„Viele junge Gründer sind überfordert“

Chef über Nacht – ein Traum, der wohl nur in der Startup-Szene wahr werden kann. Denn häufig sind die Gründer gerade mal Mitte Zwanzig, wenn sie ihr Business starten. Einige kommen direkt von der Universität. Anders als Manager in Großkonzernen haben sie keinerlei Berufserfahrung und werden selten mit Coachings oder von Vorgesetzten auf ihre Position vorbereitet. Von einem Moment auf den anderen tragen sie – wenn Investoren an ihre Idee glauben und Geld geben – Verantwortung für Teams, die oft sehr schnell wachsen.

Kann das gut gehen? Sind einige Menschen einfach geborene Chefs? Oder sind junge Gründer als Manager nicht geeignet?

„Schwierig ist, dass man mit Anfang 20 selbst meistens noch kaum Erfahrung als Teil eines Teams sammeln konnte“, sagt Andrea Pfundmeier, die bereits mit 23 Jahren das Augsburger Startup Secomba gründete und die Sicherheitssoftware Boxcryptor entwickelte. „Man kennt also häufig noch nicht einmal die Seite der Angestellten und so fehlt oft die Erfahrung, wie ein Team geleitet werden soll und was dabei wichtig ist.“

Diesen Sommer wurde Boxcryptor mit dem mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet – Andrea Pfundmeier ist mittlerweile 27 Jahre alt und hat in den letzten vier Jahren offenbar einiges dazu gelernt. „Die größte Herausforderung war, dass ich lernen musste, dass nicht alle so denken und handeln wie ich“, erzählt sie rückblickend. „Ich dachte oft, dass allen klar ist, warum wir etwas bestimmtes machen und wofür das gut ist. Oft hat sich dann aber im Gespräch herausgestellt, dass das sehr oft einfach nicht der Fall war.“ Anfangs habe sie von ihren Mitarbeitern erwartet, dass sie sich genauso ausdrücken oder benehmen wie sie selbst – selbst kleine Formulierungen in Emails hätte sie am liebsten geändert und ihrem eigenen Schreibstil angepasst. Heute könne sie viel besser „loslassen“.

Ähnlich ergeht es Lukas Brosseder, der 2007 die Partnervermittlungsagentur Edarling startete und mittlerweile rund 300 Mitarbeiter beschäftigt: „Als Gründer hat man meistens eine recht klare Idee davon, wohin sich das Unternehmen entwickeln soll“, sagt der 32-Jährige. „Diese Vision allen Mitarbeitern deutlich zu machen, sodass jeder im Unternehmen weiß, wohin die Reise gehen soll und welche Ziele man als Team verfolgt, ist eine echte Herkulesaufgabe. Dies muss man ständig und immer wieder neu bewerkstelligen – das stellt für mich häufig eine echte Herausforderung dar.“

Während Lukas Brosseder oder Andrea Pfundmeier auch mehrere Jahre nach der Gründung ihr Unternehmen erfolgreich führen, geben einige Gründer die Personalverantwortung lieber ab, sobald das Team zu groß wird. So geschehen bei Sociomantic: Das Berliner Startup holte drei Jahr nach der Gründung Jason Kelly von Google als CEO an Bord: „Wenn wir an einen Punkt gelangen, an dem wir glauben, es gibt jemanden, der den Job besser machen kann als wir, dann sollten wir auf unser Ego verzichten und jemand anderen übernehmen lassen“, begründete Mitgründer Thomas Nicolai im Interview mit Gründerszene im vergangenen Dezember die Entscheidung.

Nicht alle Gründer erkennen diese Probleme sofort. Die Konsequenzen bekommen die Mitarbeiter zu spüren. Nicht selten klagen Startup-Angestellte über schlechte Kommunikation, verprasste Gelder, zu viele Überstunden – oder einen rauen Umgangston, wie beispielsweise im Fall des Hamburger Startups Kreditech.

„Viele junge Gründer sind überfordert“, stellt Karriereberaterin Doris Brenner fest. „Ihnen fehlen häufig die Lebensreife und die klassischen Führungstools.“ Junge Manager seien zudem oft unsicher – und entwickelten deswegen zwei Verhaltensmuster: „Die einen versuchen, die Unsicherheit zu überspielen und treten dadurch zu forsch auf. Die anderen zeigen Ihre Zweifel und verunsichern damit auch die Mitarbeiter.“ Brenner rät deswegen allen Gründern, die ein größeres Team leiten, bei einem Führungs-Coaching mitzumachen. Denn: „Es gibt nur ganz wenige Menschen, die ein natürliches Talent als Führungskraft haben.“

„Mit Blick auf das sich ankündigende Wachstum gibt es in der Szene durchaus ein Führungs- und Managementproblem“, findet auch Constanze Buchheim, Geschäftsführerin der Personalberatung I-Potentials. Sie ist überzeugt: „Wenn wir das Potential der Startups entwickeln wollen, müssen wir mehr in die Ausbildung und die Persönlichkeitsentwicklung der Führungskräfte investieren.“ Gründer, die falsch und ohne Unterstützung durch einen Mentor oder Coach große Teams führen, verschwenden ihrer Meinung nach durch falsches Verhalten häufig Geld und Zeit. Es sei daher wichtig, zu erkennen, dass nicht alle Gründer gleichzeitig Visionäre und gute Manager sind.

„Ein Unternehmen zu starten und ein großes Unternehmen zu führen, sind auf jeden Fall zwei verschiedene Dinge, die einem nicht gleichermaßen gut liegen müssen“, sagt auch Lukas Brosseder. „Anfangs muss man gut darin sein, alle Arten von Problemen sehr schnell im Alleingang zu lösen. Bei einem größeren Team ist die Hauptaufgabe dafür zu sorgen, dass alle anderen ihre Probleme schnell und gut lösen können.“ Um ein wachsendes Team auch Jahre nach der Gründung erfolgreich führen zu können, sei eine „Mischung aus Talent und der richtigen Methodik“ wichtig. Die richtige Führungsmethode müsse aber jeder Gründer selbst finden.

Für Andrea Pfundmeier ist Zuhören und Zurückhaltung die Lösung: „Ich versuche, erst mein Team nach Ideen und Vorschlägen zu fragen und ergänze meine eigenen Ideen erst am Ende“, fasst sie zusammen. „Meistens ist das aber zum Glück nicht mehr nötig, weil unser Team so von ganz alleine auf die gleichen Ideen kommt. Und es macht dann natürlich mehr Spaß die eigene Idee zu verfolgen, als die Idee der Chefin.“

Bild: © panthermedia.net / Galina Peshkova