Im August 2010 attestierte Gründerszene-Chefredaktur Joel Kaczmarek fünf deutschen Startups mangelnde Zukunftsfähigkeit und prognostizierte, dass keines der Unternehmen das Jahr 2015 erreichen würde (laut Maya-Kalender erreichen übrigens alle fünf nicht einmal das Jahr 2013). Die damalige Annahme: Swoopo (www.swoopo.de) dürfte Probleme mit seinem Geschäftsmodell bekommen, StudiVZ (www.studivz.net) könnte von seinem mangelndem Innovationsgrad eingeholt werden, Xing (www.xing.com) hat es mit überlegener internationaler Konkurrenz zu tun, Brands4Friends (www.brands4friends.de) trifft auf einen begrenzten Markt und Jamba a.k.a. Fox Mobile (www.jamba.de) weist ein eher mangelhaftes Geschäftsmodell auf. Auch diesmal freut sich Gründerszene wieder auf heiße Diskussionen im Kommentarbereich.

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1. Swoopo

Stand 08/2010: Swoopo gilt als Auslöser des Penny-Auction-Booms und ist damit eines der wenigen innovativen Startups in Deutschland. Während dies Investoren freut, verschreckt Nutzer das Abzock-Geschäftsmodell der Münchener. In Foren und Blogs fallen dutzende Negativkommentare und Begriffe wie „Abzocke“, „Betrug“ oder „Glücksspiel“.

Stand 01/2012: Swoopo ist nicht mehr. Bereits im März 2011 musste der Entertainment-Shoppingdienst einen Insolvenzantrag stellen. Davor prasselten massenhaft Negativmeldungen: Stellenabbau, Probleme in der Geschäftsführung und Rückzug vom Expansionsvorhaben. Mittlerweile steht auch der Domainname swoopo.de zum Verkauf. Nur, wer würde eine derart mit Altlasten bestückte Domain wohl kaufen wollen?


Laut der Alexa (www.alexa.com)-Reach-Werte (Anmerkung der Redaktion: Die Reichweitenwerte von Alexa spiegeln nicht den kompletten Zustand eines Unternehmens wieder, zeigen aber einen klaren Trend auf) hatte Swoopo bereits seit Beginn 2010 mit kontinuierlich schwindendem Interesse zu kämpfen. Ironischerweise brachte Swoopo die Insolvenzmeldung im März 2011 mehr Reichweite ein, als das zuvor erreichte Jahreshoch 2010. Nach diesem unbeabsichtigtem Hoch verschwand Swoopo in der Bedeutungslosigkeit.

Fazit: Die Wahrscheinlichkeit, dass Swoopo wie ein Phönix aus der Asche wiederaufersteht, stehen momentan genau wie dessen Reichweite bei ungefähr Null Prozent. 2015 wird es kein Swoopo geben.

2. StudiVZ

Stand 08/2010: StudiVZ (www.studivz.net) scheut vor wirklichen Innovationen zurück. Die Gründe hierfür sind der Käufer Holtzbrinck, welcher mit dem 85-Millionen-Kauf stark in der Kritik stand und zur Schadensbegrenzung von weiteren Experimenten absieht, und der Verschleiß an Führungskräften. Immer mehr Nutzer wandern zum US-Konkurrenten Facebook ab.

Stand 01/2012: StudiVZ blieb lange Zeit weiter passiv. Während Holtzbrinck im Juli 2011 ergebnislos versuchte sein Sorgenkind zu verkaufen, warb der ehemalige StudiVZ-CEO Markus Berger-de Léon von MyHammer (www.my-hammer.de) im August weiteres StudiVZ-Personal ab. Zuvor gingen bereits Sales-Chef Sven Bagemihl und der Finanz-Verantwortliche Thomas Baum. Einen Monat später präsentierte das Netzwerk seinen lang geplanten Relaunch der Öffentlichkeit. Auch wenn die Technik auf den Marktstandard gebracht und der Nutzer in den Vordergrund gestellt wurde, waren wirkliche Innovationen Mangelware. Zwei Wochen später verließ CEO Clemens Riedl das sinkende Schiff und übergab das Steuer an Stefanie Waehlert, um „unternehmerisch tätig zu sein“.


Die Alexa-Reach-Werte der letzten zwei Jahre lassen selbst Optimisten verzweifeln. Allein innerhalb der letzten drei Monate verlor das ehemalige deutsche Vorzeigenetzwerk 36,3 Prozent an Reichweite (die selbe Kurve findet sich übrigens auch bei SchuelerVZ und MeinVZ wieder). Sollte dieser Abwärtstrend weiter anhalten, wird StudiVZ innerhalb der nächsten sechs Monate alle Reichweite verlieren.


