Es war Steve Jobs, der Apple als Premium-Marke ein Gesicht verlieh und nach seinem Tod ein gigantisches Imperium vererbte. Einer der Haupterben ist der neue Apple-CEO Tim Cook, der unter den Experten als effizienter BWLer gehandelt wird und stets versucht, an den Erfolg von Jobs anzuknüpfen. Ein zweiter Steve Jobs wird Tim Cook aber kaum werden. Wie er selbst sagte, möchte er das auch nicht. Tim Cook regiert bereits mehr als ein Jahr lang an der Apple-Spitze. Ein Vergleich zwischen dem High-Tech-Visionär Steve Jobs und dem effizienten Buchhalter Tim Cook.

steve Jobs Tim Cook Vergleich

Jobs überzeugte Cook schnell von Apple

Im Jahr 1998 schaffte es Steve Jobs innerhalb von zehn Minuten, den ehemaligen Corporate Materials bei Compaq zum Unternehmenswechsel zu überreden. Es war das, was Steve Jobs so besonders machte und Tim Cook damals veranlasste, bei Apple als Senior Vice President of Operations zu arbeiten, nämlich die Gabe zu wissen, was die Konsumenten haben wollen, bevor es einen Markt dafür gab und sie mit purer Leidenschaft davon zu überzeugen.

Experten vertreten die Ansicht, dass Steve Jobs in der Lage war, ein sogenanntes Reality-Distortion-Field zu erzeugen. Dem Apple Mitgründer gelang es spielend einfach, seine Visionen so plausibel unter die Menschheit zu mischen, dass er die Wirklichkeit kontrolliert nach seinen Ansichten verformen konnte. Dieser Gabe unterlag auch Tim Cook, als er 1998 von der sicheren und auch gut bezahlten Position bei Compaq zu dem wirtschaftlich stark lädierten Apple wechselte und Steve Jobs zusagte. Mit dem iPod und auch dem iPhone gelang Apple wenig später ein kometenhafter Aufstieg. Tim Cook traf also die für ihn richtige Wahl und befindet sich jetzt an der Spitze des Milliarden-Dollar-Unternehmens.

Tim Cook: der rationale Manager

Der aktuelle Apple-Chef tauchte nach dem tragischen Tod von Steve Jobs nicht einfach so aus dem Nichts auf, sondern übernahm das wertvollste Unternehmen der Welt bereits als treibende Kraft. Bei Apple konnte Tim Cook zeigen, was er auf dem Kasten hat. Er widmete sich voll und ganz dem operativen Geschäft, wurde 2002 zum Executive Vice President of Worldwide Sales and Operations ernannt und half Apple unter anderem beim Einsparen immenser Kosten durch die Rationalisierung der Lieferkette und dem Einsparen von Lagerplatz.

Ganz nebenbei legte Tim Cook auch die Grundsteine für die berühmten Geniuses, in dem er viel Wert darauf legte, geschultes Personal unter anderem bei Best Buy zu positionieren. Einer der Meisterleistungen von Tim Cook war auch die Umstellung der kompletten Computerlinie auf Intel-Chips. Obwohl sich hier so manche Schwierigkeit ergab, hat das Team unter der Leitung von Cook einen reibungslosen Umstieg realisiert.

Steve Jobs wählte Tim Cook mit Bedacht aus, da ihm dessen Ruf als rationaler Manager weit voraus eilte. Zwischen den beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten entwickelte sich recht schnell eine Vertrauensbasis, die letzten Endes vor allem dem Unternehmen Apple zu Gute kam.

Tim Cook ist daher alles andere als eine große Unbekannte, dennoch herrschen immer wieder Zweifel im Hinblick auf den neuen Apple-Chef. Obwohl Tim Cook auch zu Lebzeiten von Steve Jobs schon zwei Mal Platz im Chefsessel nehmen konnte, ist die aktuelle Situation doch etwas anderes. Denn Steve Jobs wird niemals wieder zurückkehren.

Tim Cook und Jonny Ive könnten Jobs vertreten

Genau hier setzen auch die Zweifel einiger Experten und Branchenbeobachter an. „Tim Cook sei nur ein Manager, kein Anführer“ heißt es unter anderem. „Apple scheint nun innovationslos und als Massenproduzent zu verkommen“, so die Kritiker unter vorgehaltener Hand weiter. Ein ehemaliger Angestellter vertritt die Meinung, dass „der Höhepunkt des Unternehmens erreicht“ sei. Das sind harte Worte und auch Spekulationen, die Tim Cook nun widerlegen muss. Schließlich war Steve Jobs damals nicht auf der Suche nach einem zweiten Jobs, sondern nach einem Experten, der die eigenen Defizite kompensieren sollte.

Für die Visionen und bahnbrechenden Neuerungen war der iGod persönlich, der auch als der perfekte Konsument bezeichnet wird, einzig und allein zuständig. Der Verlust dieses Genies war eine der schmerzhaftesten Erfahrungen für Apple. Die ganze Technik-Welt trauerte um Jobs und bangt nun um Apple. Die neue Schlüsselfigur ist Jonathan Ive, Apples Chefdesigner. Jonny Ive, wie er von der Allgemeinheit gerufen wird, gilt als die Seele von Apple. Als er mit 26 Jahren 1992 bei Apple anheuerte, galt er als einer der wenigen, die die Philosophie des legendären Steve Jobs im Hinblick auf die Ultimate-Sophistication (Einfachheit der Produkte) teilte. Die Einheit aus Tim Cook und Jonny Ive könnte also durchaus als Steve Jobs Vertretung funktionieren.

