Unauffällig, fast unscheinbar. In jedem Fall unprätentiös. So nimmt man Stewart Butterfield wahr, wenn man ihm gegenübersitzt. Dabei hätte der drei-Tage-bebartete 42-Jährige im Jeanshemd allen Grund zu protzen: Nicht nur hat er einst den bekannten Bilderdienst Flickr gegründet und für 35 Millionen US-Dollar an Yahoo verkauft. Seine jüngste Schöpfung, die Team-Kommunikationsplattform Slack, wurde zuletzt mit stolzen 2,8 Milliarden Dollar bewertet.

Dabei lief bei Butterfield nicht immer alles rund. Seine erste Gründung, das Spiele-Startup Neverending Game, scheiterte – „spektakulär“, wie Butterfield selbst sagt. Gleiches gilt für ein zweites Spiele-Startup. Vielleicht erklären gerade die Misserfolge die auffällige Bodenständigkeit des gebürtigen Kanadiers. Butterfield ist sehr reflektiert hinsichtlich seines Werdegangs. Alles seien „eigentlich immer nur ganz rationale Entscheidungen“ gewesen, kommentiert er sein Erfolgsrezept, dass ihn zum Superstar im Silicon Valley gemacht hat.

Vom schlimmsten Tag in Butterfields Gründer-Leben und
warum er immer weiter machte
– unser Gespräch mit dem Slack-Gründer…

Gerade einmal eineinhalb Jahre ist Slack alt. Mit dem Kommunikationstool, das hauptsächlich auf Integration mit anderen Diensten wie Google Docs oder Dropbox setzt, scheint Butterfield einen Nerv getroffen zu haben. Denn Unternehmens-Messenger gibt es zuhauf. Und doch wächst Slack seit dem Start um mehrere Prozent – pro Woche. Auf 30 Millionen Umsatz hofft Butterfield für das laufende Jahr, mehr als eine Million Nutzer hat Slack derzeit nach eigenen Angaben. „Jeder Dienstag ist der beste Dienstag, den wir je hatten“, formuliert es der Vierfach-Gründer im Gespräch mit Gründerszene.

Ein Valley-Superlativ

Butterfields Slack stellt selbst für Valley-Verhältnisse einen Superlativ dar. In acht Monaten zum Unicorn, bereits gut zwei Monate nach dem Launch holte Slack 42 Millionen Dollar, was zu einer Bewertung von 250 Millionen Dollar führte. Heute hat das Jungunternehmen weit mehr als eine Million Kunden – gut ein Viertel davon zahlen – und rund 180 Mitarbeiter. Als es noch 100 Mitarbeiter waren, verbrauchte Slack gerade einmal 100.000 Dollar pro Monat. Neuere Zahlen gibt es nicht. Dass Slack ein riesiger Erfolg werden wird, darüber ist man sich im Silicon Valley einig. Und von Überbewertung will man nichts wissen, das wäre auch nicht im Sinne des Unternehmergeistes an der US-Westküste.

Obwohl Butterfield bescheiden wirken mag – bei Slack war er es nicht. Dass die Milliardenbewertung ein Ziel war, verriet er der New York Times. „Dann sind wir Teil einer Konversation über Startups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind.“ Bei manchen (möglichen) Kunden, sei das eine psychologische Schwelle, die gut über den Erfolg entscheiden könne. Und es helfe auch dabei, die richtigen Leute anziehen zu können.

Geldnöte wird Slack in absehbarer Zeit nicht haben. Bislang sind 340 Millionen Dollar in das Butterfield-Unternehmen geflossen. Der Gründer erklärt: „Es sind unglaublich gute Zeiten für Tech-Unternehmen, um Geld aufzunehmen. Warum sollte man das also nicht tun, wenn die Bedingungen stimmen?“ Das Kapital stammt von allem, was Rang und Namen hat: Andreessen Horowitz, Jury Milners DST Global, Google, Index Ventures, Accel Partners, Kleiner Perkins.

„Wir haben von dem Geld gerade mal ein paar Prozent ausgegeben“, erzählte Butterfield im Januar auf der DLD-Konferenz in München, das war noch vor der letzten Finanzierungsrunde. Ob die Summe nicht trotz allem unnötig hoch sei? „Damit sind wir unabhängig von der Entwicklung der Wirtschaft. Es müsste schon einiges passieren, damit Slack als Unternehmen bedroht würde.“

Wir sprachen mit Stewart Butterfield über sein Erfolgsrezept, seinen schlimmsten Tag als Gründer und darüber, ob er bei einer solchen Bewertung bald verkaufen will.

