BRIESELANG, GERMANY - NOVEMBER 17: A worker fills inventory among shelves lined with goods at an Amazon warehouse on November 17, 2015 in Brieselang, Germany. Germany is online retailer Amazon's second largest market after the USA. Amazon is currently in a standoff with several book publishers over sales conditions and prices for e-books, and hundreds of authors in the US and Europe have written letters in support of the publishers. (Photo by Carsten Koall/Getty Images)

Der Boom des Einkaufens per Internet ist ungebrochen, aber nur die wenigsten Händler profitieren davon. Während Branchengrößen wie Amazon, Otto oder Zalando den Rahm des Wachstums abschöpfen und auch viele Firmen aus der zweiten Liga erstaunliche Erfolgsstorys hinlegen, wird es für die große Masse der kleinen E-Commerce-Firmen immer schwieriger, auf der Online-Woge mitzusurfen.

Das zeigt eine Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI über die 1.000 größten Online-Häuser Deutschlands – die am unteren Ende der Skala ziemlich klein sind. „Rechnet man die Umsatzerlöse der Unternehmen auf den Plätzen 500 bis 1.000 zusammen, so zeigt sich, dass sie einen Rückgang hinnehmen mussten“, sagte Studienautor Christoph Langenberg der Welt: „Das Minus war zwar nur geringfügig, aber es ist erstmals zu einer Senkung für eine Gruppe gekommen.“

Die Masse der kleinen Online-Händler teilt damit nun das Schicksal, das die meisten Ladeninhaber in den Städten und auf der grünen Wiese seit Jahren kennen: Ihr Geschäft tritt auf der Stelle. Das vom Handelsverband HDE ermittelte Umsatzplus im E-Commerce von elf Prozent auf 44 Milliarden Euro im vergangenen Jahr landet ausschließlich im Oberhaus der Branche. „Für die kleinen Onlineshops wird es immer schwieriger, eine Marktnische zu finden“, resümiert Langenberg.

Flaut die Faszination des digitalen Einkaufens ab?

Wie stark die Konzentration inzwischen bereits fortgeschritten ist, zeigt auch der folgende Größenvergleich aus der neuen EHI-Studie: Die 100 größten E-Commerce-Unternehmen in Deutschland machen danach mit 24,4 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel Umsatz wie die 900 folgenden zusammen. Allein die größten drei Unternehmen Amazon (7,8 Milliarden Euro), Otto.de (2,3 Milliarden) und Zalando (eine Milliarde) lenken zusammen mehr als elf Milliarden Euro in ihre Kassen – fast ein Drittel aller Gesamterlöse der Top 1.000 von rund 35,5 Milliarden Euro.

In einigen Produktbereichen beobachten Experten zudem erste Anzeichen dafür, dass die Faszination des digitalen Einkaufens bei den Kunden abzuflauen beginnt, so beim Online-Klassiker schlechthin, dem Bücherkauf. Nach ihrer Vorliebe für den besten Einkaufsweg befragt, setzten gut 64 Prozent in einer Umfrage des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel den Online-Kauf auf den Spitzenplatz ihrer Beliebtheitsskala. Im Vorjahr hatten freilich noch mehr als 67 Prozent so geantwortet. Noch etwas stärker war der Rückgang im Bereich Tonträger und Unterhaltungselektronik.

Trotz der wachsenden Widrigkeiten schaffen immer wieder Unternehmen den Aufstieg in die erste Online-Liga – häufig allerdings Töchter etablierter Großkonzerne. Im vergangenen Jahr etwa rückten die beiden Online-Ableger der Schwesterfirmen Media-Markt und Saturn jeweils um mehr als zehn Plätze nach vorn. Media-Markt.de erreicht mit knapp 220 Millionen Euro jetzt Rang 18, Saturn.de Platz 33 mit knapp 144 Millionen Euro.

Lebensmittel kaufen Deutsche derzeit selten online

Die Hamburger Otto Group eifert mit der Modetochter About You dem Vorbild Zalando nach – mit weitem Abstand, aber bei hohem Tempo. Anderthalb Jahre nach Start erreicht About You Platz 70 des EHI-Rankings. „In den vergangenen Jahren drängten mehr große und bekannte Klassiker des deutschen Einzelhandels in den E-Commerce“, lautet denn auch das Fazit von Langenberg. Mit ihrer geballten Finanzkraft und Branchenkenntnis können sie offenbar noch auskömmliche Marktpositionen erreichen, wenn das Geschäftskonzept stimmt.

Mit dem Weinlieferanten Hawesko und HelloFresh seien zum ersten Mal auch Unternehmen aus dem Bereich Lebensmittelhandel im weiteren Sinne unter den 100 größten Onlineshops Deutschlands zu finden, sagte Langenberg. Beide könnten Vorboten für das nächste große Thema werden. „Wenn sich der Lebensmittelhandel im E-Commerce etabliert, wird dies das Gefüge ordentlich durcheinanderrütteln“, prognostiziert der EHI-Experte.

Lebensmittel zählen zu den Produktgruppen, die fast alle Deutschen derzeit noch lieber im Supermarkt oder beim Discounter kaufen statt übers Internet. Zudem ist die Lieferkette bei frischen Lebensmitteln wegen der Notwendigkeit, sie kühl oder eingefroren zu halten, besonders aufwendig. Der Markt könnte aber, wie jetzt schon beispielsweise in Großbritannien und Teilen der USA, massiv in Gang kommen, wenn Konzerne wie Amazon oder Rewe ihre laufenden Tests und Gehversuche in funktionierende Geschäftsmodelle überführen.

Dieser Text erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Getty Images / Carsten Koall