Sixtyone-Minutes-Gründer Michael Gnamm und Monique Hoell im Gespräch mit Gründerszene-Chefredakteur Frank Schmiechen (von links)

Ist es eigentlich für ein Startup ratsam, sich vor die Kameras einer TV-Show zu stellen? Vor ein Millionenpublikum, dass sich in erster Linie unterhalten lassen will? Die Macher des digitalen Concierge-Dienstes Sixtyone Minutes sehen das ganz gelassen. Sie hatten sich nicht bei „Die Höhle der Löwen“ beworben, weil sie unbedingt das Geld brauchen. Derzeit haben sie noch keine großen VCs an Bord. Im Gegenteil: Die Gründer Monique Hoell und Michael Gnamm haben sehr bewusst kalkuliert, dass es wahrscheinlich kein Investment geben würde, aber alleine der Auftritt für große Aufmerksamkeit sorgen wird.

Dann wurde es allerdings doch etwas härter, als es sich Sixtyone Minutes vorgestellt hatte. Die präsentierte Idee eines persönlichen Assistenten per App sei „Blödsinn“, sagte Investor Frank Thelen knapp. Auch Jochen Schweizer war nicht gerade begeistert und fragte die Gründer: „Seht ihr das Feuer? Ob ich das Geld in dieses Feuer gebe oder Ihnen, es wird das gleiche passieren: Es wird verbrennen“. Vielleicht lag das einfach am Zeitpunkt der Aufzeichnung. Der Hype um die Concierge-Dienste hatte noch nicht begonnen. Und so fehlte offenbar jedes Verständnis für dieses Geschäftsmodell.

Für den Tag der Ausstrahlung am Dienstag hatte Sixtyone Minutes jedenfalls mit einer ganzen Schar von freien Mitarbeitern vorgesorgt, um dem erwarteten Ansturm von Anfragen Herr zu werden. Nichts wäre für das junge Unternehmen schlimmer, als enttäuschte Kunden, die durch die TV-Show zum ersten Mal auf den Concierge-Dienst aufmerksam geworden sind und im ersten Versuch enttäuscht werden, weil sie mit ihrer Anfrage nicht durchkommen oder ihre Aufgabe nicht zufriedenstellend gelöst wird.

Schon vor der Ausstrahlung trafen wir Michael Gnamm und Monique Hoell zum Interview in Berlin.

Wie seid Ihr überhaupt in die Höhle der Löwen gekommen?

Monique Hoell: Wir haben uns gar nicht selber beworben. Die haben im Januar bei uns angerufen und uns erzählt, dass sie uns bei ihren Recherchen gefunden haben. Und dann haben sie uns gefragt, ob wir nicht Lust hätten, uns zu bewerben. Das haben wir gemacht. Ein paar Tage später hat ein Redakteur der Produktionsfirma hier in Berlin ein Bewerbungsvideo aufgenommen und drei Wochen später war dann auch schon der Aufzeichnungstermin in Köln. Das kam quasi von heute auf morgen.

Habt Ihr überlegt, ob Ihr absagt oder war sofort klar, dass Ihr dabei sein wollt?

Michael Gnamm: Na, wir haben uns das schon überlegt. Wir hatten letztes Jahr die erste Staffel gesehen und haben uns gedacht, dass das eigentlich ganz interessant ist. Es gibt ordentlich Reichweite und es gab auch einige befreundete Startups, die letztes Mal mit dabei waren. Aber wir haben natürlich auch darüber nachgedacht, was wir machen, wenn wir keinen Deal bekommen. Oder wenn das nicht optimal läuft.

Hoell: Ich hatte Bedenken. Was machst du, wenn das schief läuft? Ich habe mich persönlich irgendwie so gefühlt, als würde ich meine eigene Beerdigung vorbereiten. Letzten Endes haben wir gesagt: ,Es ist gute Werbung, wir haben neue Besucher auf unserer Seite. Ganz egal, wie das läuft‘. Und so sehe ich das heute noch.

Wird man eigentlich auf den Auftritt vorbereitet?

Gnamm: Wir kamen da an, hatten ein Vorgespräch. Dann sind wir einmal den Ablauf durchgegangen. Ohne die Löwen. Im Moderationsraum.

Hoell: Wir sind unseren Pitch durchgegangen und haben abgesprochen, was wir an Geld haben wollen und was wir bereit sind, dafür abzugeben. Die Redakteure fanden das gut und haben uns gesagt, auf welche Punkte die Löwen wohl eingehen werden. Bei uns war klar, dass sich die Jury nach Frank Thelen richten wird, weil die anderen nicht aus dem Metier kommen.

Gnamm: Es wurde streng darauf geachtet, dass wir vor der Aufzeichnung keinen Löwen treffen, damit man sich nicht absprechen kann.

Wie lief dann die Aufzeichnung?

Hoell: Wir haben zu zweit präsentiert. Man steht nicht jeden Tag vor der Kamera und in so einem Studio. Das sind als Gründer Erfahrungen, die man mitnimmt. Egal, ob das jetzt positiv oder negativ gelaufen ist. Ich war weniger aufgeregt, als ich gedacht hatte.

Gnamm: Es geht dann alles so schnell. Du wirst reingeschoben und dann hast du zwei Minuten Zeit. Die Präsentation lief auch ganz gut. Dachte ich eigentlich bis dahin noch.

