Musikerin
Unbekannte Musikerin auf der Straße in Philadelphia

Nein, zu Plattenfirmen wollten die Streamingplattformen sich eigentlich nicht entwickeln. Bei einem Besuch von Gründerszene bei Deezer in Paris wurden solche Ambitionen noch verneint. Doch der Konkurrenzkampf der Streamer wird immer härter. Besonders nach dem Markteintritt von Amazon und Apple. Das Musik-Repertoire unterscheidet sich nur noch in Nuancen. Alle greifen mehr oder weniger auf den selben Katalog zu. Also müssen andere Unterscheidungsmerkmale her, um Kunden zu gewinnen und zu halten. Persönliche Empfehlungen, eine eigene Redaktion oder eine besonders hohe Qualität des Streams zum Beispiel.

„Starthilfe auf dem Weg in eine große Karriere“

Deshalb entwickelt sich Deezer jetzt doch einen deutlichen Schritt in Richtung Plattenfirma. Mit dem Programm Deezer Next, das jetzt nach den USA und UK auch nach Deutschland kommt, werden insgesamt neun ausgewählte Künstler aus ganz Deutschland direkt und persönlich beim Aufbau ihrer Karrieren unterstützt und ihre Veröffentlichungen über das gesamte Jahr hinweg begleitet. Dabei hat die Plattform natürlich ein paar Mechanismen im Arsenal, die eingesetzt werden können, um eine Band oder einen Künstler zu pushen. Sie reichen von ausgewählten Platzierungen in beworbenen Playlists, Social-Media-Kampagnen, Online-Marketing bis hin zu verschiedensten Events mit den Künstlern. Deezer drückt es so aus: „Wir bieten Newcomern Starthilfe auf dem Weg in eine große Karriere.“ Das ist das, was bis jetzt die Plattenfirmen erledigen. 

Richard Wernicke, Head of Content & Editorial für die DACH-Region bei Deezer, erklärt den Hintergrund der Aktion: „Musik aus Deutschland erfährt seit Jahren einen Aufschwung. 17 Alben der Top 25 im Jahr 2016 waren deutschsprachig – auch internationale Künstler, die zunächst in Deutschland entdeckt wurden, werden immer erfolgreicher. Von diesem Trend profitieren neben etablierten Künstlern vor allem aufstrebende Talente, die die niedrigen Eintrittsbarrieren des Streaming-Markts für sich zu nutzen wissen. Hierbei helfen wir mit Deezer Next gerne.“ Das klingt selbstlos, kann aber unternehmerisch durchaus sinnvoll sein. 

Sero aus Berlin ist ausgewählt für den Karriere-Turbo

Musikstreaming ist mit über 23 Millionen Nutzern in Deutschland so beliebt wie nie zuvor. Das entspricht 44 Prozent aller Internetnutzer in Deutschland. Auch wirtschaftlich ist Musikstreaming mittlerweile eine relevante Größe: Laut dem Bundesverband der Musikindustrie wurden im Jahr 2016 insgesamt 385 Millionen Euro mit Aboservices und Streamingdiensten erwirtschaftet. Im Jahr zuvor waren es noch 223 Millionen Euro.

Ausgewählt für den Karriere-Turbo von Deezer wurde zum Beispiel Sero, ein Rapper aus Berlin-Schöneberg: „Ich feier‘ hart, dass so eine große Plattform auch jungen Künstlern wie mir die Möglichkeit dazu bietet, sich zu entfalten.” Zu Deezer Next gehören ebenso drei internationale Künstler, die bereits auf globaler Ebene an dem Programm partizipieren: Rag‘n’Bone Man, Maggie Rogers, eine amerikanische Singer/Songwriterin sowie Anne-Marie aus UK.

Plattenfirmen setzen heute auf das schnelle Geschäft

Das Geschäft, einen Künstler bekannt und erfolgreich zu machen, erfordert sehr viel Geduld und Anstrengung. Plattenfirmen setzen heutzutage auf das schnelle Geschäft mit bekannten Gesichtern aus dem Fernsehen, auf Musiker, die sich bereits eine relevante Gefolgschaft im Netz aufgebaut haben, oder altbekannte Acts. Eine Band von Null an aufzubauen, ist ihnen viel zu teuer. Das könnte also durchaus ein Geschäft für Streamingplattformen sein. Wenn Apple und Amazon anfangen, Musiker unter Vertrag zu nehmen, kann es für die Konkurrenz allerdings schnell eng werden.

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