Merkel
Deine Daten, Baby! Merkel vermeidet digitale Buzzword im „Regierungsprogramm“ 2017.

Als letzte Partei hat nun endlich die CDU ihr Wahlprogramm veröffentlicht – und nennt es gleich mal „Regierungsprogramm“. Der späte Zeitpunkt hat nichts mit dem Umfang des Werkes zu tun. Es sind nur 75 Seiten geworden. Auch programmatisch gibt es nicht viel Neues. Man bestätigt in erster Linie die eigene Politik als Regierungspartei, sieht sich als Erfolgsmodell und freut sich darüber, dass es in Deutschland gut läuft: „Heute leben wir im schönsten und besten Deutschland, das wir je hatten.“ 

Aber Kanzlerin Angela Merkel ist ja auch eher dafür bekannt, dass sie lieber „auf Sicht“ und unideologisch regiert, statt eine starre Programmatik abzuarbeiten. Das heißt auch, dass sie Probleme gerne erst dann angeht, wenn es gar nicht mehr anders geht. In diesen Momenten ist sie allerdings bereit, tiefe Einschnitte vorzunehmen. So war das beim Atomaussteig, dem Abschied von der Wehrpflicht, der Grenzöffnung für Flüchtlinge und zuletzt bei der Ehe für alle. 

Das Thema Digitalisierung und Gründer wird in der einleitenden Zusammenfassung des Wahlprogramms außen vor gelassen. Es scheint so, als ob die Union diesen Themen zwar intern einiges an Gewicht zugesteht, aber nach außen eher vorsichtig mit ihnen umgeht. Das macht man so mit Themen, von denen man meint, dass man damit keine Wahlen gewinnen kann, und die Stammwähler eher abschrecken könnten.

Dem Thema Digitalisierung wird dann später ein ganzes Kapitel gewidmet. Vorher geht es um Klassiker wie Vollbeschäftigung, Familie und Kinder sowie Wohlstand.

Die wichtigsten Digitalisierungs-Pläne der CDU:

„CDU und CSU wollen, dass digitaler Fortschritt und Innovation im Dienste der Menschen stehen: Dass sie die Arbeitswelt humaner machen, die Umwelt schützen, die Gesundheitsversorgung verbessern und die Lebensqualität erhöhen. … Damit wir vorhandene Arbeitsplätze sichern und neue schaffen, muss Deutschland auch hier Weltspitze sein.“

Man spürt die Angst der CDU, die Digitalisierung könnte als kalt, technokratisch und aggressiv empfunden werden. Deshalb soll es um die „Menschen“ gehen. Das Leben soll besser werden, nicht die Business-Modelle. Mit digitalen Buzzwords geht man sparsam um. Bloß keinen Wähler verschrecken, sondern die Menschen „mitnehmen“. Niemand verliere durch Digitalisierung seinen Job, verspricht die CDU.

„Digitalisierung ist Chefsache. Deshalb wird im Bundeskanzleramt die Position eines ,Staatsministers für Digitalpolitik‘ neu geschaffen.“

Das könnte der kommende Job des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber sein. Der hatte sich zuletzt durch ungeschickte Tweets immer wieder in die Schusslinie begeben. Der „inhaltliche Wahlkampf“ und die Erstellung des Wahlprogramms liegt sowieso schon federführend bei Kanzleramtschef Peter Altmaier.

„Die Bundeskanzlerin wird einen ,Nationalen Digitalrat‘ berufen, der einen engen Austausch zwischen Politik und nationalen sowie internationalen Experten ermöglicht.“

Ja, die Politik ist auf guten Rat angewiesen. In den eigenen Reihen gibt es einfach zu wenig Leute, die sich mit digitalen Themen gut auskennen.

„Wir schaffen die ,Gigabit-Gesellschaft‘. Deutschland soll das Land sein, in dem Daten in Echtzeit überall und für alle verfügbar sind. In Stadt und Land, in Ost und West.“

Ausbau der Glasfasernetze bis 2025. Das steht so ähnlich in allen Wahlprogrammen der anderen Parteien. Es wird langsam Zeit, dass es voran geht.

