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Es gibt keinen Unternehmenswert

Wer als Unternehmer beginnt, sich mit Unternehmensbewertungen im Allgemeinen und den verschiedenen Methoden im Besonderen auseinander zu setzen, wird schnell begreifen, dass es den einen Unternehmenswert nicht gibt, sondern man immer eine gewisse Bewertungs-Spanne einräumen muss. Es liegt nahe, diese Bewertungs-Spanne auszureizen und in den Verhandlungen den für sich bestmöglichen Deal heraus zu schlagen. Warum ist das nicht immer eine gute Idee?

Unternehmensverkauf und Unternehmensfinanzierung

Hier gilt es, zwischen einem Unternehmensverkauf und einer Unternehmensfinanzierung zu unterscheiden. Insbesondere bei einer Unternehmensfinanzierung im Frühphasen-Umfeld zeigen viele der großen Startup-Vorbilder, dass eine Finanzierungsrunde kaum ausreicht. Vielmehr folgen diese – gerade auch bei Erfolg – teils eng getacktet aufeinander. Nach dem Deal ist also vor dem Deal.

Lässt man Förderbank-Zuschüsse und -Darlehen außer Acht und vernachlässigt darüber hinaus „Venture Loans“, also Fremdkapital, wie es von spezialisierten Fonds an wachsende Unternehmen in einer späteren Phase vergeben werden kann, stellt man natürlich fest, dass Startups, neben eigenen und Friends&Family-Mitteln, von Investoren finanziert werden, die Risikokapital vergeben (eben VCs). Zwar verdient auch ein ungesichertes Darlehen die Bezeichnung Risikokapital, aber klassisch meint man damit eine Investition in das Eigenkapital des Unternehmens, damit Teilhabe an dessen Chancen und Risiken.

Für den Eigenkapitalinvestor besteht die Chance vor allem darin, am Wertzuwachs des Unternehmens teilzuhaben. Je bedeutender diese Steigerung, desto größer in der Regel die Rendite auf das eingebrachte Kapital. Diese Rendite ist besonders attraktiv, wenn der Investor günstig einsteigt oder der Zuwachs an Unternehmenswert weit überdurchschnittlich ausfällt. Am glücklichsten ist nachvollziehbar der Investor, dem es gelingt, billig in ein Unternehmen einzusteigen, dass sich sodann sensationell entwickelt.

Alle Faktoren sind wichtig

Welchen Faktor lässt man als Unternehmer hierbei leicht unberücksichtigt? – dass die Wertsteigerung eines Unternehmens kein Automatismus ist. Man mag Glück haben und Trends im Investitionsmarkt sich zu den eigenen Gunsten entwickeln (à la „B2B ist das neue B2C“) oder eine Exit-Chance schneller als erwartet am Horizont auftauchen, im Wesentlichen hängt die Unternehmenswertentwicklung aber vom Erreichen von Milestones ab, seien es technische (Alpha-, Beta-Versionen, Features et cetera), kommerzielle (User, Kunden, Umsätze et cetera) oder auch persönliche (der Star-CMO wurde endlich an Bord geholt).

Gelingt es nun zwischen den einzelnen Finanzierungsrunden nicht, gehaltvolle Milestones zu durchlaufen, wird es schwer, eine Steigerung des Unternehmenswertes darzulegen.

Die nächste Finanzierungsrunde ist nicht unbedingt leichter als die davor. Im Gegenteil klagen renommierte VCs über den Mangel an Wachstumskapital in Europa. Angesichts einer Knappheit an Risikokapital, die sich in späteren Phasen nicht auflöst, haben potente Investoren die Wahl zwischen einer ganzen Reihe an Unternehmen – und damit den Verhandlungshebel auf ihrer Seite (ebenso ist allerdings wahr, dass VCs ihre liebe Mühe haben, wirklich sexy Startups an sich zu binden).

Milestones müssen eingehalten werden

Jene Startups, die bei der ersten Finanzierungsrunde bereits das letzte Quäntchen an Wert-Fantasie ausgeschöpft haben, und sodann feststellen, dass einem Milestones nicht zufliegen, könnten es schwer haben, eine zweite Finanzierungsrunde zu einer signifikant höheren Unternehmensbewertung zu stemmen – und nicht einfach nur mehr Kapital zu den alten Konditionen (der ersten Finanzierungsrunde) ins Unternehmen zu bringen.

 Und was sind die Auswirkungen einer weiteren Finanzierungsrunde ohne nennenswerte Steigerung des Unternehmenswertes? Das Verhältnis von eingebrachtem Kapital zu Unternehmenswert ist ein größeres, damit verringert sich der Anteil der Gründer („Verwässerung“) auch in höherem Maße. Gleiches gilt für den relativen Anteil des Erstrunden-Investors am Unternehmen, dessen Anteile – ebenso wie jener der Gründer – nach so einer Finanzierungsrunde auch absolut weniger wert sein können.

Damit sind alle Gesellschafter der ersten Stunden unzufrieden. Und Unfrieden im Gesellschafterkreis ist das Letzte, was ein Unternehmen gebrauchen kann, insbesondere gilt dies für Frühphasen-Unternehmen, die draußen im Markt noch eine Reihe mehr Kämpfe durchzustehen haben.

Zwei Züge weiter zu denken und die Unternehmens(wert-)entwicklung natürlich optimistisch, aber auch ein Stück weit nüchtern einzuschätzen, kann sich also schon mittelfristig mehr als bezahlt machen.

Peter Guggi ist ein wiederkehrender Referent in der Gründerszene-Seminar -Reihe. Hier erhältst Du alle Informationen zu den Seminaren.

Bild:Andreas Hermsdorf  / pixelio.de