Dass StudiVZ auch international seinem großen Vorbild Facebook um Welten (Faktor 100) hinterherhinkt, verdeutlicht diese Grafik eindrucksvoll. Ebenfalls interessant: Auch Facebooks Reichweitenwerte stagnieren zur Zeit. Der gerade vollzogene Börsengang bekommt dadurch einen bitteren Beigeschmack.

Fazit: Für StudiVZ sieht die Zukunft nicht gerade rosig aus. Wenn nicht noch ein Wunder passiert, wird es das soziale Netzwerk 2015 nicht mehr geben.

3. Xing

Stand 08/2010: Xing konnte dank vorbildlicher Usability schnell eine kritische Masse gewinnen und diese zum Zahlen bringen. Während das gleichzeitig mit Xing gestartete Business-Netzwerk LinkedIn (www.linkedin.com) international stark wächst, konzentrieren sich die Hamburger vorranging auf den deutschsprachigen Markt und wagten zaghafte Vorstöße nach Asien und Europa. Xings früher Börsengang und die damit einhergehende Bürokratie und Rechenschaftspflicht hemmt das einst schnelle Wachstum.

Stand 01/2012: Kaum ein Monat ohne Neuigkeiten aus dem Hause Xing. Im Dezember 2010 kaufte das Netzwerk den Online-Ticketing-Anbieter Amiando (www.amiando.com) zum Gesamtpreis von 10,35 Millionen Euro. Im folgenden Februar gab Xing seine Kooperation mit der Bewertungsplattform Kununu (www.kununu.com) bekannt (eine weitere Kooperation folgte im August mit Kimeta), während es im Mai weniger Gutes zu berichten gab: Der App-Marktplatz wurde aufgrund mangelnden Interesses geschlossen. Im gleichen Monat sank der Aktienkurs um 6,5 Prozent, nachdem Xings gerade vollzogener Relaunch auf weniger positive Nutzerresonanz stieß als erhofft.

Wenig später ließ der Xing-Chef Stefan Groß-Salbeck die Medien über den ungeschickt gewählten Verkaufszeitpunkt der Mehrheit seiner Xing-Aktien rätseln. Eine weitere Hiobsbotschaft im August 2011: LinkedIn eröffnte sein erstes Büro in Deutschland. Aufatmen im September: Die Deutsche Börse nahm Xing in den TecDax auf. Jubel im November: Die veröffentlichten Geschäftszahlen mit Umsatz- sowie Nutzerzahlensteigerungen von ungefähr 20 Prozent zum Vorjahreswert. Im Dezember kündigte Xing die längst überfällige API an und sprach von einer Aufstockung seiner Mitarbeiter um 100 Arbeitsplätze im Jahr 2012.


Xings Reach-Werte sind über die letzten zwei Jahre hinweg zumeist auffällig unauffällig. Zwar sinken die Werte im Jahr 2011 von Quartal zu Quartal leicht, allerdings um zu wenige Prozentpunkte, als dass hier momentan ein klarer Abwärtstrend auszumachen wäre.

Xings stärkster Konkurrent LinkedIn hingegen kann sich seit Monaten über eine kontinuierlich steigende Reichweite freuen. Eine auffällige Gemeinsamkeit ist der ähnliche Kurvenverlauf beider Business-Netzwerke im Jahre 2010, aus dem LinkedIn allerdings, im Gegensatz zu Xing, mit einem anhaltenden Wachstum herausgeht.

Fazit: Quo vadis Xing? Momentan ist Xing im deutschsprachigen Raum zwar Marktführer, aber mit LinkedIns Deutschland-Eintritt im August vergangenen Jahres sollten sich die Hamburger auf einen harten Wettbewerb einstellen. 2015 wird es Xing wohl dennoch geben. Dann vielleicht allerdings im Besitz von LinkedIn?

4. Brands4Friends

Stand 08/2010: Brands4Friends wächst vor allem durch seine Kooperation mit StudiVZ und Newsletter rasant und beschäftigt innterhalb kürzester Zeit bereits über 200 Mitarbeiter. Im Juli 2010 verkündet der Konkurrenz-Shoppingclub Vente-Privée (vente-privee.com) nach einer Wachstumsschwäche von Brands4Friends die deutsche Marktführerschaft und kurz darauf klonen auch Oliver Jung und Klaus Hommels das Geschäftsmodell mit Brands Alliance international. In Deutschland scheint das Wachstum der Berliner ausgereizt.

