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soundcloud marc strigel interview Blick ins neue SoundCloud-Büro

COO Marc Strigel über die Zukunft von SoundCloud

Bei der Eröffnung des Berliner Startup-Campus Factory Mitte Juni war es die unumstrittene Hauptattraktion: das neue Büro von SoundCloud. „You Will Want To Live In SoundCloud’s Stunning Berlin Offices“, titelte Business Insider. Drei Etagen mit viel Beton, edlem Holzmobiliar, mit durchdesigntem Kaminzimmer und eigenem Aufnahmestudio für das Team. Über 200 Mitarbeiter sollen hier arbeiten, aus allen möglichen Unternehmensbereichen des 2007 von den beiden Schweden Alexander Ljung und Eric Wahlforss gegründeten Startups.

Heute, gut sechs Jahre nach dem offiziellen Start, ist SoundCloud ein globales Unternehmen mit Büros in New York und San Francisco, in London und im bulgarischen Sofia. Trotzdem ist das Hauptquartier immer in Berlin geblieben. Warum das so ist, was der Umzug in die neuen Büros bedeutet, wie es für das Unternehmen nach der 60-Millionen-Dollar-Finanzierung im Januar weitergeht und wohin SoundCloud eigentlich will, erklärte anlässlich der Eröffnung COO Marc Strigel, der Ende 2011 von PayPal zu SoundCloud kam, im Interview mit Gründerszene.

Die Bauzeit der Factory zog sich deutlich länger hin als geplant. Wie lange sitzt SoundCloud schon an der Vorbereitung und Planung des neuen Büros?

Wir waren seit den ersten Tagen bei der Factory dabei. Wir waren einer der ersten Schlüsselmieter. Also ging es eher um ein, zwei Jahre als einige Monate, in denen wir intensiv gearbeitet haben an der Frage: Warum kann das unser Zuhause sein, wie können wir unsere Kultur darin widerspiegeln?

Haben die Gründer mitgeplant?

Eric und Alex sind beide Design-Enthusiasten. Es gab also ein paar Dinge, an denen sie persönlich auch sehr interessiert waren: zum Beispiel die Tischtennisplatten. Für sie ist es nicht einfach ein Raum in Berlin, das Büro repräsentiert auch unsere globale Plattform. Die Meeting-Räume sind zum Beispiel nach Stadtteilen aus New York, San Francisco oder London benannt. Eric und Alex war es wichtig, dass es hier nicht um Berlin geht, nicht um ein Hauptquartier, sondern darum, den globalen Charakter der Firma auszudrücken.

Ist Berlin noch die richtige Stadt für ein globales Unternehmen?

Lass mich einen Schritt zurückgehen: Warum überhaupt Berlin? Für Alex und Eric ging es damals weniger um Lebenshaltungskosten oder die Präsenz anderer Startups, sondern um den Vibe. Und wie arty, punky und Tech-Elemente zusammenkamen. Es war eher eine Gefühlsentscheidung und weniger rational. Und ich glaube, das ist immer noch so. Und: Meiner Meinung nach gibt es in Deutschland keine andere Stadt, die so kosmopolitisch ist, wo du wirklich die Möglichkeit hast, Talente aus aller Welt anzuziehen.

Aber Ihr könntet in ein anderes Land gehen.

Ja, aber weißt du, was wichtiger ist? Sich zu fragen: Wo sind die Talente? Und wir merken, dass viele Fachkräfte, die wir jetzt brauchen, in den USA sind. Warum? Weil viele dort die Entwicklung, die wir in den nächsten ein, zwei Jahren durchmachen werden, schon ein oder zwei Mal erlebt haben. Genau diesen Talenten können wir eine internationale Perspektive geben, sie können ein oder zwei Jahre in Berlin verbringen, bei einem Unternehmen, das wirklich global operiert.

Die Factory profitiert stark davon, dass es den Vorzeige-Mieter SoundCloud hat. Wie profitiert SoundCloud eigentlich von der Factory?

Für mich ist die Factory kein Gebäude, für mich ist sie ein Campus. Und: Ich finde nicht, dass wir als SoundCloud glauben sollten, alles zu wissen. Nicht einmal in unserem Bereich. Wir brauchen Befruchtung im Denken und Lernen von anderen Unternehmen, von Firmen, die sich in anderen Phasen befinden. Es geht auch darum, unseren Leuten, die häufig aus der Generation Y kommen, eine Umgebung zu geben, die größer ist als Soundcloud, und ein Ökosystem, in dem es um Technologie und Startups geht und darum, dadurch die Welt zu verändern.

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soundcloud marc strigel SoundCloud-COO Marc Strigel

Wie wichtig ist der deutsche Markt noch für SoundCloud?

Wir denken nicht unbedingt in Ländern. Die Plattform ist grundsätzlich global. Pro Stunde hören Menschen aus 200 Ländern Songs auf SoundCloud. Natürlich gibt es Märkte wie die USA, die größer, innovativer und digitaler sind. Aber ich würde nicht sagen wollen, dass ein Land wichtiger ist als ein anderes. Das Produkt ist grundsätzlich global.

Die Globalität endet bei dem Thema, das im Moment vermutlich Eure größte Hürde ist: das Problem mit Rechten und Lizenzen. Denn die Instanzen, die diese Bereiche regulieren, sind alle national organisiert.

