Sechs Jahre nach der Gründung machte Sarah Kauss bereits 100 Millionen Dollar Umsatz

Oma wusste es mal wieder vor uns: Isolierkannen oder Thermosflaschen sind eine praktische Sache. Weltweit liegen sie in Picknickkörben und auf Esstischen bereits seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts herum. Und erfüllen dort einen einfachen Zweck: Sie halten Kaffee und Brühe über mehrere Stunden warm und Eiswasser kalt. Dabei verhindert ein Vakuum zwischen Außenwand und Flascheninnerem einen Wärmeaustausch mit der Umgebung.

So einfach sie auch sein mögen: Aus Sarah Kauss, einer einst unauffälligen US-Amerikanerin, haben Thermosflaschen eine vermögende und erfolgreiche Unternehmerin gemacht. Auch wenn sie das Funktionsprinzip dahinter nicht neu erfunden hat. 2010, mit 35 Jahren, verpasste Kauss der isolierenden Flasche schlicht ein neues Design. Gegenüber NGIN Food beschreibt die Gründerin, dass sie ein Trip entlang des Amazonas dazu inspiriert habe. Im Wasser des Flusses sei damals überall Plastik herumgetrieben. Und weil sie aus ihrer teuren Handtasche keine Trinkflasche herausziehen wollte, die aussah wie ein „Wander-Accessoire“, entschied sich Kauss für ein Umstyling. Wiederverwendbare Flaschen sollten wieder in Mode kommen.

Starbucks gibt Rückenwind

Nach einem MBA in Harvard und einer kurzen Karriere im Immobilienwesen steckte die studierte Rechnungsprüferin 30.000 US-Dollar Erspartes und mehre Monate Arbeitszeit in einen Prototypen ihrer Plastikflaschen-Alternative. Ihrem Modell gab Kauss ein schlankes Äußeres und die Farbe ozeanblau. Die Redaktion des Oprah Magazines war davon so begeistert, dass sie gleich mehrere Flaschen anforderte.

Von da an ging es für Kauss und ihr damals noch junges Label S’well steil nach oben. Erst waren ihre Trinkflaschen nur bei einigen kleinen, unabhängigen Einzelhändlern zu finden. Doch dann wurde Starbucks auf S’well aufmerksam und begann – wohl auch als ein Zugeständnis an die Einwegbecher-Kritiker – die „Bottles“ in seinen Filialen zu verkaufen. Durch die Kooperation mit der Kaffeekette schwappte die S’well-Welle langsam auch nach Deutschland über.

Trinken aus Stilobjekten

Heute sind die dreiwandigen Edelstahlflaschen in über 200 Designs und mehr als 65 Ländern zu haben, das Unternehmen mit Hauptsitz in New York City beschäftigt Kauss zufolge 115 Mitarbeiter weltweit. Vier Millionen Flaschen verkaufte das Unternehmen in den ersten fünf Jahren. 2016, sechs Jahre nach der Gründung, machte S’well bereits 100 Millionen Dollar Umsatz. Zu vergleichbaren Zahlen für das noch laufende Jahr möchte Kauss, inzwischen 42, gegenüber NGIN Food keine Angaben machen.

Mit immer neuen Aufmachungen und limitierten Auflagen versucht das Unternehmen jedenfalls sicher zu stellen, dass es nicht bei einer Flasche pro Kunde bleibt. S’well arbeitet etwa mit wechselnden Designern und Künstlern zusammen, darunter bisher Anna Sui oder die Marke Lilly Pulitzer. Die Flaschen gelten als besonders formschön, werden beispielsweise im Shop des New Yorker Guggenheim Museums sowie dem Design Store des New Yorker Museum of Modern Art verkauft.

