Spotify-Gründer Daniel Ek
Spotify-Gründer Daniel Ek

Wenn es um Zahlen geht, hielt sich der schwedische Musikstreaming-Dienst Spotify bisher lieber zurück. Über die Anzahl der Abonnenten – die weit vor Apple Music liegt – sprach man gern. Doch nun gelangen dank des kommenden Börsengangs des Unternehmens einige Details an die Öffentlichkeit.

In seinem 200 Seiten starken Börsenprospekt listet das Unternehmen zum Beispiel eine Zahlenreihe auf, die potenziellen Investoren eher Angst macht: „In den Jahren 2015, 2016 und 2017 nahmen wir Umsätze in Höhe von 1940 Millionen Euro, 2953 Millionen Euro und 4090 Millionen Euro ein“, steht dort selbstbewusst, und dann: „In den Jahren 2015, 2016 und 2017 machten wir Verluste in Höhe von 230 Millionen, 539 Millionen und 1235 Millionen Euro.“

1,235 Milliarden Euro Verlust pro Jahr, davon knapp 400 Millionen Minus aus dem operativen Geschäft und 850 Millionen Euro Finanzierungskosten, können selbst große Konzerne nicht auf Dauer stemmen. Doch für die Schweden scheint der Verlust von zwei Milliarden Euro in drei Jahren ohne Ausblick auf Besserung ganz selbstverständlich.

Kalkül scheint bislang aufzugehen

Bislang setzt Spotify komplett auf Wachstum und nimmt dafür massive Verluste im Musikstreaming-Geschäft in Kauf. Mehr noch: Sie gehören zum Geschäftskonzept. 159 Millionen Nutzer meldete Spotify zum Ende des Jahres 2017. 71 Millionen davon zahlen für das Angebot – 46 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Verluste entstehen nicht zuletzt durch die nicht zahlenden 88 Millionen Nutzer, die bislang nur über Werbeeinnahmen das Angebot gegenfinanzieren. Reklame steuert nur zehn Prozent des Gesamtumsatzes bei.

Gründer Daniel Ek setzt voll darauf, dass Spotify die nicht zahlenden Kunden vom Umstieg ins Abomodell überzeugen kann. Gleichzeitig hofft er, dass die Anleger allein auf die enorme Wachstumsrate seines Unternehmens sowie auf die Marktdominanz im Streamingmarkt von 61 Ländern blicken.

Das Kalkül scheint bislang aufzugehen: In der letzten Finanzierungsrunde vor dem Börsengang bewerteten Investoren sein Unternehmen mit bis zu 23 Milliarden Euro. Spotify kann nun auf eine Bewertung von mindestens 20 Milliarden Euro hoffen, wenn es erstmals an der New York Stock Exchange gelistet wird. Wie viele Papiere Spotify auf den Markt werfen will, ist bislang nicht bekannt. Auch ein Startdatum für die Listung hat das Unternehmen bislang nicht verkündet. Man will mit dem direkten Verkauf von Aktien beginnen, sobald alle Formalien zur Börsenregistrierung abgeschlossen sind.

Vom Wohlwollen der Musiker abhängig

Bis dahin haben potenzielle Anleger noch genügend Zeit, den Börsenprospekt gründlich zu studieren. Denn es enthält nicht nur einen Warnhinweis. Die vielleicht größte Hürde für Daniel Ek auf dem Weg zur Profitabilität ist die Ökonomie des Musikstreaming-Markts. Denn der funktioniert komplett anders als etwa das Geschäft mit Videostreaming: Netflix, Amazon und Co können ihre Serien selber produzieren oder Streamingrechte an Hollywoodfilmen für eine feste Summe pro Land kaufen.

Spotify dagegen muss jedes Mal, wenn ein Nutzer ein Lied eines Popstars hört, eine feste Summe an die jeweiligen Musiklabel zahlen. Je nach Vertrag betragen die Kosten pro Lied etwa einen halben Cent. Je mehr Nutzer Spotify hat und je öfter jeder einzelne Nutzer Musik hört, desto mehr zahlt Spotify. Wie genau der Konzern diese Rechnung ins Positive umkehren kann, ohne die Preise für sein Angebot zu erhöhen, ist bislang nicht klar.

