GRANSEE, GERMANY - MAY 24: German Transport and Digital Technologies Minister Alexander Dobrindt speaks to the media following a meeting of the government cabinet at Schloss Meseberg palace on May 24, 2016 near Gransee, Germany. The government cabinet is meeting at Schloss Meseberg for a two-day retreat to principally discuss Germany's digital future. (Photo by Sean Gallup/Getty Images)
Verkehrsminister Alexander Dobrindt

Die Bundesregierung war in den vergangenen Jahren immer bemüht, ein Wir-ziehen-alle-an-einem-Strang-Bild abzugeben, wenn es um die Digitalisierung in Deutschland ging. So sollte es eigentlich auch am Mittwoch sein, als die drei Minister für Wirtschaft, Infrastruktur und Inneres in Berlin eine Bilanz ihrer Digitalen Agenda vorlegten. Doch dann fing Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) an zu reden. „Wir haben exzellent zusammengearbeitet“, beschwor der Minister noch das Zusammenspiel der drei Ministerien. Um dann hinterherzuschieben: „Ich plädiere dafür, dass wir uns dem Gedanken eines Digitalministeriums nähern.“

Der Vorstoß für eine große Koordinationsstelle für digitale Themen war nicht abgesprochen und irritierte den Rest des Trios. „Ich finde das falsch“, entgegnete Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Digitalisierung finde in jedem Ministerium statt. „Wenn wir einen darüber setzen, überfordert das jeden.“ Im Übrigen sollte diese Entscheidung der nächsten Koalition überlassen bleiben. Dieser Meinung ist auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU). „International seien die Erfahrungen sehr unterschiedlich“, sagte er.

Damit waren die Gegensätze auch schon am Ende. Insgesamt zieht die Bundesregierung eine positive Bilanz ihrer Digitalen Agenda. Zypries sprach von wichtigen Fortschritten bei der Digitalisierung des Wirtschaftsstandortes und verwies auf die Startup-Förderung, die europäischen Regelungen zur Netzneutralität und die Abschaffung der Roaminggebühren. Innenminister de Maizière pries sein IT-Sicherheitsgesetz, das Mindeststandards für Betreiber kritischer Infrastrukturen, darunter Strom- und Telekommunikationsanbieter, vorsieht.

Infrastrukturminister Dobrindt lobte den Breitbandausbau, für den er zuständig ist. Das Breitbandziel der Bundesregierung sieht vor, bis Ende des kommenden Jahres jeden Haushalt in Deutschland mit einem Internetanschluss von mindestens 50 Megabit versorgen zu können. Die Unternehmen hätten allein 2015 und 2016 jeweils acht Milliarden Euro in den Ausbau schneller Datenleitungen investiert. 

„Höchste Dynamik in Europa“

Dobrindt verwies darauf, dass 75 Prozent aller Haushalte über schnelles Internet verfügten. Mit einem Fördervolumen von vier Milliarden Euro sollten auch die übrigen, ländlichen Gebiete bis Ende 2018 angeschlossen werden.

„Wir haben die höchste Dynamik in Europa“, sagte Dobrindt. Er schränkte dann aber ein: „Das soll nicht heißen, dass wir die besten Netze haben.“ Der Nachholbedarf sei groß gewesen. Außerdem habe die Bundesregierung das Straßenverkehrsgesetz modernisiert und fit für das automatisierte Fahren gemacht. Auf einem Autobahnabschnitt der A9 sei dafür ein Testfeld aufgebaut worden, das es in dieser Art weltweit kein zweites Mal gebe. 

Der Digitalverband Bitkom bezeichnete die Digitale Agenda als „Erfolgsmodell“. Nur bei vier Prozent der ursprünglich 121 Einzelmaßnahmen habe sich noch gar nichts getan, dazu zählten aber eher Randgebiete wie die Digitalisierung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes oder eine Digitalstrategie der Bundeszentrale für politische Bildung und der Ausbau einer digitalen Infrastruktur zur politischen Bildung.

Fortschritte hingegen habe es in vielen anderen Bereichen gegeben, darunter auch die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung. Die Störerhaftung führte dazu, dass Internet-Hotspots im öffentlichen Raum nicht angeboten wurden, weil die Betreiber Rechtsverfolgung befürchteten, wenn ein Nutzer illegale Inhalte über die Zugänge konsumierte.

Kein Ruhmesblatt für Deutschland

Allerdings dürfte sich Deutschland nicht auf dem bislang Erreichten ausruhen, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Die Wahlen dürften nicht zum Bremsklotz für die digitale Transformation werden. „Die nächste Digitale Agenda muss ein Programm für ganz Deutschland entwerfen und die digitalen Flickenteppiche zusammenweben.“ Verbesserungspotenzial sieht Rohleder bei der Digitalisierung der Verwaltung, der Modernisierung des Bildungswesens oder der digitalen Transformation der Wirtschaft. „Hier müssen wir schneller und besser vorankommen.“

Dass die digitale Verwaltung kein Ruhmesblatt für Deutschland sei, gab auch Innenminister de Maizière zu. Er verteidigte aber den elektronischen Personalausweis als Voraussetzung für Fortschritte im E-Government. „Nur die Anwendungen sind noch zu schlecht“, sagte de Maizière. Der elektronische Personalausweis soll Vorgänge bei Behörden erleichtern. Ziel sei es, in fünf Jahren ein Portal zu entwickeln, über das der Bürger alles abwickeln könne.

Kritik an der digitalen Regierungsarbeit übte auch die Opposition. Die Bilanz beim Breitbandausbau in Deutschland sei verheerend, sagte die Grünen-Internetexpertin Tabea Rößner. Das Breitbandziel werde verfehlt, Fördergelder würden verschwendet, man setze mit den Kupferleitungen der Deutschen Telekom auf die falsche Technologie. „Deutschland liegt beim Glasfaserausbau im internationalen Vergleich weit abgeschlagen“, sagte Rößner.

Tatsächlich spricht auch die Bundesregierung inzwischen von einem Etappenziel, wenn es um die Breitbandziele geht. „Wir müssen nun die Netze für die Gigabitgesellschaft bereitstellen“, sagte Infrastrukturminister Dobrindt in Berlin. Ziel sei, bis 2023 gemeinsam mit der Wirtschaft 100 Milliarden Euro in den Netzausbau zu investieren.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Getty Images / Sean Gallup