Tobi Lütkes Startup Shopify ist ein Beispiel für erfolgreiches virales Marketing.

Ein Beitrag von Fionn Kientzler, Managing Partner bei der Marketing-Agentur Suxeedo.

Ein Geschäftsmodell funktioniert mittelfristig nur, wenn es gelingt, über das initiale Marketing-Investment hinaus einen organischen Zuwachs an Kunden zu erzeugen. Dazu gilt es drei goldene Regeln zu beachten, mit denen Startups in der Vergangenheit immer wieder dieses virale Momentum generieren konnten. Die Maßnahmen mögen sich dabei von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden – doch die Prinzipien bleiben immer die selben.

1. Storytelling: Mache Deine Idee größer als Dein Produkt

Nicht die Dienstleistung oder das Produkt steht im Vordergrund, sondern die Geschäftsidee und das, wofür sie steht. Geschichten handeln von Menschen, nicht von Produkten – und eine Geschichte ist immer größer als das Unternehmen selbst. Eine Idee wird als Innovation wahrgenommen, wenn sie ein Problem löst, das viele Menschen haben. Doch Unternehmen sprechen sehr ungern von Problemen. Dabei entwickeln gerade diese jene dramaturgische Strahlkraft, die die Lösung spannend macht, die ein Unternehmen anbietet.

Startups konzentrieren ihr Storytelling häufig auf die Gründerpersönlichkeit. Das funktioniert aber nur, wenn das Leben oder die Einstellung des Gründers die Geschäftsidee authentisch repräsentieren. Viel effektiver ist es oft, Geschichten von Kunden zu erzählen – besonders dann, wenn eine dramaturgische Entwicklung des Nutzers im Zusammenhang mit dem Unternehmen, der Marke oder dem Produkt sichtbar gemacht wird.

Beispiel: Steli Efti von Close.io

Der Gründer der CRM-Plattform für Sales setzt voll auf Storytelling. Sei es bei seinen Vorträgen, seinem 30-tägigen Sales-E-Mail-Kurs für Startups oder den Artikeln im Close.io-Blog: Der inhaltliche Mehrwert für die Zielgruppe speist sich aus Steli Eftis Erfahrungen. Dabei fällt auf, wie häufig er seine eigenen Fehler und sein eigenes Versagen ins Zentrum der Geschichten stellt. Umso ehrlicher und gehaltvoller wirken die Lösungen, die er mit Close.io verkaufen möchte. Mit einem Statement wie „We are the greatest“ würde Efti keine Kunden gewinnen. Stattdessen wird er nicht müde, sein Credo zu verbreiten: „Never again should a great company fail because of a lack of sales“. So wird ein Spannungsfeld aufgebaut, das die Motivation des Gründers größer erscheinen lässt als das eigentliche Geschäftsmodell von Close.io.

2. Multiplikation: Baue Anreize zum Teilen in Dein Geschäftskonzept ein

Stelle Dir die Frage: Wie kann ich in meine Geschäftsidee von Beginn an einen Kundenmultiplikator einbauen? Ein virales Momentum kann sich dann entfalten, wenn der Nutzen eines Produkts untrennbar damit zu tun hat, Inhalte zu teilen und neue User hinzu zu gewinnen. Dieses Vorgehen eignet sich besonders gut für Angebote, die Communities zusammenführen und organisieren sowie ihre Mitglieder zu Publizisten von Inhalten machen. Diese Produkte funktionieren prinzipiell wie Social-Media-Plattformen: Der User erlebt den Nutzen erst durch die Interaktion mit anderen Usern.

Beispiel: Trello

Das Projektmanagement-Tool erreichte innerhalb kürzester Zeit eine große Sichtbarkeit und hohe Nutzerzahlen, weil es dem User nicht nur einen praktischen Mehrwert liefert, sondern die Nutzung erst in der Zusammenarbeit mit anderen Sinn ergibt. Trello funktioniert als Freemium-Tool besonders gut, weil jeder jeden einladen kann, die Anmeldung unkompliziert ist und eine rege Interaktion die Voraussetzung für Erfolgserlebnisse ist. Die intensive Auseinandersetzung mit der Software und das Glücksgefühl nach erledigten Aufgaben und Projekten binden den User an die Marke. Zudem erhält jeder Nutzer für die erfolgreiche Einladung eines neuen Nutzers einen Monat lang gratis Zugang zum ansonsten kostenpflichtigen Premium-Angebot. Bindung und Verbreitung steigen also mit der Zeit exponentiell.

3. Organisches Momentum: Publiziere relevante Inhalte für Deine Zielgruppe

Wie können Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen, eine organische Reichweite aufbauen, wenn bisher nur wenige Menschen das kommerzielle Angebot überhaupt kennen? Das richtige Vehikel ist ein inhaltlicher Mehrwert, der die Bedürfnisse der Zielgruppe adressiert. Ganz gleich ob über Social Media oder ein firmeneigenes Online-Magazin: Wenn der User auf Inhalte stößt, die ihm Antworten auf seine Fragen geben, dann wird er sich mehr oder minder bewusst mit dem Urheber der Inhalte auseinandersetzen wollen.

Dabei muss der Inhalt immer auf Reichweite optimiert sein – entweder via Social Media oder SEO. Der häufigste Fehler ist, einfach nur spannende Inhalte zu publizieren und zu glauben, diese würden schon von selbst eine hohe Reichweite erhalten. Zudem sollten die Inhalte immer mit einer Conversion verknüpft sein, beispielsweise einem Newsletter-Abo oder E-Book-Download mit Addresskomponente. Sonst wird zwar Reichweite erzeugt, aber eine, die keinen Wert für das Geschäft besitzt.

Beispiel: Shopify

Der Anbieter von E-Commerce-Lösungen für Unternehmer hat sich nicht nur dem praktischen Nutzen für Händler verschrieben, sondern publiziert auf seinem internen Blog auch Ratgeber-Artikel, die sowohl Anfänger als auch Experten ansprechen. Von Erkenntnissen aus der Kommunikationswissenschaft bis hin zu praktischen Anleitungen für den Umgang mit der E-Commerce-Software: Der User wird umfassend mit Informationen versorgt, die ihm zu jedem Zeitpunkt seiner Customer Journey bereichern. Dabei ranken die Artikel sehr gut bei Google und sind mit weiteren, zum Download stehenden Inhalten (auch hier wieder gegen Kontakt-Daten) verknüpft. Diese Beiträge sind nicht nur für die Shopify-Kunden interessant, sondern für alle, die sich mit Handel, Absatzwirtschaft und Kommunikation beschäftigen. Dass dabei gelegentlich inspirierende Stories auftauchen, die direkt auf das Produkt verweisen, stört kaum, sondern lädt die Marke zusätzlich emotional auf.

Bild: Getty Images / mathisworks