Vom Haifisch zum Guppy

Wenn Startup-Gründer Investoren begegnen, geschieht eine seltsame Transformation: Aus dem üblicherweise risikofreudigen und wagemutigen Unternehmer wird ein verunsicherter kleiner Teenager. „Mögen die Investoren mich? Bin ich zu dick? Oh mein Gott, sie denken ich bin dumm und meine Idee ist Blödsinn. ICH BIN EIN VERSAGER!“ Der Anschaulichkeit halber überspitze ich es hier – doch tatsächlich sehnen sich viele Gründer nach Bestätigung von Investoren. Sie wollen ihre Anerkennung und fürchten ihre Zurückweisung.

Und genau darin liegt das Problem. In einer Beziehung – egal ob es eine persönliche Beziehung oder eine Geschäftsbeziehung zu einem Investor ist – wirst Du nicht bekommen was Du willst, wenn Du bereit bist, alles zu tun, um Anerkennung zu bekommen. Wenn ein Investor merkt, dass ein Gründer verzweifelt nach Zustimmung sucht, interpretiert er das als Signal dafür, dass dies nicht die Gründerpersönlichkeit ist, in die er investieren will. Und manchmal nutzen Investoren es aus, wenn Gründer versuchen, es Mark Zuckerberg oder Steve Jobs gleichzutun.

Viele Stunden lang liest der begierige Gründer die neuesten Nachrichten aus der Startup-Szene, bleibt ständig informiert über die Movers & Shakers der Startup-Welt. Manchmal träumt er vor sich hin, stellt sich vor, wie es wäre zu den Super-Erfolgreichen zu gehören. Doch insgeheim nagt die Angst an ihm, nicht gut genug zu sein. Das ist bedauerlich – schließlich sprechen wir hier von Gründern und Unternehmern: Menschen, die sich nicht von den üblichen Ratschlägen haben kleinmachen lassen. „Such dir doch einen sicheren Job in einem großen Konzern. Wenn du früh anfängst, hast du später auch eine dicke Rente.“

Unternehmertum ist immer mit Risiken behaftet und die meisten Unternehmer sind – objektiv bemessen – unvernünftig optimistisch. Doch sobald sie Investoren begegnen, verwandeln sie sich: aus dem Haifisch wird ein Guppy. Das schlimmste an der ganzen Sache? Sobald ein Investor diese Unsicherheit bemerkt, schreibt er den Unternehmer insgeheim oft heimlich ab. ‚Der hat nicht das Zeug zum Erfolg‘, denkt er sich.

Es ist Zeit, tief Luft zu holen und mit diesem Unsinn aufzuhören. Könnte es sein, dass eine andere Sichtweise viel zielführender für Dich wäre? Wenn Du mit einem Investor sprichst, sollte die Frage, die Du Dir stellst nicht so sehr sein, ob er Dich mag – sondern ob Du den Investor magst! Denn auch Investoren haben heimliche Tagträumereien – auch sie stellen sich vor, in den nächsten Zuckerberg zu investieren.

Investoren mögen Selbstbewusstsein

Vor einiger Zeit veröffentlichte ich einen ähnlichen Artikel wie den hier auf meinen Blog. Zwei Tage später erhielt ich eine Email von einem potenziellen Investor:

„Hi Steli,
Ich schreibe Dir von BIG MONEY Capital, einem Early Stage Venture Capital Fund aus San Francisco. Wahrscheinlich sind Dir einige unserer Portfolio-Investments bereits bekannt, zum Beispiel EIN PAAR RIESIGE STARTUPS, GEFÜHRT VON DEN UNTERNEHMERN, ZU DENEN DU AUFBLICKST. Travis Goodman (einer der Partner unserer Firma), war von DEINER FIRMA beeindruckt und bat mich, mehr über euer Team und eure Finanzplanung in Erfahrung zu bringen. Können wir in den nächsten Tagen telefonieren? Wann wäre eine gute Zeit für Dich?
– Stacey“

Klingt super, oder? Doch wenn Du Erfahrung im Umgang mit Investoren hast, dann weißt du, dass dies wahrscheinlich eine Einladung zu einem Telefonat mit einem x-beliebigen Mitarbeiter ist. Er wird Dich mit tausend Fragen über Dein Startup löchern, um so viel wie möglich in Erfahrung zu bringen – hat allerdings null Einfluss auf die Entscheidung, ob investiert wird oder nicht.

So operieren VC-Firmen: Eine große Masse von Mitarbeitern leistet die Vorarbeit für eine kleine Gruppe von Partnern – und die sind die Einzigen, die tatsächlich Entscheidungen treffen. Ich will mit Entscheidungsträgern sprechen. Also antworte ich: „Vielen Dank für Deine Nachricht. Gerne spreche ich nächste Woche mit Travis. Donnerstag oder Freitag wäre am besten.“

Sie antwortet: „Vielen Dank für Deine Nachricht. Ich würde gerne ein Telefonat mit Justin aufsetzen. Er arbeitet eng mit Travis zusammen. Ist das in Ordnung?“

Hab ich’s mir doch gedacht. Und nein, es ist nicht in Ordnung. Also antworte ich: „Ich verstehe – aber ich würde wirklich gerne mit Travis sprechen. Bitte lass mich wissen, wann er Zeit zum Telefonieren hat.“

Sie antwortet: „Ich verstehe. Unglücklicherweise hat Travis einen vollen Terminkalender. Deshalb stellen wir immer erst einige Fragen. Wenn die Antworten unseren Kriterien entsprechen, setzen wir natürlich gerne ein Meeting mit Travis für Dich auf.“

Ja, das klingt vernünftig – aber ich bin nicht interessiert. Meine Antwort: „Ich würde mich wirklich freuen mit Travis zu sprechen. Wir können es auch gerne vertagen, bis er Zeit hat.“

Frage Dich, ob Du mit dem Investor arbeiten willst

Sie versucht noch einmal, mich zu überzeugen erstmal mit Justin zu telefonieren. Darauf antworte ich nicht. Ein paar Tage später bekomme ich eine Email von Travis:

„Steli,
sieht so aus als ob Du Deine eigenen Ratschläge befolgst! 🙂 Habe gerade Deinen Blogbeitrag gelesen, in dem Du geschrieben hast warum Unternehmer nicht von Investoren eingeschüchtert sein sollten. Lass uns bald telefonieren, mein Assistent wird einen Termin mit Dir koordinieren.
-Travis“

Vor ein paar Jahren hätte ich mich nie getraut, so selbstbewusst mit einer VC-Firma zu kommunizieren. Damals habe ich aber auch kein Geld von Investoren bekommen. Das kam erst mit wachsendem Selbstbewusstsein (und zugegebenermaßen auch größerer Kompetenz).

Also, zerbrich Dir nicht den Kopf darüber, ob potenzielle Investoren Dich mögen oder nicht, ob Du ihrer würdig bist oder nicht. Frage Dich, ob Du gerne mit ihnen arbeiten willst. Kennen sie sich in Deiner Branche aus? Können sie Nutzen beisteuern? Würdest Du gerne auf ein „Date“ mit diesem Investor gehen, um herauszufinden, ob diese Beziehung die Mühe wert ist?

Steh zu Dir, sei Du selbst, vertrau in Dich. Denn Selbstvertrauen macht Dich nicht nur beim Dating attraktiver, sondern wirkt auch auf Investoren.

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