„Wir werden ein elektronisches Bürgerportal und ein elektronisches Bürgerkonto einrichten. Dadurch sollen praktisch alle Verwaltungsdienstleistungen deutschlandweit elektronisch verfügbar sein.“

Wir warten gespannt. In Berlin sieht die Realität derzeit niederschmetternd aus. Hier gibt es an vielen Stellen noch nicht einmal die Möglichkeit, Termine im Bürgeramt online zu reservieren. Man wartet früh am Morgen in langen Schlangen wie in den 70er Jahren. 

„In dem durch die Datenschutzgrundverordnung eröffneten Rahmen werden wir ein Datengesetz erarbeiten. Dieses soll den generellen Zugang zu Daten für wirtschaftliche Zwecke ebenso regeln wie Befugnisse der Sicherheitsbehörden und berechtigte Datenschutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger.“

Dieses Datengesetz wird zu Beruhigung in den hinteren Absätzen versteckt. Ohne eine gemeinsame europäische Datenrichtlinie wird es allerdings schwierig, mit den USA in Sachen Geschäft mit Big Data Schritt zu halten. 

„Viele Ideen, die im Bereich der Globalisierung die Welt verändert haben, sind in jungen Unternehmen, den sogenannten Startups, entstanden. Deutschland hat in diesem Bereich Boden gut gemacht. Aus der ganzen Welt kommen Menschen mit Ideen nach Deutschland, gründen Unternehmen und schaffen Arbeitsplätze. Wir werden sie ermutigen und unterstützen. Durch die steuerliche Forschungsförderung und ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz ebenso wie durch bessere Gründungs- und Wachstumsfinanzierung sowie weniger Bürokratie. Wir werden die Einführung einer zentralen Anlaufstelle (one-stop-shop) speziell für diese Unternehmen prüfen.“

Ach ja. Startups. Man will sie. Man braucht sie. Und man will sie steuerlich unterstützen und eine Anlaufstelle prüfen. Immerhin. Auf diesem Gebiet wird die CDU von der FDP programmatisch meilenweit abgehängt. Aber bei der CDU handelt es sich um eine Volkspartei. Da sind Startups immer noch nur ein kleiner, exotischer Ausnahmefall. Man spürt die Handschrift von Peter Altmaier, der das Thema klein hält. 

Auch in den anderen Bereichen des Lebens spielt Digitalisierung eine Rolle. In der Bildung, Landwirtschaft, Umwelttechnik und Medizin. Zum Wohl der Menschen. So schreibt es die CDU:

„Wir stellen sicher, dass bundesweit alle Schulen an das schnelle Internet angebunden sind. Das Gleiche gilt für Hochschulen.“

„In der Landwirtschaft können durch satellitengestützte ,Präzisionslandwirtschaft‘ Millionen Tonnen Düngemittel eingespart und Umweltschäden vermieden werden.“

„Drohende Umweltschäden können durch die Digitalisierung frühzeitig erkannt und verhindert werden.“

„Weltweit wird daran gearbeitet, die Digitalisierung immer besser für die Gesundheit der Menschen zu nutzen. Ziel ist es, mehr über Krankheitsursachen zu lernen und damit auch schwere Erkrankungen früher zu erkennen und besser sowie gezielter behandeln zu können.“

Niemand hat vom CDU-Programm erwartet, dass es ein innovativer Durchbruch wird. Es handelt sich um eine konservative Partei, die am liebsten auf dem bewährten Kurs bleibt. Sicherheit, Wohlstand und Familie sind Programmpunkte, die uns seit Helmut Kohl begleiten und für den Erfolg der CDU sorgen. Das ist auch in digitalen Zeiten so geblieben. Niemand soll mit zu viel Zukunft verschreckt werden. Es geht uns doch allen gut. Das ist die Botschaft. Und solange das die meisten Menschen in Deutschland auch so empfinden, wird die CDU gute Chancen haben, auch die nächste Kanzlerin zu stellen. 

Hier geht es zu bisher erschienenen Analysen der Wahlprogramme der FDP, der SPD und der AfD.

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