Stand 01/2012: Der August 2010 endete für Brands4Friends nicht gerade rosig: Missmanagement in der Buchhaltung und damit verbunden millionenschwere Zahlungsverschiebungen für Lieferanten. Als Reaktion musste der Berliner Shoppingclub eine Zwischenfinanzierung einlegen. Im September wurde dann bestätigt, was in Szenekreisen bereits kursierte: Die Brands4Friends-Gründer Constantin Bisanz und Christian Heitmeyer dürfen die Gesellschaft nicht mehr alleine vertreten und Sergio Dias, der bereits seit ungefähr einem Jahr an Bord ist, übernimmt die Führung. Der Oktober meinte es ebenfalls nicht gut mit Brands4Friends, nachdem bekannt wurde, dass Amazon den deutschen Konkurrenten BuyVIP für 70 Millionen Euro übernahm. Um der Negativwelle entgegenzuwirken, veröffentlichte der Shoppingclub Ende Oktober seine neue Management- und Produkt-Strategie. Hierbei sollte sowohl das Produktangebot erweitert, das Marketing verfeinert, der Bereich Operations mit Logistikdienstleister Fiege abgesichert und ein Top-Kunden-Programm eingeführt werden. Der Dezember 2010 hielt dann die Nachricht des Jahres bereit: Ebay kaufte Brands4Friends für 150 Millionen Euro. Mit dem Inhaberwechsel kam es auch zum Führungswechsel. Im März 2011 trat der wenige Monate zuvor ernannte CEO Sergio Dias für Stephan Zoll ab, der damit nun mit der Geschäftsführung von Ebay Deutschland und Brands4Friends eine Doppelfunktion inne hatte.


Brands4Friends‘ Reach-Werte 2010 zeigen sich aller Negativmeldungen in diesem Jahr zum Trotz unbeeindruckt konstant. Auffallend ist der Abwärtstrend, der sich seit Anfang 2011 vollzieht – also genau zu dem Zeitpunkt, als Ebay und Stephan Zoll Brands4Friends übernahmen.


Im nationalen Vergleich mit etwa Dress For Less (dress-for-less.de), BuyVIP (buyvip.com) und der Zalando Lounge (zalando-lounge.de) zeigt sich auf Anhieb kein klarer Gewinner. Während sich Brands4Friends, Dress For Less und Zalando Lounge auf einen gleichen Wert einzupegeln scheinen, ist einzig beim von Amazon übernommenen BuyVIP ein kleiner Reichweitenvorsprung auszumachen (wobei allerdings auch nur 16 Prozent des BuyVIP-Traffics aus Deutschland stammen).


Da Brands4Friends als Klon des Shoppingclubs Vente Privée startete, lohnt sich auch ein Vergleich der Reach-Werte zu seinem französischem Konkurrenten. Die Zahlen zeigen deutlich, dass der Berliner Shoppingclub dem internationalen Vergleich momentan nicht gewachsen ist.

Fazit: Es bleibt ungewiss, was die Zukunft für Brands4Friends bereithält. Das Unternehmen wurde in der Vergangenheit von Negativmeldungen überhäuft, scheint sich momentan aber gefangen zu haben. Inwieweit der Trend des Reichweitenrückgangs nach der Ebay-Übernahme anhält, bleibt abzuwarten.

5. Jamba aka. Fox Mobile

Stand 08/2010: Bereits 2000 gegründet, machte das von den Samwer-Brüdern in Kooperation mit Metro und Debitel gegründete Unternehmen (2008 nach Übernahme von News Corporation in Fox Mobile umbenannt) vor allem mit seinem Negativimage, ausgelöst durch seine Klingelton-Abzockmodelle, auf sich aufmerksam. Wie im April 2010 bekannt wurde, musste sich das extrem schnell gewachsene Unternehmen bereits Ende 2009 aufgrund von Umsatzeinbußen von bis zu 33 Prozent der Belegschaft verabschieden. News Corporation versuchte bereits seit Anfang 2010 seine Tochtergesellschaft zu verkaufen.

Stand 01/2012: Im Dezember 2010 fand die News Corporation in dem Investor Jesta Group einen Käufer für Fox Mobile. Aber alleine beim Betrachten der heutigen Webseite von Jamba scheint sich über die Monate nicht viel getan zu haben. Der ehemalige Marktführer für mobile Inhalte bietet immernoch Klingeltöne, Handylogos und mittlerweile vereinzelt auch Apps an. Insgesamt scheint Jamba aber den Trend Mobile verschlafen zu haben.


Auch wenn Jamba sicherlich nur einen Teil seiner Verkäufe direkt über seine Webseite abwickeln wird, lässt sich an den Alexa-Reach-Werten dennoch ein Trend ablesen. Und der ist für 2011 nicht gerade positiv. Während Jamba 2010 Durststrecken immer wieder mit einer erhöhten Reichweitenspitze ausgleichen konnte, scheint dies in 2011 nicht zu glücken. In der zweiten Jahreshälfte halbierte sich die Reichweite sogar innerhalb weniger Monate, bis sie zum Jahresende stagnierte.

Fazit: So oft wie Jamba schon totgesagt wurde, hätte es nicht einmal 2012 erleben dürfen. Der starke Fokus auf Klingeltönen, das Verschlafen des derzeitigen Mobile-Trends und sein Abzock-Image könnten Jamba allerdings alle Vorfreude auf 2015 nehmen.