Social-Video-Advertising scheint der Preroll- und auch klassischen TV-Werbung den Rang abzulaufen. Ein erfolgreicher Anbieter in diesem Segment ist das 2006 in London gegründete Unternehmen Unruly, welches mittlerweile auch in Deutschland sitzt. Das Startup konnte Anfang diesen Jahres 25 Millionen US-Dollar an Kapital einsammeln. Unruly-Deutschland-Geschäftsführer Olaf Kroll im Interview mit Gründerszene.

Unruly

Hallo Olaf, stelle dich bitte kurz vor.

Gern: Ostwestfale und Berlin-Fan seit 1998. Ich kann mir keine andere Stadt zum Leben vorstellen – obwohl ich zwischen meinen Jobs immer für ein paar Monate verschwinde und durch die Welt reise, meist zum trekken, tauchen und chillen. Ach ja, ein paar Monate in Buenos Aires stehen noch auf meiner Wunschliste… als begeisterter Tango-Argentino-Tänzer für mich eine magische Stadt – wobei Berlin auch hier unglaublicherweise die weltweite Nummer Zwei ist.

„Statt großer Namen wollte ich ein kleines und nachhaltig erfolgreiches Wachstumsbusiness aufbauen.“

Wie brachten dich deine bisherigen Stationen zu Unruly?

Medien jeglicher Couleur, das Internet und große Veränderungen sind rote Fäden meiner Vita. Zudem habe ich mich mit jeder Jobstation Stück für Stück vom klassischen Großkonzern hin zu kleineren und flexiblen Strukturen bewegt. Nach dem BWL-Studium Einstieg im Nachwuchsprogramm bei Bertelsmann. Nach Bertelsmann habe ich bei Pixelpark das volle Auf und Ab der New Economy mitgenommen. Danach bei Sony Music und Sony Pictures jeweils den langsamen Tod der klassischen Medien und die Auferstehung der neuen Medien erlebt und in beiden Unternehmen das digitale Business aufgebaut. Nächste Station Myspace – wiederum explosionsartiges Wachstum, gefolgt vom langsamen Tod.

Langweilig war’s nie – ich komme auf 19 verschiedene Vorgesetzte, sieben größere Entlassungswellen, Reporting in Headquarters in vier Ländern, zwei Firmenumzüge in andere Städte und zwei Firmenübernahmen. Nach Myspace habe ich mich allerdings gezielt besonnen. Statt großer Namen wollte ich nun ein kleines und nachhaltig erfolgreiches Wachstumsbusiness in Deutschland von Null aufbauen. Ohne Politik, Fremdbestimmung und Pseudo-Powerpoint-Strategiefolien, dafür mit ganz viel Freude und genau nach meinem eigenen Gusto. Mit Unruly (www.unrulymedia.de) hat sich dieser Traum für mich in jeder Hinsicht erfüllt, beruflich war ich selten so zufrieden und motiviert wie heute. Übrigens auch privat – aber das ist eine andere Geschichte. 🙂

Kannst du bitte etwas genauer erklären, was Unruly macht?

Unruly ist die weltweit führende Social Video-Plattform, das Unternehmen wurde 2006 in London gegründet. Wir verbreiten Video-Content von Werbetreibenden im Social Web, also über Plattformen wie YouTube, Facebook, Twitter, Premium Publisher, einflussreiche Blogs sowie mobile Seiten und Applikationen. 2008 hieß das ganze noch „Viral Video Seeding“, aber diese Branche hat sich seitdem dramatisch weiterentwickelt und hat den neuen Namen „Social-Video-Advertising“ verdient.

„Von dem Modell profitieren Werbetreibende, Publisher und User gleichermaßen.“

Unter Social-Video-Advertising versteht man ein nicht-unterbrechendes, user-initiiertes Videowerbeformat, das auf Cost per Engagement-Basis abgerechnet wird. Das Video startet nur dann, wenn sich der User aktiv per Mausclick dazu entscheidet. Über Social Video Advertising kann jede Videolänge ausgeliefert werden. Der Social-Video-Player bietet verschiedene Engagement-Möglichkeiten wie Kommentare, Shares, Play/Pause, Clickthroughs oder Gewinnspiel-Dialoge. Die Video Plays werden über ein breites Netz an Publishern auf verschiedenen Endgeräten ausgeliefert.

