Tinder-Gründer Justin Mateen und Sean Rad (von links)

Im Gespräch mit Tinder-Gründer Justin Mateen

„Es ist wie im echten Leben, aber besser“ – mit diesem Spruch wirbt die Dating-App Tinder, die das Flirtverhalten weltweit revolutionieren will. Entwickelt von den US-Amerikanern Justin Mateen und Sean Rad, flirten mittlerweile Millionen Menschen in der ganzen Welt über die App – über genaue Nutzerzahlen spricht das in Los Angeles ansässige Startup allerdings nicht.

Genauso wenig Informationen gibt es darüber, wie Tinder irgendwann einmal das große Geld verdienen will. Einem Bericht zufolge könnte das Unternehmen derzeit 500 Millionen US-Dollar wert sein – zuvor war sogar ein vermeintlicher Wert von fünf Milliarden Dollar durch die US-Medien gegeistert.

Im Interview mit Gründerszene nennt Mitgründer Justin Mateen (28) dennoch einige Fakten zu der Erfolgs-App: Elfmal täglich ruft der Durchschnittsnutzer Tinder auf, 800 Millionen Profile werden täglich bewertet und zehn Millionen Übereinstimmungen gibt zwischen zwei App-Nutzern jeden Tag. Wie viele Nutzer sich über Tinder tatsächlich verabreden oder sogar verlieben, kann Mateen auch nur vermuten.

Tinder soll Flirten 2.0 sein. Wer die App nutzen will, muss sich über seinen Facebook-Account anmelden und zunächst auswählen, ob er Männer, Frauen oder beides sucht und wie alt sie sein sollen. Dann werden Facebook-Profilbilder von anderen Tinder-Nutzern in der Nähe angezeigt. Auch gemeinsame Interessen und Facebook-Freunde – falls vorhanden – sind sichtbar.

Nach links wischen oder auf das Kreuz drücken: Nein, danke! Nach rechts wischen oder auf das Herz drücken: Ja, bitte! Wenn die andere Person auch nach rechts gewischt hat, ergibt das einen „Match“ – jetzt können diese zwei Personen miteinander chatten und für ein Date verabreden. Bei jedem Foto muss der Nutzer sich endgültig entschieden – ein nach links gewischtes Profil wird nie wieder angezeigt. Dabei will es Tinder auch belassen: „Wie erklären unseren Nutzern immer wieder, dass sie achtsam wischen sollen“, sagt Mateen.

Die Zeit bemerkt, dass Tinder die Entscheidungsfreunde der Generation Y, auch Generation Maybe genannt, fördere: „Tinder ist für die Generation Maybe, was Dr. Kawashimas Gehirnjogging für die Nachkriegsgeneration ist: ein Minispielchen für U-Bahn-Fahrten und Wartezimmer, das die eigenen kognitiven Schwächen reparieren soll. Die Älteren joggen mit ihrem Gehirn, die Jüngeren machen Wisch-Training für den Entscheidungsmuskel.“

(Keine) App für den schnellen Flirt?

Weil die Auswahl der Chatpartner hauptsächlich auf Facebook-Fotos basiert, wurde den beiden Gründern schon häufig vorgeworfen, Tinder sei oberflächlich und verleite die Nutzer dazu, nur auf Äußerlichkeiten zu achten. „Tinder ist nur eine Abbildung davon, wie wir Menschen in der realen Welt miteinander kommunizieren“, rechtfertigt Mateen seine App. „Wenn man beispielsweise in einem Café eine Person sieht, achtet man zunächst auch nur auf das Aussehen. Kommt es zu einer Unterhaltung, spricht man zuerst über gemeinsame Freunde oder Hobbies, um Vertrauen aufzubauen. Tinder übernimmt das alles.“

Der Tinder-Gründer rät den Nutzern deswegen, Profilbilder auszuwählen, die viel über den eigenen Charakter verraten: „Wer beispielsweise eine feste Beziehung suchst und sehr familienorientiert bist, solltest einige Fotos von sich und seiner Familie hochladen.“

Dennoch gilt Tinder – zumindest in Deutschland – immer noch als App für den schnellen Flirt, einmalige Dates und One-Night-Stands – viele Nutzer berichten, dass sie gerne die Fotos hin- und herwischen, aber noch nie jemanden getroffen haben. Ist Tinder also doch nur ein netter Zeitvertreib für den einsamen Sonntag auf der Couch?

Justin Mateen, dessen Mitgründer Sean Rad seine Freundin über Tinder kennengelernt haben soll, wehrt sich dagegen, dass seine App aus Langeweile und für oberflächliche Flirts genutzt werde: „Wir bekommen jeden Tag Emails von Leuten, die uns erzählen, dass sie die Liebe ihres Lebens über Tinder kennengelernt haben und diese Person jetzt heiraten“, erzählt Mateen. „Aber niemand nutzt Tinder, weil er verzweifelt ist.“ Tatsächlich: Auf Twitter findet man etliche Beiträge von verliebten oder verheirateten Paaren, die Tinder für die Vermittlung danken.

Im Gespräch betont der Mateen mehrmals, dass seine App keine reine Dating-App, sondern eine „soziale Entdeckungs-Plattform“ sei: „Das Schöne an Tinder ist, dass wir unseren Nutzer nicht sagen, wie sie die App nutzen sollen“, erklärt der 28-jährige. Deswegen soll die App so weiterentwickelt werden, dass über Tinder nicht nur geflirtet, sondern auch Freundschaften geknüpft oder Businesspartner gefunden werden – Details will Mateen allerdings nicht verraten. „Mit der Zeit werden immer mehr Nutzer Tinder für ernstere Zwecke nutzen.“

Bild: Tinder