Apple ist keine zwei Schritte mehr voraus

Auf Biegen und Brechen eine Kopie von Steve Jobs darstellen zu wollen, dürfte zum einen eine schier unlösbare Aufgabe darstellen und zum anderen pure Zeitverschwendung sein. Das iPhone ist seit einigen Monaten keine wirkliche Revolution mehr und muss sich gegen Konkurrenten wie dem technisch überlegenen Samsung Galaxy S3 behaupten. Das iPad, welches einst als Revolution des E-Book-Reader-Marktes galt und einen neuen Tablet-Markt schuf, ist ebenfalls umzingelt von Konkurrenz-Produkten. Apple befindet sich zum ersten Mal also in der besonderen Situation, der Konkurrenz auch effektiv Paroli bieten zu müssen.

Als Steve Jobs noch das Zepter in der Hand hielt, war der iPhone-Fertiger den Mitspielern aus der selben Liga stets die berühmten zwei Schritte voraus. Das hat sich nun geändert. Um weiterhin erfolgreich bestehen zu können, muss das Unternehmen in die Breite wachsen, sofern kein neuer Markt erschlossen werden kann. Mit Produkten wie dem iPad Mini scheint Tim Cook an diesem Trumpf anknüpfen zu wollen. Wenn die Revolutionen ausbleiben. Dann muss das vorhandene Potenzial zunächst fokussiert und optimal ausgeschöpft werden.

Ein Ausbau der Vertriebs- und Lieferantenketten wäre hier denkbar. Die Weiterentwicklung der iCloud könnte ebenfalls in Betracht gezogen werden, um die Geräte noch mehr zu vernetzten und die Nutzer entsprechend tiefer in den Bann zu ziehen. Der Markt für Billigsegmente vor allem in Schwellenländern wäre eine weitere Option für Apple. Mit der Einführung des iPhone 3GS als bezahlbares Einstiegsmodell in Indien hat Apple gezeigt, dass auch hier Potenzial schlummert. Apple kann also durchaus auch in Zukunft bestehen.

Cook ist unter Angestellten beliebter als Jobs

Die Zeiten, stets gegen den Strom zu schwimmen und die Konkurrenz zu provozieren, wie es Steve Jobs recht gut beherrschte, indem er beispielsweise Android zerstören wollte und bereit war, jeden Penny in Rechtsstreits zu investieren, sind ebenfalls vorbei. Tim Cook versucht auch hier einen neuen Weg einzuschlagen. Er ist alles andere als ein Verfechter von gerichtlichen Streitigkeiten, was auch die jüngsten Schlichtungsversuche mit Google beweisen. Mit HTC konnte man sich sogar auf ein Abkommen einigen und die Streitigkeiten gänzlich auf Eis legen.

Tim Cook war es auch, der das erste Mal Dividenden an die Apple-Aktionäre auszahlte und somit ein zweites Jobs No-Go brach. Der neue Apple-CEO ist keinesfalls ein großartiger Visionär, aber er ist ein Stück weit menschlicher als Jobs und räumt den Angestellten bisher unbekannte Freiheiten ein. Um mehr Abwechslung im Arbeitsalltag zu erfahren, dürfen sich ausgewählte Apple-Mitarbeiter zwei Wochen lang anderen Projekten widmen. Umfragen zufolge ist Tim Cook bei den Angestellten sogar beliebter als Steve Jobs.

Ist Cook zu „weich“?

Obwohl diese Veränderungen eigentlich recht positiver Natur sind, werden auch hier wieder einige Kritiken laut. Nun heißt es: „Cook ist zu weich“, um an das Apple-Maps-Desaster anzuknüpfen. Nachdem der Start der Apple-Karten recht holprig verlief, entschuldigte sich Cook bei der Öffentlichkeit. Wieder hieß es aus den Reihen: „Jobs hätte so etwas nie öffentlich zugegeben“. Den weichen Worten ließ Tim Cook aber auch harte Taten folgen, er kündigte iOS-Chef Scott Forstall und John Browett, der für die Apple-Retail-Stores zuständig war.

Obwohl diese Konsequenzen auch gewisse Rückschlüsse auf ein solides Durchgreifen der Unternehmensführung zulassen, geriet Cook hier erneut in die Kritik. Nun hieß es auf einmal, dass die Entlassung von Scot Forstall ein großer Fehler war und Apple deswegen schwere Zeiten bevor stehen. Es sieht also ganz danach aus, als suche man einfach nur Gründe, die ein Scheitern von Apple unter der Führung von Tim Cook rechtfertigen.

Tim Cook muss sich weiter behaupten

Es könnte also noch eine Weile dauern, bis Tim Cook wirklich von jedem Apple-Fan und -Experten ernst genommen wird. Bisher schreibt Apple weiterhin schwarze Zahlen im Milliarden-Bereich. Dennoch befindet sich der Konzern im Zugzwang, mit Samsung und Co mithalten zu müssen. Apple besitzt aber durchaus die Instrumente, mit Tim Cook neu zu wachsen. Das Gänsehautfeeling bei den berühmten Keynotes wird wohl weiter ausbleiben, dafür fehlt Cook ganz klar der Glanz der Marketing-Maschine Steve Jobs.

Trotzdem wird Apple weiter leben und voraussichtlich auch in Zukunft für solide Absatzzahlen sorgen. Eine weitere Delle wird Tim Cook kaum in das Technik-Universum schlagen können, allerdings weiß er mit Zahlen umzugehen und seine Stärken im operativen Geschäft effektiv einzusetzen. Tim Cook ist anders als Steve Jobs, keine Frage. Es liegt in seiner Hand, ein mit viel Leidenschaft aufgebautes Unternehmen weiterhin in der Liga der Big Player mitspielen zu lassen. Die Weichen sind jedenfalls gestellt.

Bilder: Apple