Wir betrachten das folgendermaßen: Es geht um die Beziehungen mit diesen Stakeholdern, in welcher Form auch immer, wir haben ständig Diskussionen mit ihnen zu verschiedenen Themen. Interessanterweise wird auch diese Industrie sehr schnell global. Und es gibt Partner, mit denen wir in mehr als einem Land reden können. Ich habe das bisher nicht so sehr als Restriktion oder Behinderung gesehen, eher als Ökosystem, das sich in die gleiche, globale Richtung entwickelt.

Nur: Die Regulierer werden nicht in der gleichen Geschwindigkeit global. Ihr müsst euch mit nationalen Behörden und Instanzen auseinandersetzen.

Ja, das stimmt. Aber es geht mehr darum, sich mit ihnen zusammenzusetzen und zu erklären, wie das ihren eigenen Zielen dient. Für viele Staaten und Regierungen ist es großartig, dass es mehr Möglichkeiten für Kreative gibt. Viele Fragen drehen sich um Lizenzen oder Regulierungen. Aber es geht eher darum, ihnen zu verstehen zu geben, wie wir beide eine bessere Zukunft schaffen können.

Das hört sich eher so an, als ob das ein Langzeitprojekt wird.

Ich glaube, niemand hier glaubt, dass die Mission in absehbarer Zeit endet. Uns geht es darum, eine Plattform zu bauen, die Kreativen erlaubt, ihre Inhalte mit der ganzen Welt zu teilen. Und die den Nutzern erlaubt, den Herzschlag der Kreativität zu hören.

G Tipp – Lesenswert bei Gründerszene „SoundCloud entstand aus der Frustration heraus, dass es keine Tools für Kreative gab“ – SoundCloud-Gründer Eric Wahlforss im Interview

Was ist derzeit die Herausforderung Nummer eins für das Unternehmen?

Vermutlich ist das eine COO-Sichtweise, aber die größte Herausforderung ist derzeit das Team zu skalieren, auf einem globalen Level die richtigen Talente anzulocken. Und: Wie behält man die gleiche Innovationskraft und Kreativität wie wir sie zu der Zeit hatten, als ich zum Unternehmen stieß, als wir nur 50 Leute waren? Jetzt sind wir mehr als 200 und bald vielleicht noch ein paar hundert mehr. Darum geht es auch in dem neuen Büro, wo wir viel Platz für zufällige Konversationen geschaffen haben. Für Startups ist das ein einzigartiges Asset: Dass der Entwickler in den Marketing-Mann rennt oder der Personaler mit dem Produktmenschen zusammentrifft. Und sich dann unterhält. In größeren Unternehmen würde nicht passieren.

Gibt es ein anderes Unternehmen, dass ihr derzeit als Wettbewerber wahrnehmt?

Im Musikbereich gibt es viele Player. Aber wir sind deutlich breiter aufgestellt, was die Art des Content angeht. Ich würde sagen, wir sind viel näher an einem sozialen Netzwerk dran als an einem klassischen Medien- oder Inhaltedistributor. Bei uns kommen der Audiobereich mit sozialen und eher viralen Elementen zusammen. Ich würde deshalb nicht eine bestimmte Firma nennen, sondern eher sagen, das ist der space, in dem wir uns bewegen.

Mir fällt – abgesehen vom frühen Myspace – auch kein Dienst ein, der SoundCloud ähnelt. Das könnte aber auch ein schlechtes Zeichen sein: Wo es keine Konkurrenten gibt, gibt es auch keinen Markt.

Wenn du dir unseren impact auf die Welt von Audio und Sound anguckst, ist es sehr schwierig für mich zu argumentieren, dass es da keinen Markt gäbe. Guck dir die Statistiken an: Es werden etwa zwölf Stunden Sound pro Minute hochgeladen. Das ist riesig! Du brauchst etwa ein Jahr, um dir die Uploads eines Tages anzuhören. Ich habe keine Angst, dass da kein Markt ist.

Auf der Produktseite ist das wahrscheinlich richtig. Aber hat die Firma auch ein Geschäftsmodell? Was macht man mit diesem durchaus beeindruckenden und großartigen Produkt?

Im Moment erforschen wir einige Dinge rund um Marken, die wir auf die Plattform einladen. Aber das sind bisher nur Erkundungen, wir sind noch nicht an dem Punkt, wo wir die Strategie nach außen kommunizieren können. Aber intern wissen wir sehr gut, wohin wir gehen. Und da sehe ich viel Potenzial. Auch die Investoren würden nicht in eine Firma investieren, wenn sie nicht ein Modell für langfristige Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit sehen würden.

Gibt es eigentlich eine klare Vision für das Geschäftsmodell? Wo steht SoundCloud in fünf Jahren?

Wir werden grundsätzlich auf dem Pfad weitergehen, den wir eingeschlagen haben: einen Weg für Kreative zu finden, damit sie ihren Sound teilen können, ihnen eine einzigartige Verbindung zu dne Nutzern zu geben. Obwohl ich der COO bin, sehe ich das Business Model nur als Mittel zum Zweck. Und der Zweck ist enabling sound on the web. Das Geschäftsmodell ist nicht das Endziel. Das war bei keiner anderen Firma, für die ich bisher gearbeitet habe, so. Das ist ein Unternehmen, das einen klaren Zweck verfolgt, der außerhalb der rein monetären Welt liegt. Und das schätze ich auch persönlich sehr.


Mehr Bilder von der Eröffnung der Berliner Factory:

Eröffnung der Factory Berlin

Bilder: Hannah Löffler, SoundCloud