richard branson transferwise kristo käärmann
richard branson transferwise kristo käärmann Richard Branson 2010 auf einer Konferenz in Oslo

Richard Branson investiert in TransferWise

Noch ist TransferWise keine Billion-Dollar-Company. Doch eine Milliarde US-Dollar an Kundengeldern hat das Londoner Startup bereits durch sein Zahlungssystem geschleust – und das innerhalb von nur drei Jahren. 2011 von den beiden Esten Kristo Käärmann und Taavet Hinrikus gegründet, bekam das Payment-Startup 2013 prominente Unterstützung von Facebook-Investor Peter Thiel, der eine 6-Millionen-Dollar-Finanzierungsrunde anführte.

Nun folgt das nächste Investment – mit nicht weniger schillernder Beteiligung: An einer Runde von 25 Millionen US-Dollar für das Startup beteiligt sich neben den Altinvestoren um Peter Thiels Valar Ventures und Index Ventures auch Unternehmerlegende Richard Branson.

Was TransferWise genau macht, welche Probleme beim Wachstum entstehen und warum eher Citibank als Western Union vor dem Startup Angst habe solte, das erklärte CEO Kristo Käärmann vor einiger Zeit im Interview mit Gründerszene.

Im Banken- und Zahlungssektor gibt es derzeit viel disruption. An welcher Stelle bringt ihr die Branche ins Wanken?

Disruption im Finanzsektor sollte keine Überraschung sein – denn es ist ein sehr ineffizientes Geschäft. Die französische Zentralbank schätzt, dass wir als Menschheit ein Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts für Zahlungen ausgeben. Das heißt, jeder Mensch könnte zwei Tage mehr Urlaub im Jahr nehmen, wenn es uns gelänge, die Kosten des Bezahlens zu verringern. TransferWise löst nicht das gesamte Problem. Wir sind eine Lösung für transnationales Bezahlen. Viele Leute merken gar nicht, wie viel sie dafür bezahlen müssen, Geld ins Ausland zu überweisen. Denn die Wechselkurse, die die Banken anbieten, sind nicht die realen Wechselkurse. In der westlichen Welt bezahlst du als Kunde rund fünf Prozent des Überweisungsbetrags an die Bank.

Du hast selbst einmal darunter gelitten…

Für mich persönlich war das ein sehr ärgerliches Problem, als ich vom Euro-Land Estland nach London gezogen bin. Ich musste Geld nach Estland überweisen, um meine Hypothek zu bedienen und mein Auto abzubezahlen. Mein späterer Mitgründer Taavet, einer der ersten Entwickler bei Skype, zog zur gleichen Zeit nach London. Er musste seine Ausgaben plötzlich in Pfund begleichen. Also musste er Euro in Pfund tauschen, während ich ständig Pfund in Euro tauschte. Wir haben uns gedacht, anstatt dass wir beide zur Bank gehen und uns ausnehmen lassen, zahle ich meine Pfund lieber auf sein Konto in London ein und er überweist seine Euros mit der realen Umtauschrate auf mein estnisches Konto. Wir hatten exakt das gleiche Ergebnis, nur dass es schneller ging und viel billiger war. Wir haben das eine ganze Weile so gemacht, bald andere Freunde mit einbezogen, und uns dann gedacht: Wenn das bei uns klappt, dann dürfte es auch für eine große Menge an Leuten funktionieren. So fing alles an.

Wie unterscheidet sich TransferWise von Zahlungsdienstleistern wie MoneyGram oder Western Union?

Die machen ein etwas anderes Geschäft. Bei ihnen geht es um das Versenden von Bargeld von einem Ort zum anderen. Und das können sie sehr gut. Wir sind nicht auf den Markt von MoneyGram oder Western Union scharf, sondern auf den Markt von Citibank & Co.

Also traditionelle Geschäftsbanken.

Genau. Allerdings wollen wir nicht ihr gesamtes Business. Wir wollen das transnationale Zahlungsgeschäft. Denn darin sind sie nicht sehr gut. Und es ist nicht mal ihr Kerngeschäft. Ihr Kerngeschäft ist, das Geld ihrer Kunden gut zu verwahren. Aber sie sind wirklich schlecht im transnationalen Zahlungsgeschäft.

Und trotzdem verdienen sie damit gutes Geld.

Natürlich geht es um riesige Summen. Wir reden über etwas zwischen 50 und 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das System, mit dem Banken Geld überweisen, stammt noch aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren. Wir gehen das von einem ganz anderen Blickwinkel an – wie beim Peer-to-Peer-Lending: Du brauchst nicht unbedingt eine Bank, um einer anderen Person Geld zu leihen.

Habt ihr denn eine Banklizenz?

Wir haben eine Lizenz für Zahlungsdienste. Wir werden in London von der Financial Conduct Authority reguliert. In Deutschland ist es die BaFin.

Bei jedem Expansionsschritt in ein neues Land müsst Ihr neue Regularien erfüllen?

Korrekt.

Das dürfte beim Skalieren des Geschäfts eine der größeren Hürden sein.

So ist es. Neue Länder hinzuzufügen ist nicht so einfach wie einen neuen App-Store hinzuzuschalten. Es braucht schon etwas Gehirnschmalz und eine regulatorische Strategie. Aber wir haben gelernt, das ganz gut zu machen. Uns gibt es mittlerweile in ganz Europa.

TransferWise wird häufig als „Skype für Überweisungen“ beschrieben. Ein interessanter Vergleich, denn auch Skype hat ein traditionelles Business ziemlich durcheinander gebracht: das der Telcos. Viele Telekomfirmen leiden noch heute darunter.

Skype wurde für acht Milliarden US-Dollar an Microsoft verkauft. Aber der Nutzen, den Skype der Welt gebracht hat, ist viel mehr wert. Sie haben eine ganze Industrie gezwungen, sich zu verändern. Niklas Zennström hat 2005 oder 2006 vorausgesagt, dass es innerhalb von vier Jahren keine Telcos mehr geben würde. Aber es gibt sie noch. Sie haben es geschafft, ihr Geschäftsmodell zu verändern. Das war für einige schmerzhaft, andere haben es geschafft.

Wie wird der Banken- und Zahlungssektor in vier, fünf Jahren aussehen?

Sehr gute Frage. Ich habe eine Wunschvorstellung, aber ich weiß auch, dass das eine Branche ist, die sich noch langsamer verändert als die Telekomindustrie. Was sehr wahrscheinlich passieren wird, ist: Es wird Dienste geben, die nicht mehr von Banken, sondern von Tech-Firmen erledigt werden: P2P-Lending gehört dazu, transnationale Zahlungen, Kartenzahlungen, all das muss nicht eine Bank erledigen. Banken können als Aggregatoren fungieren, die diese verschiedenen Dienste zu den Kunden bringen. Aber das Geschäft selbst erledigen andere Unternehmen. Ob wir das in fünf Jahren schaffen? Ich hoffe es.

Würdest du anderen Gründern raten, in den Fintech-Sektor zu gehen? Neben den Banken tummeln sich dort mittlerweile wahnsinnig viele Startups.

Absolut, ja. Es ist ein großes Geschäft. Ich fände es super, wenn es mehr Startups gäbe, die die Finanzwelt attackieren – nein, nicht attackieren – verbessern würden. Es gibt viel zu tun. Natürlich ist es leichter, die nächste Foto-Sharing-Plattform zu bauen. Aber es gibt viel zu erreichen.

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kristo käärmann transferwise Transferwise-Gründer Kristo Käärmann auf dem Pioneers-Festival in Wien

Bilder: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Gulltaggen; Gründerszene