Hier geht’s weiter zum Interview…

Bild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von mathowie

Stewart, Du hast eine interessante Geschichte, die nicht sehr linear verlaufen ist.

Ich bin nicht sehr linear. Aber bei vielen sieht die Geschichte im Nachhinein unspektakulärer aus, als sie eigentlich ist.

Bei Dir ist das jedenfalls nicht der Fall. Wie sah Dein Einstieg ins Berufsleben aus?

Während der Uni hatte ich Webseiten erstellt als Nebenjob, eigentlich wollte ich nach dem MBA noch einen PhD machen. Alle meine Freunde zogen vor der Jahrtausendwende aber nach San Francisco und verdienten gutes Geld, also brach ich nach eineinhalb Jahren ab und nahm einen Job als Chefdesigner einer der größten Agenturen in meiner Heimatstadt Vancouver an.

Und wie bist Du zum Tech-Gründer geworden?

Zwei Wochen vor dem großen Crash im Jahr 2000 wurden mir 35.000 Dollar als Abfindung angeboten – also bin ich gegangen. Aber ich habe den Programmierer, der neben mir saß, überzeugt mit mir ein eigenes Unternehmen zu gründen. Noch im gleichen Jahr, Ende 2000, wurde das aufgekauft. Danach bin ich ins Consulting-Business gewechselt, bevor ich Ludicorp gründete und wir ein webbasiertes Massive-Mulitplayer-Spiel starteten. Das hat allerdings nicht hingehauen. Und dann kam Flickr.

Wie ist der Bilderdienst entstanden?

Es war 2002 – nach dem Crash, den Bilanzskandalen von Enron und Worldcom und den 9/11-Angriffen wollte niemand in Internet-Kram investieren. Wir hatten bereits einen funktionierenden Prototypen für ein neues Spiel, dem aber noch zirka ein bis eineinhalb Jahre zur Reife fehlten.

Also suchten wir nach etwas, das wir schneller fertig bekommen konnten. Etwas, das erfolgreich sein konnte und die Technologie benutzte, die wir bereits entwickelt hatten. Und das war Flickr. Vom Start der Entwicklung bis zum Launch vergingen nur einige Monate. Das Ganze hob ab und nach einer Weile verkauften wir dann an Yahoo.

Und danach?

Ich war über drei Jahre lang bei Yahoo und nahm danach etwas Zeit frei. Dann habe ich einige der ersten Flickr-Leute überzeugt, mit mir zusammen etwas Neues zu machen, wieder ein Spiel.

Warum bist Du nicht bei Yahoo geblieben?

Es war ein ziemlich frustrierender Ort zum Arbeiten. Eigentlich wollte ich schon früher gehen. Aber bei Yahoo wollte man nicht, dass das in der Presse auftaucht. Die letzten sechs Monate habe ich dann zwar ein Gehalt bekommen, aber nicht mehr gearbeitet.

Stimmt es, das Slack – wie auch Flickr – eigentlich ein „Nebenprodukt“ Eures Spiels war?

Das wird zwar immer wieder geschrieben, ist aber nicht richtig. Wir haben während der Entwicklung gemerkt, dass uns ein gutes Kommunikationstool sehr helfen würde. Zwei der Gründer wohnten in Vancouver, einer in San Francisco und einer in New York – und keiner wollte umziehen. Also haben wir erst einmal Internet Relay Chat (IRC) genutzt, eine Plattform die älter ist als das Internet, und immer weitere Funktionen hinzu programmiert. Irgendwann hat das richtig gut funktioniert und wir verbrachten immer mehr Zeit in der App und bauten immer mehr neue Funktionen. So enstand dann Slack.

Und das Spiel?

Das haben wir leider nicht hinbekommen. Aber wir sind auf eine sehr effiziente Art gescheitert (lacht).

Hast Du erwartet, dass Slack so schnell wachsen würde?

Nein. Nicht einmal in den privaten „Best-Case Szenarien“, die jeder Gründer für sich selbst ausmalt und die man mit niemandem teilt.

Und das zunächst ganz ohne Marketing.

Das stimmt, alles funktionierte per Mundpropaganda. Vor etwas mehr als einem halben Jahr haben wir dann erstmals jemanden für das Marketing eingestellt.

