Scale 11 Cebit

Es tut sich etwas: Startups sind in diesem Jahr präsenter auf der Tech-Industrie-Messe Cebit. Das mag daran liegen, dass es neben dem Wettbewerb Code N mit Scale 11 erstmals eine zweite Plattform für junge Digitalunternehmen gibt. Und das ist gut so. Denn in den vergangenen Jahren hatte man stets das Gefühl, dass Startups auf der Cebit eher ein stiefmütterliches Dasein fristeten. Die bunte Gründerwelt war zwischen Server-, Überwachungskamera- und Handycover-Anbietern mitunter schwer zu entdecken.

Ab sofort soll das alles anders sein. Man will auch mit jungen Unternehmern einen Dialog zu ganz erwachsenen Themen führen. Auf der Scale-11-Bühne zum Beispiel dazu, wie Startups und traditionelle Industrie zusammenarbeiten können. Es liegt nahe, die Innovationskraft und Flexibilität der einen mit der Erfahrung und dem Kundenstamm der anderen zusammenbringen zu wollen.

Das Potenzial ist riesig, darüber war man sich auf der Bühne und abseits davon einig. Wer derzeit nach Modellen sucht, wie es sich schnell und einfach erschließen ließe, wird so schnell allerdings nicht fündig: Zwar gibt es von „Corporate“-Inkubatoren über Beteiligungsgesellschaften bis hin zu gründungswütigen Beratungsunternehmen gleich eine ganze Reihe an Modellen. Und mit Rewe, Axa, Eon, Telekom, BMW und vielen anderen versuchen sich einige renommierte Namen längst daran, „sich von der Startup-Szene inspirieren zu lassen“. Ohne Startups geht nichts mehr, fast jede Business-Konferenz schmückt sich mit dem Schlagwort. Die bisherigen Erfolge im Corporate-Umfeld sind allerdings noch sehr überschaubar.

Auf der Reise in eine neue, digitale Zukunft haben sich hiesige Großunternehmen dabei oft auf eigene „Brutstätten“ konzentriert. An allen Corporate-Ecken sind in den letzten Monaten Inkubatoren und Acceleratoren entstanden. Damit setzt man hierzulande auf einen anderen Ansatz als beispielsweise in den USA. Statt Geld in eine freie, ungelenkte Startup-Szene zu investieren – sei es über direkte Investitionen beziehungsweise eigene oder dritte Beteiligungsgesellschaften/VCs, wie es US-Riesen wie Intel oder Google tun –, hält der gerne alles im Griff wissende Deutsche (um fair zu bleiben: Europäer), die „frei“ agierenden Startups doch lieber dichter am Konzern. Um schneller lernen zu können und damit der Startup-Spirit besser auf den Konzern überspringen kann, so das Kalkül.

Aber: Wenn von Beginn ein ganz konkretes Ziel vor Augen liegt, und das ist in einem Konzernumfeld fast zwangsläufig der Fall, kann sich kein freies Unternehmertum entwickeln. Facebook, Whatsapp, Instagram oder Flickr sind nicht entstanden, weil ein großer Konzern gerne digital sein wollte. Erfolgreiche Startups, das hat die Vergangenheit gezeigt, brauchen viel Freiraum. Denn es wird nicht überlegt, und sollte auch nicht überlegt werden, was genau man aufbauen möchte. Sondern was man bewegen möchte. In Konzernnähe ist eine solche Denkweise zwar nicht unmöglich, aber besonders schwierig. Um es plakativ zu machen: Was Startups von VCs suchen ist nicht nur Geld. Sondern auch viel Know-how zum digitalen Geschäft. In einem reinen Konzern-Startup-Umfeld fehlt diese Komponente meist. Noch zumindest.

Demgegenüber setzt das US-Modell auf deutlich lockere Strukturen. Geld wird dann investiert, wenn ein Startup eine erfolgversprechende Anlage darstellt. Wenn die Technologie des Jungunternehmens gut in den Konzern passt, wird das Startup gekauft. Das mag – gefühlt allemal – riskanter sein. Es bietet aber auch mehr Chancen, weil so in den wichtigen frühen Stadien schneller das Geschäftsmodell angepasst werden kann.

Auch in Deutschland wird man in den kommenden Monaten lernen müssen, mehr Mut aufzubringen: Weniger zu kontrollieren. Sich mehr auf die Startup-Szene als Ganzes einzulassen. Sich mehr zu öffnen, Daten und Schnittstellen preiszugeben, Mitarbeiter auch mal in ein eigenes Startup „gehen“ zu lassen. Nicht nur zu fragen, welches Startup gut zur Strategie passt. Sondern auch welche Strategie möglicherweise zu erfolgreichen Startups.

Tut sich, trotz aller Bemühungen, außerhalb der Cebit also eigentlich doch nichts? Und können die (noch) vorherrschenden Corporate-Inkubatoren gar nicht erfolgreich sein? Doch, können sie. Solange sie sich sehr stark als Intensiv-Programm für erst einmal auch finanziell interessante Beteiligungen verstehen. Startups dürfen nicht zu ausgelagerten R&D-Abteilungen werden. Nicht Mittel zum Risikomanagement sein. Nur so kann echte Zusammenarbeit entstehen. Großes Potenzial ist da.


Ein paar Eindrücke von der Cebit haben wir in den folgenden Videos eingefangen:

Bild: Cebit