Unsere Redakteurin hat das Copenhagen Wheel in Berlin getestet

Bisher habe ich Elektroräder und Pedelecs boykottiert: zu klobig, zu schwer, zu uncool – und in einer überwiegend flachen Stadt wie Berlin ohnehin unnötig, dachte ich. Die Erfindung eines Startups aus den USA hat mich allerdings neugierig gemacht. Mit dem Copenhagen Wheel soll sich jedes normale Rad mit einem Elektromotor ausstatten lassen. Dafür wird das Hinterrad durch eine am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Erfindung ersetzt. Eine weitere Besonderheit: Per Bluetooth lässt sich das Rad mit dem eigenen Smartphone vernetzen und darüber steuern und personalisieren.
NGIN Mobility hat das Copenhagen Wheel in Berlin getestet. Dafür haben wir ein knallrotes Singlespeed gestellt bekommen, ausgestattet mit dem smarten Hinterrad. Elektromotor und Batterie sind hinter einer roten Nabe versteckt.

Turbo, Standard oder Eco

Das Versprechen des Herstellers: Das Rad soll mich nicht nur einfach elektrisch unterstützen. Sondern ich kann zwischen verschiedenen Fahrstufen wählen (siehe Video). Dafür lade ich eine kostenlose App herunter und melde mich mit meiner Mailadresse an. Danach kann ich mein Smartphone via Bluetooth mit dem Rad verbinden.


In der App wähle ich einen der vier verschiedenen Fahrmodi aus: Im Eco-Modus soll ich besonders stromsparend fahren können, elektrische Unterstützung gibt es nur wenig. Im Standardmodus bekomme ich etwas mehr Fahrt, im Turbo dreht das Rad voll auf. Außerdem stünde mir noch Exercise zur Verfügung, dann gibt es leichten Widerstand, für all jene, die etwas für ihre Fitness tun wollen.

Die App zeigt mir noch weitere Dinge an: Auf einer Karte sehe ich, welche Strecke ich während der Fahrt zurückgelegt habe, wie schnell ich im Schnitt unterwegs war und wie viele Kalorien ich bei meinem Trip verbrannt habe.

Während der Testfahrt bin ich meistens im Turbo-Modus gefahren, damit fährt das Rad scheinbar wie von selbst, leichtes Treten ist ausreichend. Laut Unternehmenswebseite machen das die im Rad verbauten Sensoren möglich. Sie messen mein Fahrverhalten und passen die Unterstützung danach an.

Rücktritt greift nicht sofort

Beim Anfahren an der Ampel kann ich locker mit den Autos mithalten. Das Rad beschleunigt im Nu, typisch E-Motor. Zumindest bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Dann fällt die Unterstützung weg, so sieht es die in Deutschland geltende gesetzliche Richtlinie vor. Andernfalls bräuchte das Rad eine amtliche Zulassung.

25 km/h reichen mir als Geschwindigkeit allerdings völlig aus. Auf den buckeligen Pisten in Berlin, die sich Fahrradweg nennen, kann schon dieses Tempo mitunter gefährlich werden. Das ein oder andere Mal haut es mich fast vom Rad, als ich beschwingt über eine durch Wurzeln aufgebrochene Teerdecke sause. Denn das Bremsen fällt mit dem Copenhagen Wheel nicht ganz leicht: Der Rücktritt, durch den sich die Batterie wieder aufladen soll, greift erst nach mehrmaligem Treten, abruptes Stoppen ist damit nicht möglich. Das geht nur mit den ebenfalls vorhandenen Vorderbremsen.

Stolzer Preis, hohes Gewicht

Wieder in der Redaktion angekommen, trage ich das Rad die Treppe hinauf. Denn mit einem Verkaufspreis von rund 1.300 Euro traue ich mich nicht, es vor der Tür stehen zu lassen. „Ganz schön schwer“, denke ich. 7,6 Kilogramm wiegt das Copenhagen Wheel laut der Hersteller-Firma Superpedastrian – zu viel, um es in der Stadt täglich in die Wohnung oder die U-Bahn zu tragen. Das aber muss man zwangsweise. Denn aufladen lässt sich das Rad, bei dem eine Akkuladung im Schnitt für knapp 50 Kilometer reicht, nur über einen Stecker an der roten Nabe. Dafür muss ich das Bike zu einer Steckdose bringen, und die gibt es nur im Haus.

Fazit: Es macht Spaß, mit dem Rad durch die Stadt zu düsen. Vor allem längere Strecken lassen sich damit ohne große Anstrengung bewältigen. Und wenn mir nach der Arbeit doch mal nach auspowern zumute wäre, ließe sich der Exercise-Modus einschalten. Selbst kaufen würde ich das Rad aber wohl nicht. Das liegt einerseits an dem hohen Preis und der damit verbundenen Diebstahlgefahr – einfach anketten und stehen lassen traue ich mich in der Raddiebstahl-Hochburg Berlin nicht. Andererseits finde ich das Copenhagen-Wheel schlichtweg zu schwer, um es regelmäßig zur Steckdose in den dritten Stock zu tragen.

Das Startup dahinter:

Entwickelt wurde das Copenhagen-Wheel von Assaf Biderman, einem Forscher und Lehrer am MIT. Im Jahr 2012 gründete Biderman das Robotik-Unternehmen Superpedestrian mit Sitz in Cambridge/USA. Das smarte Hinterrad ist das erste Produkt des Spin-offs.

Bild: Lisa Ksienrzyk für NGIN Mobility; video: Lisa Ksienrzyk
und Marco Weimer