Inkubatoren

Was 2013 passiert ist

Es war ein bewegtes Jahr für die deutsche Inkubatorenwelt. War bei den klassischen Company Buildern von Rocket Internet über Team Europe und Springstar über kleinere Startup-Brutstätten und bis zu Lars Hinrichs HackFWD in den Vorjahren alles auf Wachstum gepolt, wurde 2013 nahezu überall geschrumpft – mitunter erheblich. Sogar vom „großen Inkubatoren-Sterben“ wurde schon gesprochen, zumindest in Bezug auf die „klassischen“ Varianten.

Zwischen dem reinen Inkubator-Dasein – also dem unabhängigen Fördern junger Teams und deren Ideen – bis hin zum Company Building – sprich: dem Aufbau eigener Ideen mit jungen Talenten – wurde oft kein gangbarer Weg gefunden. In anderen Fällen lag es an den Betreibern selbst – man hatte andere Vorstellungen, ging getrennte Wege. Und machmal war es schlichtweg das Geld, das fehlte, um immer neue Projekte finanzieren zu können.

Der Blick auf die deutsche Inkubatoren-Landschaft zeigt: tatsächlich scheint die Szene nahezu implodiert zu sein:

  • Das von Xing-Gründer Lars Hinrichts gestartete HackFwd nimmt seit September endgültig keine neuen Startups mehr an – die Meldung kam drei Jahre, drei Monate und drei Tage nachdem der HackFWD-Start angekündigt worden war. 16 Unternehmen hatte der „Geek“-Inkubator unterstützt, unter anderem Yieldkit, Cobook, Infogr.am und Watchlater.
  • Der Berliner Company Builder FoundFair hat sein Portfolio in den vergangenen Monaten deutlich verkleinert. Verwies man auf der Webseite zuvor auf rund ein halbes Dutzend Unternehmen, wurden die Schnäppchen-Plattform Dealvertise, der Local-Commerce-Anbieter Lokali und der Pinterest-Klon Likedby aufgegeben. Übrig geblieben sind Friendsurance und Returbo, die als Versicherung unter Freunden respektive als Weiterverkäufer von Retourware, End-of-Lifetime-Modellen oder Overstocks aktiv sind.
  • In Hamburg konzentriert sich das von Heiko Hubertz und Nico Lumma gestartete Digital Pioneers nur noch auf das Bestandsportfolio. Lumma fand das nicht mehr reizvoll und verlies das Unternehmen im März. Zu den unterstützten Startups gehören unter anderem der Mobil-Flohmarkt Stuffle, der Online-Terminmacher Arzttermine.de und das jüngst in Stimp umbenannte Roombeats.
  • Auch der kleine „Boutique“-Inkubator FoundersLink, von MyToys-Gründer Oliver Beste und Stegnatos-Macher Fabian Hansmann gegründet, hat bessere Zeiten erlebt: Nachdem das Mitarbeitervorteile-Startup Givanto im März dieses Jahres pleite ging, zuvor das soziale Netzwerk Aka-aki im Mai 2012 seine Online-Präsenz nach einer sogenannten Washout-Round schließen musste und mit dem Verkauf des Bezahldienstleisters RatePay an Otto eigentlich nur ein Exit auf der Habenseite von Founderslink steht, gingen die Gründer getrennte Wege. Beste arbeitet nun mit seiner Frau an deren Projekt, dem Aboboxen-Versender Tollabox. Entsprechend muss man sich die Frage gefallen lassen, ob der Inkubator den geplanten Neustart schaffen kann.
  • Von Springstar scheint ebenfalls nicht mehr viel übrig zu sein. Nach dem Weggang von Klaus Hommels hat mittlerweile auch der zweite Gründer, Oliver Jung, das Unternehmen verlassen und arbeitet jetzt als Berater (und Investor) für den früheren Springstar-Kunden Airbnb. Geführt wird das Unternehmen derzeit von Doreen Huber, die von Delivery Hero kommt.
  • Beim Delivery-Hero-Macher Team Europe hat man sich zuletzt von einer ganzen Reihe an Beteiligungen getrennt. Angefangen bei der Personalangentur iPotentials über das Frühstücks-Startup MyMuesli bis zum Debatten-Magazin The European wurden die Anteile an die Gründer abgegeben. Zudem wurden die Anteile am Brillenversender Mister Spex verkauft, allerdings im Rahmen einer Finanzierungsrunde. Geschlossen wurden der ChicChickClub und der deutsche Teil des Kunstvermieters A Space for Art. Man wolle sich fokussieren, hatte Team-Europe-Partner Kolja Hebenstreit zum Umbau beim Inkubator gesagt.
  • Und Rocket Internet? Auch bei der Brutstätte der Samwer-Brüder hat man im vergangenen Jahr gut überlegt, welche Rolle der Inkubator zukünftig spielen soll. Viele der Ventures sind zwischenzeitlich derart groß geworden, dass sie die Unterstützung der Berliner „Zentrale“ nicht mehr benötigen – sie wurden flügge. Ergebnis der Überlegungen: Rocket Internet übernimmt zwar weiterhin Planungs- und Expansionsaufgaben. Im Fokus stehen allerdings immer mehr Dienstleistungen wie etwa die Programmierung und Instandhaltung der technischen Basis für die zugehörigen E-Commerce-Unternehmen. Derzeit bastelt man dem Vernehmen nach an einer einheitlichen Grundlage für die mobilen Apps von Zalando, Home24, Dafiti, Lamoda & Co.

