Was Startups von der Spieleindustrie lernen können

Für Electronic Arts, einen der größten Spielekonzerne der Welt, ist Freemium schon seit längerem die Zukunft der Spielebranche: Gamer können sich ein Spiel kostenlos herunterladen und in der Basisversion zocken. Für alles, was darüber hinausgeht, Extras oder Add-ons, müssen sie zahlen. Zum Beispiel damit ein Haus schneller gebaut wird, für bunte Sticker, das schnellere Auto, und so weiter. Dem voraus ging eine radikale Abkehr vom traditionellen Premium-Modell der Spieleindustrie, bei dem ein Gamer für ein Spiel immer und von Anfang an den vollen Preis bezahlt hat. Das hat noch Sinn ergeben, als Spiele nur in Schachteln im Geschäft verkauft wurden.

Gründer kennen Kostenlos-Kultur

Viele Gründer kommen aus der genau entgegengesetzten Richtung. Im Internet hat ehemals kaum jemand für irgendetwas gezahlt, außer vielleicht für handfeste Produkte wie bei Amazon. Im Gegensatz zu Spieleentwicklern haben viele Gründer diese Kostenlos-Kultur des Internets verinnerlicht und finden nichts dabei, das Resultat ihrer harten Arbeit zunächst komplett umsonst anzubieten. Das Ziel dahinter ist, so schnell wie möglich eine gigantische Nutzerbasis aufzubauen, die erst später zu Geld gemacht werden soll. Oft durch eine Nutzungsgebühr, siehe Whatsapp auf Android, oder mit Werbung.

Die Probleme mit dieser späten Monetarisierung sind bekannt: Wenn ein Dienst immer kostenlos war und sich die Nutzer daran gewöhnt haben, nichts zu zahlen, ist es schwer, eine Nutzungsgebühr durchzudrücken. Vor allem, wenn es viele Wettbewerber gibt, die etwas ganz Ähnliches weiterhin umsonst anbieten. Diese Erfahrung machen viele Medienhäuser in den USA und Europa seit längerem. Und werbefinanzierte Modelle sind aus mehreren Gründen unter Druck, vor allem auf Smartphones und Tablets.

Die Spiele- und die Gründerszene haben jedoch gemeinsam, dass sie beide auf hohe Nutzerzahlen setzen, mit einem entscheidenden Unterschied: die etablierte Spieleindustrie verdient mit ihren Produkten sofort Geld, nicht erst später. Genauso wie Startups bauen sie über ein kostenloses Produkt riesige Nutzerzahlen auf. Aber anders als viele Gründer fahren sie dabei zweigleisig und monetarisieren diese Userzahlen von Anfang an über kostenpflichtige Zusatzangebote. Mit Freemium haben sie es geschafft, ihr traditionelles Premium-Businessmodell an das gratisverwöhnte Internetpublikum anzupassen und trotzdem Geld zu verdienen.

Die Vorteile von Freemium

Viele Gründer könnten deswegen von der Spieleindustrie und speziell vom Freemium-Modell lernen. Auch Ticketplattformen können auf Freemium setzen: Veranstalter von Events, für die kein Eintritt verlangt wird, können alle Features kostenlos nutzen. Und sobald sie mit den Tickets Geld einnehmen (mit der Ausnahme von Spendengalas), zahlen sie eine Gebühr. Dieser Ansatz birgt enorme Vorteile in drei Bereichen: Marketing, Produktentwicklung und Liquidität.

Marketing

Muss man Freibier bewerben? Eben. Zudem ist die Hemmschwelle, ein gutes neues Produkt auszuprobieren, natürlich extrem niedrig, wenn es nichts kostet. Das treibt die Nutzerzahlen schnell in die Höhe. Eventteilnehmer sind die besten Promoter. Das Geld, das hier im Marketing gespart wird, kann in die Entwicklung gesteckt werden.

Produktentwicklung

Wer von Anfang an auch einen Bezahlservice anbietet, kann damit experimentieren, für was die User überhaupt Geld bezahlen möchten, und wie viel, und welche Features zahlende Kunden erwarten. Man kann in einer sehr frühen Phase mit der Balance zwischen kostenlosem und bezahltem Service experimentieren und so sehr früh das Businessmodell validieren.

Liquidität

Der häufigste Grund für den Tod von Startups ist mangelnde Liquidität. Wer sehr früh Umsätze mit Bezahlservice macht, stärkt sich finanziell den Rücken und macht sich unabhängiger von Geldgebern. Ist man dann für Finanzierungsrunden bereit, hat man bereits bewiesen, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Das ist natürlich ein hervorragendes Argument für Investoren.

Freemium ist natürlich nur eines von verschiedenen sinnvollen Geschäftsmodellen im Internet und schon gar nicht der der heilige Gral für Startups. Gründer, die erst eine vage Vorstellung davon haben, wie ihr Unternehmen jemals Geld verdienen soll, sollten jedoch mal über diese Alternative nachdenken.

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