Zwar kann Spotify mit wachsender Marktdominanz bessere Konditionen bei den Labels verhandeln. Doch die Firma ist auch vom Wohlwollen der Musiker abhängig. Wenn nur ein weltweit erfolgreicher Künstler – wie zuletzt US-Popstar Taylor Swift im Jahr 2014 – seine Musik von der Plattform zurückzieht, könnte das deutliche Auswirkungen auf den Aktienpreis haben.

Der Gewinn sinkt auch noch

Aktuell jedoch verbucht Spotify im operativen Geschäft pro zahlendem Nutzer Gewinn. Der liegt aktuell bei 5,32 Euro pro Abonnent und Jahr. Den operativen Verlust verursachen vor allem die nicht zahlenden Nutzer. Doch auch der Gewinn pro Abonnent nimmt aktuell ab – er sank von 2016 auf 2017 um 14 Prozent. Das liegt zum einen daran, dass Spotify aktuell einen Familienrabatt massiv bewirbt, mit dem sich mehrere zahlende Nutzer einen Account teilen können. Zum anderen aber steigt die Zahl der Minuten, die die Nutzer mit dem Streamingdienst pro Monat verbringen.

Eine Preissteigerung kann sich Spotify jedoch nicht erlauben, denn sowohl Apple als auch Amazon versuchen aktuell, mit eigenen Musikstreaming-Angeboten Marktanteile hinzuzugewinnen. Laut aktuellen Prognosen könnte insbesondere Apple Spotify auf dem wichtigen US-Markt noch in diesem Jahr einholen. Aktuell kann Apple Music bereits 36 Millionen zahlende Kunden weltweit für sich verbuchen, obwohl das Angebot erst im Jahr 2015 gestartet ist – sieben Jahre nach den Schweden. Wie viele zahlende Nutzer Amazon für seinen eigenen Dienst gewinnen konnte, verrät der Konzern aus Seattle nicht.

Apple und Amazon holen aktuell so schnell auf, da sie einen entscheidenden Vorteil haben: Sie bauen eigene Geräte, auf denen der jeweils eigene Dienst bereits vorinstalliert ist. Hardware und Streamingangebot werden in Kombination vertrieben. Apples neuer Lautsprecher Homepod sowie Amazons Echo 2 dürften aktuell die Zahl der Abonnenten bei der Spotify-Konkurrenz nach oben treiben.

Zwar deuten aktuelle Spotify-Stellenangebote für Hardware-Entwickler und Produktmanager an, dass auch die Schweden über eigene Audio-Hardware nachdenken. Doch die Hardware-Entwicklung ist ein teures und risikoreiches Geschäft – ein Flop kann Milliarden kosten.

Gründer besitzen einen Vorteil

Die Investoren haben bei dieser künftigen Unternehmensstrategie weniger Mitspracherecht als normalerweise bei einer Aktiengesellschaft üblich. Denn Spotify-Gründer Daniel Ek und sein Mitgründer Martin Lorentzon halten zusammen bislang zwar nur 38 Prozent aller Anteile. Doch die beiden halten außer ihren Aktien zusätzliche Zertifikate, die ihnen besondere Stimmrechte einräumen. Dank der Zertifikate besitzen sie auch nach dem Börsengang eine Kontrollmehrheit im Unternehmen.

Nicht zuletzt birgt der Börsengang selbst gewisse Risiken, denn Spotify hat keinen festen Ausgabepreis festgelegt und keine Investmentbanken als Partner, die bei Unterschreiten eines Minimalpreises am Ausgabetag einspringen würden. Auch eine Roadshow bei institutionellen Investoren haben sich die Schweden gespart.

Welchen Preis Daniel Ek und seine Geldgeber – darunter fast alle großen Musiklabels – am Tag des Börsengangs erzielen können, ist Sache der Fantasie der künftigen Investoren. Diese sollten vorher noch einmal gründlich nachlesen, worauf sie sich einlassen.

Bild: Spotify