Schluss mit Startup-Brutstätten ist damit allerdings lange nicht. Denn gleichzeitig ist ein neuer Inkubatoren-Typus auf der Bildfläche erschienen. Project A Ventures etwa oder im zurückliegenden Jahr Epic Companies, die nahe an Konzernen der Old Economy angesiedelt sind – der Versandriese Otto sowie der Medienkonzern Axel Springer respektive die ProSiebenSat.1-Sendergruppe. Interessant dabei: Die Führungsmannschaften beider Berliner Startup-Schmieden rekrutieren sich aus den Reihen von Rocket Internet.

Viele Konzerne haben auf ihrem – mitunter reichlich späten – Weg in die Digitalisierung erkannt, wie wichtig das Auskundschaften neuer Ideen ist. Schnell kann im Internet ein Player entstehen, der das eigene Geschäftsmodell kaputt macht oder zumindest ankratzt. Über Inkubatoren wollen sie digitales Know-how gewinnen. Die Deutsche Telekom mit Hub:raum, der gerade von der Telekom verkaufte Kleinanzeigenanbieter Immobilienscout mit You Is Now – der auch einen Accelerator-Teil hat-, der Inkubator des Brillenherstellers Fielmann – die Liste an konzernnahen Brutstätten ist lang.

So geht es 2014 weiter

Die zuletzt neu entstandenen Brutstätten etwa auch von Rewe hierzulande werden sicherlich nicht die letzten gewesen sein. Die Deutsche Post etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, baut den Werbe-Inkubator Nugg.ad unter prominenter Beratung von Nico Lumma weiter aus. Die Telekom ist mit Hub:raum bereits nach Polen expandiert. Ein Mangel an Startupschmieden ist also in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Zumindest nicht an konzerngebundenen.

Und ohnehin sollten sich junge Gründer stets gut überlegen, ob ein Inkubator für sie das richtige ist. Schnell werden sonst wichtige Geschäftsanteile für all zu wenig Gegenleistung abgegeben – hier haben sich einige Inkubatoren in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Das haben mittlerweile viele Gründer begriffen, und sie werden misstrauischer und prüfen besser.

In gewisser Weise übernehmen die Startup-Ökosysteme in Berlin, Hamburg, Köln oder München dabei immer stärker selbst die Rolle, die zuvor den klassischen Inkubatoren zukam: Sie stellen Kapital zur Verfügung, weil Geldgeber von Business Angels über öffentliche Förderprogramme bis hin zu Venture-Capital-Gebern heute vielzähliger vorhanden und einfacher ansprechbar sind, als sie es noch vor wenigen Jahren waren. Sie verteilen Know-how unter den Beteiligten, weil Gründer und Startup-Interessierte sich auf vielen Veranstaltungen austauschen können – und dies auch immer offener tun. Nicht zuletzt ziehen sie Talente an, von Gründern selbst über Entwickler bis hin zu Designern.

Und die vielfältigen Accelerator-Programme – wir haben über sie bereits einem früheren Teil unserer Serie geschrieben – geben all denen einen Anstoß, die noch etwas mehr Unterstützung haben wollen.

Bild: © panthermedia.net Sergej Razvodovskij