaffeeautomaten selbst, und vor allem können sie alternativ zum Gang zur Kassiererin ihren Einkauf an Self-Checkout-Terminals selbstständig abrechnen.

„Das Bedürfnis nach Convenience und To-go-Artikeln wird in unserer zunehmend mobilen Gesellschaft immer größer“, sagt Pollotzek. „Diesem Trend tragen wir Rechnung.“

Saftpresse und Rasierschaum

Der am Köln-Bonner Flughafen praktizierte Ansatz ist die Weiterentwicklung der klassischen SB-Bäckerei à la Back-Factory oder Backwerk – weil jetzt auch noch auf einen Kassierer verzichtet werden soll. Die komplett mannlose Bäckerei allerdings kann es nicht geben. Zum einen muss Ware neu zubereitet und eingefüllt werden, zum anderen muss es auch Diebstahlschutz gebe.

Zwölf Monate wird Kamps seine Vorstellungen von der Bäckerei der Zukunft testen. Zum einen rund um die Uhr im Ankunftsbereich von Terminal 2 des Flughafens Köln-Bonn, zum anderen an zwei weiteren stark frequentierten Standorten, also beispielsweise einem Bahnhof oder der Vorkassenzone eines Supermarkts.

„Wir sind derzeit noch in Gesprächen mit potenziellen Vermietern“, sagt Pollotzek, demzufolge Pendler, Reisende und Berufstätige zwischen 25 und 45 Jahren die Hauptzielgruppe von Kampus sind.

Das Angebot in den neuen Läden beschränkt sich längst nicht nur auf Bäckereiwaren. Das zeigt das Pilotprojekt in Köln. Dort hat Kamps auch einen Kühlschrank mit kalten Getränken und Joghurts aufgestellt, dazu eine Saftpresse, ein Süßigkeitenregal und eine Eistruhe.

Zudem werden Notfallsortimente verkauft mit Rasierschaum und Handcreme, Tampons und Deo oder Duschgel und Zahnpasta. Kamps konkurriert damit auch mit dem kleinen Supermarkt im Terminal.

Karte statt Klimpergeld

In Köln können die Kunden noch zwischen Self-Checkout und dem klassischen Kassensystem wählen. „Inwieweit auch an den anderen Standorten die Barzahlung als zusätzliche Option installiert wird, muss noch entschieden werden“, sagt Pollotzek. Denn Ziel von Kampus sei es, die Kartenzahlung auch bei Kleinstbeträgen zu forcieren. „Andere Länder sind da schon viel weiter.“

Das zeigt auch der Besuch im jüngst eröffneten Testladen. Dort hat die Kassiererin, die bei der konservativen Klientel noch klassisch abkassiert, sie also nicht sich selbst überlässt, noch etliche andere Aufgaben: Sie füllt zum Beispiel Becher und Papiertüten nach, putzt die Frontscheiben der Auslage, fegt den Boden oder beantwortet Fragen von Kunden. Trotzdem warten die meisten Einkäufer geduldig mit Klimpergeld in der Hand, statt einige Meter weiter selbst zum Scanner zu greifen.

Aber das wird kommen, ist Kamps-Chef Pollotzek überzeugt. Und tatsächlich belegen Untersuchungen unter anderem der Handelsforscher des EHI-Instituts eine steigende Akzeptanz für Selbstbedienerkassen in Deutschland.

Der wichtigste Grund für die Nutzung ist dabei laut Verbraucherbefragungen die Zeitersparnis. Ein Großteil spricht aber auch davon, gerne etwas Neues ausprobieren und mit der Technisierung Schritt halten zu wollen oder schlicht Spaß beim Abrechnen der eigenen Einkäufe zu haben.

Das EHI hat deswegen auch die sogenannte Self-Scanning-Initiative gegründet. Und diese Händlervereinigung hat noch reichlich Arbeit vor sich. Denn der Marktanteil von SB-Kassen liegt hierzulande bei aktuell gerade rund einem Prozent, wenn auch mit hohen Steigerungsraten.

Milliardenschwerer Außer-Haus-Markt

Dass sich nun Kamps an entsprechenden Konzepten versucht, kommt nicht von ungefähr. Zum einen gewinnt das Thema To-go-Verzehr zunehmend an Bedeutung im milliardenschweren Außer-Haus-Markt. Und Bäckereien sind dabei eine der ersten Anlaufstellen für die snackenden Verbraucher.

Klassische Versorgungskäufe von Brot und Brötchen jedenfalls sind nach Angaben von Branchenexperten allenfalls noch ein Randgeschäft für die Handwerksbetriebe, Pollotzek spricht von einem Umsatzanteil von gerade noch 30 Prozent. Mit dem Konzept Kampus kann Kamps nun im Wettbewerb auffallen, gerade bei jüngeren Zielgruppen.

Zum anderen hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren einen umfassenden Restrukturierungsprozess durchgemacht, unter anderem mit einem Eigentümerwechsel und der Schließung von Produktionsstätten sowie Hunderten Filialen. Nun aber herrscht wieder Aufbruchstimmung bei Kamps.