Als Dich vor unserem Gespräch jemand darauf angesprochen hat, Du sollst Slack nicht verkaufen, hast Du gesagt: Mache ich auch nicht. Warum?

Als wir Flickr verkauft haben, hatte ich nicht viel auf dem Konto. Damals war es wohl die richtige Entscheidung, auch weil es so lange keine größeren Internet-Erfolge gegeben hatte. Ja, wenn wir damals etwas länger gewartet hätten, hätten wir einen Arsch voll Geld mehr machen können. Heute ist die Lage anders: Wir haben eine riesige Menge Geld auf der Bank, das wir gar nicht benötigen und machen schon sehr gute Umsätze. Es gibt keinen Grund zu verkaufen.

Wofür würdest Du das Geld ausgeben?

Falls wir einen effizienten Weg finden, wollen wir das für Marketing ausgeben. Solange es einen messbaren Return on Investment gibt, können das dann auch zehn Millionen Dollar im Monat sein.

Was ist die Schlüsselkomponente von Slack, das Erfolgsrezept?

Rein von der Zahl her sind es die Programmierer. Aber natürlich ist das Design auch wahnsinnig wichtig. Beides gehört zusammen. Ich kann meine Finger aus beiden Bereichen nicht raus lassen.

Du hast Dich von Startup zu Startup „treiben“ lassen und aus der jeweiligen Situation Schlüsse gezogen. Was hast Du dabei gelernt?

Wie wichtig es ist, zu verstehen, wie sich Nutzer fühlen. Damit meine ich nicht die offensichtlichen Dinge wie Benutzerschnittstelle, Design oder Einfachheit – die sind sowieso unerlässlich. Sondern wie das, was Du als Gründer oder Unternehmer tust, Einfluss auf ihr Leben hat und wie man den Nutzen auf den Punkt bringen kann. Man glaubt ja gerne, die eigene Idee sei der Mittelpunkt der Welt. Aber der Nutzer hat ja ganz viele andere Sachen im Kopf und meistens wenig Zeit.

Was heißt das konkret für Slack?

Es ist nicht immer ganz einfach zu erklären, was genau Slack ist, welche Vorteile es bietet. Also haben wir uns sehr darauf konzentriert, das für den Nutzer so greifbar und verständlich zu machen wie möglich. Das ist unser Fokus.

Ein bisschen also auf der Schiene von Apple.

Richtig. Die Nutzer muss das Produkt nutzen wollen.

In Deinem beruflichen Leben hat nicht immer alles so gut funktioniert wie Slack. Wie bist Du mit Fehlschlägen umgegangen? Wie machst Du immer weiter?

Ich habe ja keine Wahl (lacht). Es gibt keine Alternative zum Weitermachen. Das ist vielleicht keine große Antwort. Aber es ist die Wahrheit.

Ist es das, was einen guten Gründer ausmacht?

Es ist ja nicht so, dass ich die Verantwortung nicht spüre, insbesondere für andere. Wir haben Investoren, deren Geld ich genommen habe. Und Mitarbeiter, die ich dazu überredet habe, für mein Unternehmen zu arbeiten. Die haben Familien und Kinder.

Was war Dein schlimmster Tag als Gründer?

Als wir das Neverending Game aufgegeben haben, mussten wir an einem Tag 38 Leute entlassen. Das war schlimm und eine brutale Erfahrung für mich. Bei der Verkündung musste ich heulen, im Rückblick war es dann okay. Zum Glück hatten wir noch genug Geld auf der Bank, damit wir niemanden direkt auf die Straße setzen mussten. Und wir haben ihnen mit Referenzen und Kontakten geholfen. Eine ganze Reihe arbeitet heute wieder bei Slack.

Also gehört die „Abwicklung“ mit zum Geschäft.

Meine Reputation bei den kommenden Projekten hängt ja auch davon ab. Sowohl bei den Investoren als auch bei guten und wichtigen Mitarbeitern. Keiner von denen kann in der Regel etwas dafür, dass es nicht geklappt hat.

Zum Schluss noch kurz: Welches Buch würdest Du jungen Gründern empfehlen?

Es gibt natürlich viele gute Bücher. Ein besonders empfehlenswertes ist „The Hard Thing About Hard Things“ von Ben Horowitz. Er hat schon viele interessante Essays geschrieben und hat viel interessantes zu sagen über Management, das Einstellen von Mitarbeitern oder Wachstum.

Stewart, vielen Dank für das Gespräch!

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