So hat S’well sein Produkt auch zum Sammlerstück stilisiert. Im Schnitt besitze jeder Kunde 5,5 Flaschen, heißt es von Kauss. Nicht gerade wenig für ein Unternehmen, das von sich selbst sagt, Ressourcen einsparen zu wollen. Eine ganze Palette an S’well-Flaschen mag zwar immer noch eine bessere Umweltbilanz haben als der tägliche Konsum mehrerer Plastikflaschen. Ganz konsequent ist das Vorgehen des Unternehmens damit aber nicht. Immerhin: S’well gibt an, das Kinderhilfswerk Unicef seit 2015 mit 800.000 Dollar Spendengeldern unterstützt zu haben. Auch andere Initiativen wie die gemeinnützige Umweltorganisation American Forests würden gefördert, heißt es.

Lifestyle-Marke mit Nachahmern

Die Lifestyle-Aura, die Kauss um ihre Flaschen geschaffen hat, passt perfekt in die schöne Instagram-Welt. Dort werden die Flaschen immer wieder von gutaussehenden Influencern in Szene gesetzt. Zwischen 25 und 45 Dollar kostet eine S’well Bottle in den USA je nach Größe und Modell, hierzulande sind es 40 bis 50 Euro. Eine etwas günstigere Produktlinie mit dem Namen S’ip by S’well gibt es seit 2016 beim US-Einzelhändler Target. Längst haben es zudem allein bei Amazon etliche No-Name-Kopien ins Sortiment geschafft.

Neben Instagram-Sternchen und Fitnessfreaks fahren auch Techies auf die Flaschen ab: Die Macher der TED-Konferenzen nutzten die Flasche beispielsweise als Werbegeschenk. Firmen wie Google und Apple sollen in der Vergangenheit bereits gebrandete Versionen der Flasche bestellt haben – etwa, als S’well dem iPhone zuvorkam und vor Apple eine Flasche in roségold herausbrachte.

Forbes zählt Kauss zu einer der erfolgreichsten Self-Made-Gründerinnen der USA und schätzt ihr Vermögen auf 180 Millionen US-Dollar. Bestätigen will Kauss diese Zahl aber nicht.

In Deutschland ist die Gründerlandschaft eine von Männern dominierte Domäne. Nur wenige richtig erfolgreiche Startups werden von Frauen geleitet. Kauss ist ein Beispiel dafür, dass das in den USA etwas anders ist. Bis beide Geschlechter hier gleich auf seien, sei es aber „immer noch ein weiter Weg“, gibt Kauss an.

Ohne externes Geld gewachsen

Bemerkenswert: Kauss hat nie Investoren in ihr Unternehmen gelassen. Nach wie vor gehören ihr 100 Prozent der Anteile. Warum? „Ich wollte mich wirklich darauf konzentrieren, eine Marke aufzubauen, nicht nur darauf, Geld zu machen. Außerdem wollte ich mich gegenüber anderen nicht rechtfertigen müssen“, sagt Kauss auf Nachfrage. Die Entscheidung, finanziell eigenständig zu bleiben, habe ihr erlaubt, den richtigen Partnern zuzusagen und andere abzulehnen. So habe das Unternehmen mehr Risiken eingehen können – ohne dabei viel aufs Spiel setzen zu müssen. Auch wenn die Firma so langsamer gewachsen sei, sei sie dadurch zu dem geworden, was sich Kauss vorgestellt hatte, so die Gründerin. Den zukünftigen Einstieg von Geldgebern schließt sie aber nicht aus: „Wir sind immer offen für Gespräche“, sagt sie.

Aus technischer Sicht unterscheiden sich die S’well-Produkte übrigens nicht von Omas Thermosflasche. Kauss sieht das Alleinstellungsmerkmal in der Mischung aus Design und gemeinnützigem Einsatz des Unternehmens. Anderen Gründerinnen und Gründern rät sie, „einfach mal“ zu machen: „Wenn du eine Idee hast, schau dir die Risiken an und leg los. Du willst später nicht auf deine Karriere zurückblicken und dich fragen: ‚Was wäre wenn?‘. Tu es. Dann wirst du es erfahren.“ In Kauss’ Worten klingt das ganz leicht. Auch wenn es in der Praxis sicher etwas komplizierter ist – vielleicht ist der Ansatz kein schlechter. Zumindest bei ihr ist das Rezept ja offenbar aufgegangen.

Bild: S’well Bottle