Wachsen in Großstädten

Pollotzek jedenfalls plant nach der harten Bereinigung neues Wachstum. Rund 20 Filialen sollen jedes Jahr zu den aktuell 460 Standorten hinzukommen. „Dabei geht es im Wesentlichen um Ballungsgebiete“, beschreibt der Manager, in dessen Büro Bilder von Brot und Mehlsäcken an den Wänden hängen. Allenfalls in NRW seien auch Filialen in ländlichen Lagen denkbar.

Außerhalb des Heimatmarkts dagegen geht es allein um exponierte Lagen in Metropolen, bei Kampus sogar nur um besonders hoch frequentierte Lagen wie Bahnhöfe, Flughäfen oder Einkaufszentren. „Dort haben wir mit unserer Markenbekanntheit einen Vorteil“, sagt Pollotzek mit Verweis auf Studien, wonach No-Name-Bäcker in diesen Lagen nur halb so viele Gäste anlocken wie bekannte Ketten.

Geografische Schwerpunkte sieht der Geschäftsführer für die Zukunft in Großstädten wie Berlin, Hamburg und München, aber auch in den Regionen Stuttgart, Leipzig und Rhein-Main. Am Stammsitz Nordrhein-Westfalen wiederum ist Kamps ohnehin schon stark vertreten: Mehr als 80 Prozent der Filialen befinden sich derzeit an Rhein und Ruhr.

Rezepturen aus dem Computer

Die Ware kommt für alle Himmelsrichtungen aus Schwalmtal am Niederrhein. 190 Bäcker produzieren dort in zwei Schichten zum einen Tiefkühlteiglinge für die Öfen in den Backstuben und zum anderen Brote und Brötchen sowie Kuchen und Feingebäck zum Sofortverzehr. In den NRW-Filialen wird rund die Hälfte vor Ort gebacken und die andere Hälfte zugeliefert, in allen anderen Bundesländern gibt es ausschließlich die Zubereitung vor Ort, erklärt Produktionsleiter Michael Knospe.

Rund 40.000 Brote verlassen täglich sein sicher 40 Grad heißes Werk, dazu 200.000 klassische Schnittbrötchen, weitere 250.000 andere Brötchensorten und noch einmal 70.000 Kuchen und Gebäckstücke. Die Rezepturen sind im Computer hinterlegt und werden den Bäckern an den riesigen Knetmaschinen angezeigt.

Hauptzutaten wie Mehl und Wasser kommen jeweils per Rohrleitung dort an, andere müssen per Hand verwogen und in die Kessel gegeben werden. „Wir arbeiten nicht anders als die kleinen Handwerksbäcker, nur in einem anderen Maßstab“, versichert Knospe, den die Sprüche vom bösen Industriebäcker merklich nerven.

Deutsche Backwaren für Saudi-Arabien

Der 57-Jährige arbeitet seit 1998 bei Kamps. Aktuell steht er nicht nur in der Backstube, sondern plant auch den Umzug der Produktion ins knapp 20 Kilometer entfernte Erkelenz. Einen hohen zweistelligen Millionenbetrag investiert Kamps in den Neubaustandort, der zugleich Produktionsstätte und Firmensitz sein wird.

„Wir erweitern damit die Kapazität“, sagt Geschäftsführer Pollotzek. Zudem gebe es für die Zukunft zusätzliche Erweiterungsmöglichkeiten. Auch das zeige die Ambitionen bei der Expansion, die nicht nur im Inland erfolgen soll. Als „The German Bäckerei“ plant Kamps auch Standorte im Ausland, vor allem in Saudi-Arabien und den Niederlanden. Anfragen gebe es zudem aus Österreich, den USA und anderen Ländern im Mittleren Osten, sagt Pollotzek.

Unterstützung bekommt der 230-Millionen-Euro-Mittelständler dabei vom französischen Milliardenkonzern Groupe Le Duff, der seit 2015 Mehrheitseigentümer von Kamps ist. „Es gibt im Ausland großen Bedarf für deutsche Backwaren.“

Im Inland dagegen rückt das Brot in den Hintergrund. Daher überarbeitet Kamps nicht nur die Filialstruktur, sondern auch das Sortiment. „Wir wollen als Snackanbieter wahrgenommen werden“, sagt Pollotzek, auch um eine deutlich breitere Kundenschicht zu erreichen.

Üblicherweise sind Bäckereien bis ungefähr 13 Uhr eine wichtige Anlaufstelle für hungrige Verbraucher, heißt es beim Gaststättenverband Dehoga. Kamps rechnet sich aber auch Chancen für die Abendgastronomie aus. „Da sind wir bislang noch vergleichsweise schwach aufgestellt“, gibt Pollotzek zu. Suppen, Pizza, Wraps mit Grillgemüse, aber auch klassische Butterbrote sollen das in Zukunft ändern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Bild: Kamps