Alle Jahre wieder gibt es in der Weihnachtssaison ein Spielzeug, das einfach unter dem Tannenbaum liegen muss. In diesem Jahr hat sich Gravitrax als Verkaufsrenner herauskristallisiert, eine moderne Kunststoffversion der Murmelbahn, aufgepeppt mit Loopings, Weichen und Gauß-Kanone. Doch zahllose Eltern, Opas und Onkel gehen kurz vor dem Fest leer aus bei der Geschenkejagd. „Ausverkauft“, heißt es in diesen Tagen in vielen Spielwarengeschäften und Warenhäusern.

Auch online ist das Starterset zum empfohlenen Preis von 49,99 Euro kaum zu bekommen. Dafür aber problemlos für 109 Euro oder mehr. Auf Amazon, Ebay oder über andere Marktplätze lassen sich die Bahnen jederzeit zum Doppelten oder Dreifachen des regulären Preises erstehen. Anfang Dezember gingen Exemplare für satte 219 Euro auf den Weg zum Kunden – der Schwarzmarkt lässt grüßen.

Ein ähnliches Phänomen konnte man vorher schon im Handel mit den sogenannten „Fingerlings“ beobachten. Die kleinen Äffchen, Faultiere und Einhörner, die sich um den Finger wickeln, zählten zu den “must-haves“ in der geschenketrächtigen Vorweihnachtszeit. Doch ob bei Toys “R“ us, Walmart oder Target: Überall waren die kleinen 15-Dollar-Kunststofftierchen ausverkauft. Auf Ebay oder Amazon aber waren sie verfügbar, für das Doppelte, Drei- oder gar Vierfache des Originalpreises.

Wie kann es sein, dass es immer andere sind, die die begehrte Ware mit offenbar fetten Gewinnspannen weiterverkaufen? Ganz einfach: Computerprogramme schnappen die begehrte Ware den Normalkäufern vor der Nase weg. Der E-Commerce-Experte Mark Steier spricht von Arbitrage-Programmen. Konkret durchforstet dabei Software mit Namen wie „DS Domination“ oder „Profit Spy“ ständig Angebote auf digitalen Marktplätzen nach Produkten, die gerade besonders gefragt sind. In der Vorweihnachtszeit entdecken diese Bots naturgemäß öfter mal Spielzeuge, die zu Mangelware geworden sind. „Wir kommen mit der Produktion derzeit gar nicht so schnell hinterher, wie Gravitrax verkauft wird“, bestätigt ein Sprecher des Herstellers Ravensburger.

Der Trick der Zweithändler ist im Prinzip simpel. Die Ware wird auf einer Plattform gekauft und zeitgleich auf einer anderen für mehr Geld wieder verkauft. Weder der ursprüngliche Händler noch die Käufer kriegen in der Regel viel von der Existenz des Mittelmanns mit. Dessen Software sorgt dafür, dass die Ware vollautomatisch zum niedrigen Preis im Warenkorb des Mittelmanns landet, aber versehen mit der Lieferadresse des Endkunden, der wiederum den höheren Betrag an den Zwischenhändler zahlt. Auf diese Weise erledigt der ursprüngliche Anbieter die logistische Abwicklung, während der Reibach beim Zwischenhändler landet, der weder eigenes Kapital einsetzt noch Produktrisiken trägt.

Überschaubare Beträge, die sich läppern

Probleme kann es bei Rücksendungen geben, aber auch dafür bieten schlaue Programme Lösungen, die dem Zwischenhändler im Zweifel sogar Gewinn bescheren. „Revolutionäre webbasierte Software entdeckt unverzüglich begehrte Produkte auf Amazon zum Weiterverkauf mit verrückten Gewinnspannen“, verspricht Profit Spy denn auch auf seiner Website und vergisst nicht, hinzuzufügen, dass man sich weder um Traffic noch um eigene Vorräte sorgen müsse. Und eigenes Geld brauche man ebenfalls nicht einzusetzen – außer den Gebühren für die Nutzung des Programms natürlich.

„Das Geschäft funktioniert in der Regel reibungslos“, so Steier. Er macht anhand eines konkreten, alltägliches Beispiels vom Ende vergangener Woche folgende Detailrechnung auf: Ein Toilettenpapierhalter aus Edelstahl wird bei Amazon für 19,90 Euro angeboten. Das identische Produkt gibt es bei Ebay für 28,53 Euro. Vom Brutto-Ertrag des Arbitrage-Händlers von 8,63 Euro gehen geschätzte 3,70 Euro an Gebühren ab. Bleibt ein Netto-Ertrag von 4,93 Euro – klingt überschaubar im Einzelfall, läppert sich aber mit dem Multiplikator der verkauften Ware.

Die professionellen Schnäppchensuchmaschinen sind fast immer schneller als Papa, Mama oder Verwandte, die den Spielzeugmarkt vor dem Fest per Laptop durchforsten. Spielzeug kann immerhin nachproduziert werden, wenn die Nachfrage hoch genug ist. Genau das plant Ravensburger derzeit. „Weil wir in unseren eigenen europäischen Werken produzieren, sind wir in der Lage, die Erzeugung vergleichsweise schnell auszuweiten“, verspricht der Firmensprecher frustrierten Möchtegernbesitzern der Kugelbahn.

Konzertmarkt ist ein besonders lukratives Segment

Manche Produkte aber halten die Hersteller bewusst knapp, weil Knappheit sie in den Augen der Konsumenten begehrenswerter – und damit teurer – macht. Dazu zählen klassischerweise bestimmte Sportschuhmodelle von Adidas oder Nike. Zweithändler, die ihre Bots darauf ansetzen, haben gelegentlich Chancen, Sneaker für einige Hundert Euro zu erstehen und sie zeitgleich für vierstellige Summen weiterzureichen, wie Marktkenner berichten.

Ideal aus Sicht der Weitervermarkter sind Konzerte, Sportveranstaltungen und andere populäre Events, denn dabei ist die Anzahl der Plätze quasi von Natur aus limitiert. Ticketschwarzmärkte gab es daher schon immer, doch nun lassen sie sich automatisieren. Arbitrage-Bots greifen dann begehrte Eintrittskarten innerhalb von Sekunden ab. Kurze Zeit später sind sie auf dem Zweitmarkt zu haben, selbstverständlich mit Aufschlag. Das Phänomen hat Großanbieter wie CTS Eventim in die Kritik gebracht. Die Firma ihrerseits versicherte, alle möglichen Maßnahmen zur Abwehr von Bots zu ergreifen. Am Ende helfe nur, nicht auf dem Zweitmarkt zu kaufen, erklärte die Veranstaltungswirtschaft.

Nur so werde dem Arbitragehandel das Wasser abgegraben. Illegal ist dieser graue Markt jedenfalls nicht – schließlich bestimmt jeder Händler souverän über seine Preise. Manche sehen darin auch nur ein gewieftes Geschäftsmodell. Am Ende ist es ein grauer Markt mit einseitigen Profiten.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.

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