Und dann kamen die Nachfragen…

Gnamm: Frank Thelen war relativ schnell raus. Die beiden Frauen (Lencke Steiner und Judith Williams) haben nichts mit online zu tun. Vural Öger ja auch nicht.

Hoell: Der Aufzeichnungstermin fand eine Woche vor dem Hype um die Concierge-Dienste statt. Magic war in den USA schon raus. James, bitte und GoButler gab es noch nicht. Erst ein paar Tage später kam dann der Hype. Der Pitch war um eine Reise aufgebaut. Das war dann der Aufhänger für Öger, der uns fragte, ob wir ein zweites Expedia bauen wollen. Wir sind ein bisschen in die Reiseschiene gedrückt worden. Wir haben dann gesagt, so ist das nicht. Ich bin dann auch darauf eingegangen, dass wir die Bearbeitung von Anfragen aggregieren wollen. Dass wir seit einem halben Jahr an einer eigenen Software arbeiten. An einem eigenen Back-End.

Die haben also nicht so richtig verstanden, dass Ihr einen 360-Grad-Service machen wollt?

Gnamm: 360 Grad ist dann ja auch immer zu viel. Nicht nischig genug. Wenn man sich die Aufgaben anschaut, die wir bekommen, dann sind es 40 Prozent, die sich um Reisen drehen. Dazu Mietautos und Tischreservierungen. 80 Prozent der Anfragen sind ähnlich. Deshalb kann man das relativ gut automatisieren.

Die verrückten Sachen machen also nur 10 Prozent aus?

Gnamm: Genau. Wir hatten auch schon einen Hochzeitsantrag mit einem Flashmob letztes Jahr. Das ist schön. Das lesen die Leute. Aber das ist die Ausnahme.

Hoell: Den Löwen fehlte das Bewusstsein für Personal-Assistent-Services. Weil es die noch nicht gab. Wenn die Aufzeichnung etwas später gewesen wäre, dann wären andere Fragen gekommen.

Also gab es kein Investment bei Höhle der Löwen. Was war der Knackpunkt?

Hoell: Die anderen Vier haben sich nach Frank Thelen gerichtet. Weil er aus dem Tech-Business kommt. Und er ist dann als erster raus. Und dann war mir schon klar: ,Jetzt ist das Kind im Brunnen‘.
Gnamm: Und dann war vielleicht unser Fehler, dass wir nicht von Anfang an gesagt haben, dass wir ein Team mit 13 Leuten haben, mit Entwicklern, die schon an den Schnittstellen arbeiten. An den Automatisierungen. Das kam einfach zu spät.

G Tipp – Lesenswert bei Gründerszene TV-Kritik zur ersten Folge der zweiten DHDL-Staffel: „Das ist eine verrückte und dumme Idee.“

War Euch ein Investment wichtig?

Gnamm: Das Investment ist ja nur die Grundlage, auf der du nachher die Verhandlungen führst. Uns war klar, es ist schön, wenn sich die Möglichkeit anbietet. Aber wir brauchten jetzt nicht unbedingt Geld. Wir sind eigenfinanziert. Wir haben zwar einen Business Angel an Bord, aber keinen großen Investor. Und wollen erstmal das Produkt fertig bauen. Wir bekommen jetzt viele Anfragen von Unternehmen, die uns fragen, ob wir die Lösung für deren Kunden oder Mitarbeiter betreiben können. Dafür haben wir eine White-Label-App, die dann in den Unternehmensfarben zur Verfügung steht. Mit der offenen API-Schnittstelle können wir auch in jedes Auto oder in jeden Kühlschrank als Assistent integriert werden.

Und das ist eure Perspektive?

Hoell: Richtig. Eigentlich war von vornherein das Ziel, in Richtung Business zu gehen. Sind aber erstmal in den B2C-Markt, um Prozesse aufzusetzen. Es gab ja kein Vorbild. Die Prozesse stehen jetzt.

Was könnt Ihr denn sonst noch besser als die Konkurrenz von GoButler?

Hoell: Service. Wir haben begeisterte Rückmeldungen, dass unsere Mitarbeiter sehr schnell und freundlich antworten. Sehr gründlich. Alle Kunden, die von der freien Seite in das Abonnement gegangen sind, sind noch da. Das ist ein gutes Zeichen. Über die App kann man Kunden auch leichter reaktivieren als über eine SMS.

Gnamm: Bei uns kannst du für jede Aufgabe ein neues Ticket anlegen. Und dann hast du nicht vier Sachen innerhalb des Themas, sondern hast eins für Flüge, eins für Mietwagen und so weiter.

Hoell: Der Verlauf ist einfach viel schöner und übersichtlicher sortiert und aufbereitet. Du musst nicht so viel scrollen.

Gnamm: Und wir fragen nach Feedback. Wie war dein Flug? Sonst sind wir sehr zurückhaltend mit der Kundenansprache. Nicht jeder will jeden Tag gefragt werden: „Ey, hast du Hunger oder Bock auf Pizza?“

Sucht Ihr weiter nach Investoren?

Hoell: Seit Mai haben wir unsere Business-Seite online. Wenn wir Sales betreiben, tragen wir uns selber und brauchen keinen großen VC.

Gnamm: Wir wollen nicht gleich in der ersten Runde viel abgeben. Klar haben wir Anfragen von Investoren. Wir verhandeln auch, aber sind eher interessiert an strategischen Partnern.

Vielen Dank für das Gespräch.

Bild: Michael Berger für Gründerszene