Ross Ulbricht
Ross Ulbricht soll hinter der berüchtigten Darknet-Ikone Dread Pirate Roberts stecken

Der Zugriff erfolgte an einem sonnigen Nachmittag 2013 in Glen Park, San Francisco. Die Beamten des FBI betraten die Bibliothek in Zivilkleidung und fanden ihre Zielperson zwischen Bücherregalen in der Abteilung für Science-Fiction-Literatur. Ein mild dreinblickender junger Mann, mittellanges Haar, sportliche Statur. Sein Name: Ross Ulbricht, Physik- und Ingenieurswissenschaftler aus Texas, der sich 2010 als Unternehmer versuchte und Good Wagon Books gründete, eine Online-Plattform für gebrauchte Bücher, die Teile des Gewinns sozialen Einrichtungen spendete. Er scheitere schon ein Jahr nach der Gründung.

Doch dies sollte nicht Ulbrichts letztes Unternehmen gewesen sein. Der damals 25-Jährige folgte dem Unternehmergeist vieler anderer Tech-Pioniere und zog zu einem Freund ins Valley. Als mutmaßlicher Mitgründer der Diskussions- und Handelsplattform Silk Road brachte er es dort zum erfolgreichsten Darknet-Unternehmer und Millionär.

Das Darknet ist Teil des Deep Web. Seiten dieses Internets werden nicht durch die Indexierung von Google erfasst und sind damit auch nicht über die Suchmaschine zu finden. Das Darknet wird über anonymisierte Peer-to-Peer-Netzwerke wie Tor betreten. Von welchem Server sich der Nutzer in das Netzwerk einklinkt, ist für Außenstehende nur schwerlich nachzuvollziehen. Bezahlt wird dort mit der Online-Währung Bitcoin, da sich Transaktionen ebenfalls kaum rekonstruieren lassen, anders als bei gewöhnlichen Geldüberweisungen.

Dem FBI zufolge hätten über eine Millionen Menschen weltweit die Handelsplattform Silk Road genutzt, bis die Plattform mit der Festnahme von Ross Ulbricht vom Netz genommen wurde. 1,2 Milliarden Dollar sollen insgesamt während des zweijährigen Bestehens umgesetzt worden sein – überwiegend mit dem Verkauf von Rauschmitteln.

Wie konnte aus einem Naturwissenschaftler und Buchhändler, der nie wegen irgendwelcher Delikte bei der Polizei auffällig wurde, der vermeintlich größte Drogenbaron des Darknets werden? Auf LinkedIn schrieb Ulbricht 2011 anlässlich der Firmenaufgabe von Good Wagon Books, dass er mit seinem neuen Projekt eine Wirtschaftsimulation schaffen wolle, die dem Menschen die Möglichkeit geben soll, in einer Welt ohne die Anwendung von „systematischer Gewalt“ zu leben. Ulbricht ist ein überzeugter Neoliberaler.

Anfänglich standen Buchdiskussionen über alternative Marktmodelle und Philosophie im Mittelpunkt bei Silk Road, berichtet einer der ersten User. Es sei ein Ort unter Gleichgesinnten gewesen, der nicht unter der Kontrolle der Regierung stand. Von Beginn an habe es allerdings auch die Bestrebung gegeben, den Drogenhandel von Gewalt zu befreien, indem man einen freien Markt dafür schafft. Diese Idee brachte schließlich auch die US-Behörden auf die Fährte. Mehrere verdeckte Fahnder schleusten sich in das Netzwerk ein und beteiligten sich an dem Drogengeschäft, um die Verantwortlichen hinter den Nicknamen zu stellen.

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Die Figur Dread Pirate Roberts aus dem Film, die als Vorlage für den Silk-Road-Admin diente (Screenshot: YouTube).

Das FBI überlistete den Administrator der Silk Road

Angeführt wurde der Markt von dem Administrator Dread Pirate Roberts, benannt nach einer Figur aus einem Film, die immer wieder von einer anderen Person gespielt wird, dabei aber den gleichen Namen behält. Die Ermittlungen der Behörden waren wegen der Verschlüsselungstechnologie zunächst mühselig. Bis heute ist unklar, wie das FBI tatsächlich Zugriff auf die Silk-Road-Server bekam und einige Mitglieder enttarnen konnten.

Den Administrator überlisteten sie schließlich durch einen fingierten Auftragsmord. Nachdem ein anderes Mitglied der Silk Road von der Polizei gestellt wurde, soll der Admin Dread Pirate Roberts befürchtet haben, dass Realnamen ausplaudert werden. Daraufhin habe der Admin einen Auftragskiller bezahlt und auf das Ex-Mitglied angesetzt.

Die Behörden sollen nicht nur den Auftragskiller, sondern auch den Leichnam des mutmaßlich getöteten Mannes vorgetäuscht haben. Vier weitere Auftragsmorde werden Dread Pirate Roberts zur Last gelegt – keiner konnte bisher nachgewiesen werden. Dennoch erwirkten die Behörden zu dem damaligen Zeitpunkt einen Haftbefehl gegen den Administrator.

Durch die Zusammenarbeit mit Google kamen die Ermittler schließlich auf die Fährte von Ross Ulbricht. Denn der hatte, bevor er ins Darknet abtauchte, über mehrere Dienste des Techriesen Indizien hinterlassen, die Aufschluss über die Gründungsbestrebungen und Beteiligung an der Plattform gaben. Es folgte ein Katz-und-Maus-Spiel, das schließlich zu seiner Verhaftung in der Bibliothek führte.

Bei der Urteilsverkündung 2015 bekam Ulbricht als vermeintlicher Dread Pirate Roberts zwei Mal lebenslänglich. Die Anklagepunkte Geldwäsche, Drogenhandel und Computerhacking wurden ihm zur Last gelegt. Und hier beginnt der zweifelhafte und ungeklärte Teil der Geschichte über den berüchtigtsten Darknet-Pioniers des digitalen Zeitalters.

Kurz nach seiner Festnahme 2013 wurde Silk Road 2.0. gelauncht. Wieder leitete der Admin Dread Pirate Roberts die Plattform. Nach der wiederholten Stilllegung folgten weitere Ableger der Silk Road im Darknet. Bis heute wird vermutet, dass dem mittlerweile 31-Jährigen Ulbricht kein fairer Prozess gemacht wurde und er nicht der alleinige Gründer der Plattform ist. Seine Eltern und Freunde kämpfen nachwievor dafür, dass der Prozess neu aufgerollt wird und Beweise für eine Schuldminderung zugelassen werden.

Bild: Screenshot / YouTube