Social-Video-Advertising ist Inhalt plus Dialog. Von diesem Modell profitieren Werbetreibende, Publisher und User gleichermaßen. Die User nehmen Social Video Advertising aufgrund der hohen Qualität und inhaltlichen Affinität der Videos eher als „Branded Entertainment“ denn als Unterbrecherwerbung wahr. Im Gegensatz zum Preroll-Videowerbeformat möchten die User beim Social Video-Werbeformat den Content des Werbetreibenden explizit sehen. Sie starten das Werbevideo aus eigenem Antrieb und inhaltlichem Interesse heraus. Aus diesem Grund bekommen Werbetreibende durch Social Video Advertising ausschließlich aktive, interessierte User geliefert, mit denen sie in einen Dialog treten können.

„Der Konsument möchte den Clip von sich aus gern sehen und rezipiert das Werbemittel demzufolge mit großem Interesse und Involvement.“

Kannst du das Geschäftsmodell von Unruly etwas genauer erklären?

Werbetreibende zahlen bei uns einen CPE (Cost per Engagement), was im Grunde der erwähnte User-initiierte Click auf den Videoplayer ist. Diesen kleinen, aber feinen Unterschied zum TKP-getriebenen Modell kann man gar nicht stark genug betonen, denn mit diesem Modell passiert das, was sich der Werbetreibende noch vor wenigen Jahren nur erträumen konnte: Er zahlt ausschließlich dann, wenn ein User freiwillig und aus eigenem Interesse heraus das Werbemittel konsumiert!

Der Konsument möchte den Clip von sich aus gern sehen und rezipiert das Werbemittel demzufolge mit großem Interesse und Involvement. Weiter teilt er es sogar mit seinen Freunden, ohne dass hierfür weitere Kosten für den Werbetreibenden entstehen (organisch generierte Views sind für den Werbetreibenden kostenlos). Unruly liefert ausschließlich jene High-Engagement-Views – die besten und qualitativsten Werbe-Impressions, die es im Bewegtbild-Markt überhaupt gibt.

Einen großen Teil des eingenommenen CPEs schütten wir an unsere Publisher aus. Neben diesen Einnahmen schätzen die Publisher vor allem die hohe Content-Qualität unserer Videokampagnen. Oftmals platzieren Publisher unsere Kampagnen innerhalb eigens erstellter Contentrubriken, oder sie erstellen spezielle redaktionelle Features dafür.

So entsteht unter dem Strich ein Win-Win-Win-Win-Modell: Der Konsument gewinnt, der Werbetreibende gewinnt, der Publisher gewinnt und Unruly gewinnt. Das nenne ich ein nachhaltiges Geschäftsmodell!

Unruly verfügt über eine enorme Reichweite (unter anderem 88,6% in Deutschland). Wie erreicht ihr diese?

Weltweit umfasst Unrulys Netzwerk um die 14.000 Publisher, über die monatlich rund 917 Millionen Unique User erreicht werden. In Deutschland sind über 1.000 Publisher in unserem Portfolio, dabei werden momentan rund 50 Millionen Unique-User pro Monat erreicht. Das Portfolio umfasst wie gesagt Blogs, kleine und mittelgroße Special-Interest-Sites, mobile Sites und Apps, aber die große Reichweite (übrigens gemessen durch ComScore) kommt vor allem durch unsere verschiedenen Volumen-Partner, zum Beispiel Facebook App Developer, zustande. Zudem haben wir eine ganze Reihe größerer nationaler und internationaler Premiumseiten im Portfolio. Wir arbeiten übrigens gerade an einigen spannenden exklusiven Deals mit strategischen Partnern.

Anfang 2012 konnte Unruly 25 Millionen US-Dollar einnehmen und gewinnt seit 2011 regelmäßig Awards unter anderem für sein schnelles Wachstum. Wie erklärst du dir diese positive Entwicklung?

