Helge Braun

Es ist manchmal nicht ganz leicht für eine Regierung, ihre Bemühungen öffentlich zu dokumentieren. Da gibt es sehr viele Projekte, die unerwähnt bleiben müssen, weil sie aus vielerlei Gründen nicht in die Öffentlichkeit gehören. Jens Spahn hat zum Beispiel als Staatsminister im Finanzministerium vertrauliche Gespräche mit Startups organisiert. Beide Seiten diskutierten locker miteinander und lernten voneinander. Auch Journalisten waren anwesend. Sie sollten einen Eindruck von der Arbeit des Staatssekretärs bekommen, durften aber nicht über die Inhalte berichten.

Da saßen dann um die zwanzig bekannte Gesichter aus der Fintech-Szene in einem Konferenzraum des Finanzministeriums, stellten ihre Startups vor und erklären, was sie sich von der Politik erhoffen. Es wurde zum Beispiel über über Regulierung und die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen gesprochen. Staatsminister Spahn und seine Mitarbeiter hatten im Gegenzug Gelegenheit, den versammelten Unternehmern zu vermitteln, warum einige Dinge in der Politik einfach länger brauchen und nicht sofort jede Hürde auf dem Weg zu einer Startup-freundlichen Behörde im Galopp genommen werden kann.

Spahn ist die konservative Hoffnung der CDU

Wahrscheinlich hatte sich Spahn ausgerechnet, irgendwann einmal Finanzminister zu werden. Doch jetzt kommt es wohl anders. Er geht zurück in sein altes Fachgebiet: die Gesundheit. Im neuen Kabinett der großen Koalition hat er von Bundeskanzlerin Angela Merkel den Job des Gesundheitsministers bekommen. Das Know-how aus den Fintech-Hintergrundgesprächen kann Spahn hier nur bedingt gebrauchen. Aber immerhin hat er in Sachen Gesundheit die größere Expertise. Von 2009 bis 2015 war er gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

Spahn gilt als konservative Hoffnung der CDU und nicht gerade als Freund der Politik der Kanzlerin. Seine Berufung als Gesundheitsminister kann man als geschickten Schachzug Merkels interpretieren. Sie zeigt mit dieser Personalien, dass sie bereit ist, auch einen ihrer Kritiker an den Kabinettstisch zu holen. Zudem lauern im Gesundheitsbereich vielerlei Gefahren, die Spahns gesamte Kraft in Anspruch nehmen werden. Dazu gehören zum Beispiel die Bürgerversicherung oder die Pflegekrise. Viel Zeit wird ihm nicht bleiben, um sich an Machtspielen zu beteiligen. Schon jetzt gibt es Kritik wegen seltsamer Geschäfte, die er mit Pharmakonzernen gemacht haben soll. Spahn muss aufpassen, dass er die mächtige Gesundheitslobby bei Laune hält, denn jeder kleine Fehler könnte ihn das Amt kosten.

Ein Narkosearzt, der sich mit Blockchain auskennt

In Sachen Digitalisierung soll der neue Kanzleramtschef Helge Braun die Oberhoheit haben. Der 45-jährige Mediziner gilt als besonnen und verlässlich. Auch beim Koalitionspartner SPD. Das prädestiniert ihn für die Aufgabe, direkt im Kanzleramt das Scharnier zwischen den Koalitionären zu bilden und ressortübergreifend erster Ansprechpartner für Digitalisierungsthemen zu sein. Auch sein Vorgänger in diesem Amt, Peter Altmaier, hatte diese Aufgabe.

Braun ist gelernter Narkosearzt, er hat die digitalen Themen bereits für den Koalitionsvertrag verhandelt. Er kennt sich mit den Details der Glasfaser- und Blockchain-Technologie gut aus. Sieben Mal steht das Wort Blockchain in der Koalitionsvereinbarung. 

Helge Braun knüpfte die ersten Kontakte in die Berliner Blockchain-Szene am Rande einer C-Night, jenem Internet-Abend, den die CDU von Zeit zu Zeit veranstaltet. Er hat verstanden, dass der intelligente Einsatz dieser Technik viele Prozesse in der öffentlichen Verwaltung erleichtern und den Bürokratieabbau vereinfachen kann. Mittlerweile gibt es den sogenannten „Bundesblock“, einen politischen Beirat, dem die Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek (Grüne), Marcus Höferlin (FDP), Thomas Jarzombek (CDU), Petra Sitte (Linke) und Jens Zimmermann (SPD) angehören.

Die Oberhoheit in Sachen Digitalisierung muss Braun sich allerdings mit dem Verkehrsministerium und dem von Altmeier geleiteten Wirtschaftsministerium teilen. Eine verworrene Konstruktion. Braun soll die Aktivitäten „koordinieren“. Schade, dass man diesem Zukunfts-Thema kein eigenes Ministerium zugestehen wollte, das die Thematik hätte vorantreiben können. Immerhin hat sich die Kanzlerin durch diese Konstruktion einen direkten Zugriff auf alle Entscheidungen gesichert. Und vielleicht kehrt Jens Spahn ja irgendwann mal zurück von der Gesundheit- in die Finanzpolitik und kann dann dort seine Kenntnisse der Fintech-Szene ausspielen. Wer weiß, vielleicht ja auch irgendwann mal als Kanzler. 

Bild: Getty Images / Carsten Koall / Freier Fotograf