Die Bundesregierung hatte sich viel vorgenommen und versprochen. Deutschland sollte ganz schnell ein besseres Umfeld für Startups bieten, die Bedingungen für junge Unternehmen sollten schnell und effektiv verbessert werden. Fast 30 Einzelmaßnahmen waren im Koalitionsvertrag der Großen Koalition angekündigt. Der Digitalverband Bitkom hat sich jede einzelne Maßnahme angesehen und geprüft, wie weit die Politik mit der Verwirklichung ihrer Ideen bis jetzt gekommen ist.

Die klägliche Bilanz: Von den angekündigten Maßnahmen sind nur sechs umgesetzt worden. Bei zwölf Projekten ist noch gar nichts passiert, zwölf weitere Themen wurde immerhin angegangen – sie sind allerdings nur teilweise oder überhaupt nicht verwirklicht. Bitkom-Vizepräsident Ulrich Dietz: „Bei für die gesamte Startupszene richtungsweisenden Projekten wie der Einführung eines Venture-Capital-Gesetzes passiert zu wenig und es gibt bis jetzt keine greifbaren Ergebnisse.“

Laut Bitkom-Bilanz ist es eher so, dass laufende Gesetzgebungsverfahren und politische Initiativen Startups behindern statt sie zu unterstützen. Falls etwa der aktuelle Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes umgesetzt würde, sei der deutsche Crowdinvesting-Markt international auf verlorenem Posten, heißt es. Auch das weltweit einmalige Leistungsschutzgesetz würde laut Positionspapier des Bitkom innovative Geschäftsmodelle behindern.

Dietz: „Noch nie hat eine Bundesregierung die Themen Digitalisierung und Startups so in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gerückt wie diese. Nun muss es darum gehen, dass am Ende sichtbare Erfolge herauskommen.“

Umgesetzt wurden:

  • Der High-Tech Gründerfonds wird fortgesetzt und ist Bestandteil der Hightech-Strategie.
  • Der Existenzgründerzuschuss vom Arbeitsamt wird fortgesetzt.
  • Der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ wird fortgesetzt.
  • Das INVEST-Programm wird fortgeführt: Der Zuschuss für Wagniskapital, das von Business Angels investiert wird, wurde von der Einkommensteuer freigestellt.
  • Internationalisierung der Startups durch Ausbau internationaler Acceleratoren: Erweiterung des German Accelerator um einen Standort in New York (Oktober 2014). Weitere Projekte in Planung: Accelerator in Boston (Start Ende 2015), vermutlich anderes Konzept für Programm mit Israel (Start Juli 2015).
  • Ausbau und Verbesserung der Förderbedingungen beim Exist-Gründerstipendium und -Forschungstransfer: Verbesserung der Konditionen durch Erhöhung der Stipendien und Investitionsmittel. Abbau von Bürokratie notwendig. „Internationalisierung des EXIST-Programms durch Aufnahme deutsch-israelischer Teams (in Planung).

In Arbeit sind:

  • Förderung des bewährten Gründercoachings: Zum 1. Mai ist die Beratungsförderung Gründercoaching neu angekündigt. Der Beratungszeitraum beträgt nur noch sechs Monate (bisher zwölf Monate), das förderfähige Beratungshonorar nur noch maximal 4.000 Euro (bisher 6.000 Euro).
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investoren: Entwurf zur Reform der Investmentbesteuerung für das zweite Quartal geplant. „„Die rückwirkende Steuerfreiheit des INVEST-Zuschusses wurde im Dezember 2014 beschlossen.
  • Weckung eines neuen Gründergeistes: Einzelne Maßnahmen, zum Beispiel: Erweiterung der Projekte zum Gründergeist in Schulen im Rahmen des Initiativkreises „Unternehmergeist in die Schulen“.
  • Entbürokratisierung von Antragsverfahren und Überprüfung von Förderinstrumenten: Zugang zu Förderprogrammen vereinfachen, geplant bis Sommer 2015.
  • Weiterentwicklung der Instrumente der KfW zur Gründerunterstützung: Verbesserung des ERP-Gründerkredit-Universell der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Beantragungszeitraum um zwei Jahre verlängert und Finanzierungssumme auf bis zu 25 Millionen Euro erhöht.
  • Steigerung der Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland: Im zweiten Quartal 2015 soll ein Entwurf zur Reform der Investmentbesteuerung vorgelegt werden; mit den Diskussionen um eine Streichung der Steuerbefreiung für die Veräußerung von Streubesitzbeteiligungen wird aber das Gegenteil erreicht.
  • Prüfung der Einführung eines neuen Börsensegments (Neuer Markt 2.0): Das Wirtschaftsministerium setzt sich für das Thema ein, ein neues Börsensegment wird es jedoch Stand heute nicht geben. „„Einrichtung von Arbeitsgruppen und Roundtable (Sommer 2015) unter Leitung von Bundesminister Gabriel zur Frage, wie man mehr junge Wachstumsunternehmen an die Börse bringen kann.
  • Ergebnisoffene Prüfung der künftigen steuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz (im Rahmen einer grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung): Die Bundesregierung lehnt bis jetzt die vom Bundesrat geforderte Aufhebung der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne aus Streubesitzbeteiligungen ab. Aus Startup-Sicht muss sie hier unbedingt standhaft bleiben.
  • „Dabei soll vor allem für den Bereich der Business Angels und Startups nach Lösungen für besondere Belastungseffekte für den Fall gesucht werden, dass sich der Investor von seinem Engagement trennt“ – Regelung dieser Frage für das zweite Quartal geplant.
  • Auflage eines ERP/EIF-Wachstumsfonds über 500 Millionen Euro: Planungen konkretisieren sich, Umsetzung geplant bis Sommer 2015.

Wo nichts passiert ist:

  • Steigerung der Attraktivität von Beteiligungsinvestitionen: Bislang keine konkreten Aktivitäten.
  • International wettbewerbsfähige Gestaltung rechtlicher und steuerlicher Rahmenbedingungen für Wagniskapital: Bisher nicht umgesetzt.
  • Verlässlicher Rechtsrahmen für Crowdfunding: Das Kleinanlegerschutzgesetz ist derzeit im parlamentarischen Verfahren (Verabschiedung bis Sommer 2015). Der Regierungsentwurf betont jedoch den Anlegerschutz und verschlechtertet die Rahmenbedingungen für Crowdfunding und -investing.
  • Etablierung einer Kultur der zweiten Chance: Bislang keine konkreten Aktivitäten.
  • Vereinfachung des Gründungsprozesses durch eine One-Stop-Agency: „Bisher nicht umgesetzt.
  • Aufbau eines innovativen Netzwerkes für Startups: Bislang nur Einzelaktionen (Young IT-Day im Oktober), kein ganzheitliches Konzept.
  • Einführung einer Gründungszeit (analog zum Modell der Familienpflegezeit):„ „Bisher nicht umgesetzt.
  • Weiterentwicklung von Stock-Options-Modellen: Bisher nicht umgesetzt.
  • Erhöhung der Zahl der IT-Fachkräfte durch Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen: Keine substantiellen Aktivitäten der Bundesregierung.
  • Entwicklung fairer Standardverträge durch die Kammern: Bisher nicht umgesetzt.
  • Einführung eines Venture-Capital-Gesetzes: Bisher nicht umgesetzt.
  •  Steigerung der Attraktivität von Investments in junge Wachstumsunternehmen: Bisher nichts Greifbares, abgesehen vom INVEST-Programm.
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