Ich denke unser rasantes Wachstum hat verschiedene Faktoren. Neben unseren vielen neuen erfolgreichen internationalen Büros ist es vor allem der Markt an sich: Es gibt drei große Wachstumstreiber im Online-Werbemarkt: Video, Social und Mobile. Wir mischen in allen drei Bereichen mit und wachsen entsprechend. Online-Video ist nach wie vor der am schnellsten wachsende Bereich im gesamten Werbemarkt überhaupt. Dann ist Social-Video Advertising im Speziellen ein extrem starker neuer Trend.

„Die bessere Messbarkeit, eine herausragende Werbewirkung und unter dem Strich ein Top-ROI machen diese Werbeform gegenüber anderen klassischen Werbeformen sehr attraktiv.“

Während 2011 im weltweiten Internet noch 800 Millionen Videos geteilt wurden, erwarten wir für 2012 schon zwei Milliarden Video-Shares! Werbetreibende erkennen dieses Potenzial und investieren mehr und mehr Geld in Social-Video-Advertising. Die bessere Messbarkeit, eine herausragende Werbewirkung und unter dem Strich ein Top-ROI machen diese Werbeform gegenüber anderen klassischen Werbeformen sehr attraktiv.

Zudem investieren wir bei Unruly sehr viel in Technik und Research: So war Unruly zum Beispiel 2011 die erste Social-Video-Plattform, die ihr Produkt auch auf mobilen Plattformen anbieten konnte. Vor einigen Monaten haben wir in London unser Social Video Lab eröffnet, in dem Werbetreibende ihre Videoinhalte noch vor Mediaschaltung anhand von biometrischen Messungen, Fokusgruppen und komparativen Data-Mining-Analysen auf ihre „Sharability“ prüfen lassen können. Solche Innovationen treiben unser Wachstum.

Daneben hat Unruly einfach ein tolles internationales Team: Vision, Betriebsklima, Kollegen – all dies passt extrem gut. Und auch dies ist kein zu vernachlässigender Faktor für schnelles und solides Wachstum.

„Werbung muss heute immer stärker dem Entertainment-Diktat des Konsumenten folgen.“

Eine eurer Kampagnen, die Evian Roller Babies, zeigt eindrucksvoll die Stärke von Online-Video im Gegensatz zur klassischen TV-Ad. 95 Prozent der Personen die das Video Online sahen, sahen nicht den TV-Spot. Wie siehst du die Entwicklung in beiden Bereichen?

Die Entwicklung aller Bewegtbild-Werbeformen ist aus meiner Sicht kein Gegeneinander. TV, Preroll und Social Video haben allesamt ihre ganz eigenen Vorteile und Benefits und müssen sinnvoll im Sinne eines Mediamixes kombiniert werden. Aber gerade die rasante Entwicklung von Social-Media und Social-Video-Advertising wird dazu führen, dass wir in nächster Zeit immer mehr Werbespots sehen werden, die die Konsumenten wirklich cool finden und die sie – auf welche Weise auch immer – emotional bewegen und aktivieren.

Werbung muss heute immer stärker dem Entertainment-Diktat des Konsumenten folgen. In meinen Augen hat der klassische langweilige Unterbrechungs-15-Sekünder seine besten Tage bereits gesehen, auch wenn es ihn wohl noch lange geben wird. Er wird allerdings immer häufiger einen coolen Bruder bekommen, der länger und irgendwie anders ist und der im Netz die Runde macht.

Was glaubst du wie sich Unruly und die Social-Video-Branche innerhalb der nächsten zwölf Monate entwickeln wird?

Social-Video-Advertising liegt voll im Trend. Zwar hinkt der deutsche Markt dem anglo-amerikanischen noch ein bis zwei Jahre hinterher, aber Experten sagen voraus, dass sich der Markt in 2013 mindestens verdoppeln oder gar verdreifachen wird. Dem ist aus unserer Sicht nichts entgegenzusetzen.

„Bis 2013 wollen wir Marktführer sein.

Gibt es konkretere Pläne für den Deutschen Markt?

Ganz klar: Bis Ende 2013 wollen wir in Deutschland Marktführer im Social-Video-Bereich sein.

Olaf, vielen Dank für das Interview.

Ich habe zu danken!