VC USA Deutschland

Same same, but different

Eines ist sicher – Deutschland, einst das Land der Dichter und Denker, später das „Copycat“ britischer Industrialisierung, hat nicht minder intelligente, visionäre, ambitionierte Gründer als die USA.

Die Delegationsreise hat vor allem klar gemacht, dass auch jenseits des großen Teiches nur mit Wasser gekocht wird und die Vorstände jener erfolgreicher Unternehmen keine Halbgötter sind, die die Weisheit mit der Suppenkelle zu sich nahmen, sondern ebenso gut hierzulande mühsam Business-Angel-Klinken putzen könnten, in der Hoffnung, die ersten 200.000 Euro einzusammeln. Stattdessen sitzen sie auf zwei- oder dreistelligen Millionenfundings. Wieso ist das so?

Ein Blick auf das Ökosystem zeigt: „Everything is bigger in the US“ – die Finanzierungsrunden, die Exits und die Ambitionen der Gründer. In Deutschland gilt hingegen: „Stuck in the Middle“. Die USA weist einen Binnenmarkt von solcher Größe auf, dass Startups darin eine Milliarden-Firma aufbauen können, ohne dabei an Internationalisierung denken zu müssen. Schweden, als anderes Extrem, ist als Binnenmarkt so klein, dass es für die Gründer keine Option, sondern Pflicht ist, zu internationalisieren – ab Tag eins, nicht vielleicht nach zwei Jahren, mal ein bisschen den österreichen Markt beschnuppern.

Klarna und Spotify (www.spotify.com) wären keine Erfolgsstories, wenn sie sich auf Schweden fokussiert hätten. Deutschland liegt genau dazwischen, was ein Problem ist – zu groß, um den Druck zu spüren, sofort global denken zu müssen, zu klein, um ausreichend große Unternehmen aufzubauen. Das Resultat: zu niedrige Exit-Erlöse.

Die Pitches einiger deutscher Startups während der Delegationsreise mit der Vision, eine deutsche Nische als Marktführer zu besetzen, erregen den US-amerikanischen Investor daher so sehr wie die Wachstumspläne der Bäckerei August, am anderen Ende der Stadt auch irgendwann eine Filiale zu eröffnen.

Wir brauchen einen Neuen Markt

Unternehmen wie ResearchGate (www.researchgate.net), Kreditech (www.kreditech.com) oder Wooga (www.wooga.com) haben den Sprung aus dem Pool ins Meer gewagt, um „Global Category Leaders“ aufzubauen, und setzen sich damit wesentlich größeren sowohl Risiken als auch Chancen und Wettbewerb aus. Diese Kategorie von Unternehmen hat gezeigt, dass es mit dem richtigen Konzept möglich ist, internationale, auch US-, Investoren zu akquirieren. Es liegt also nicht nur an den Investoren, sondern auch an den Startups – „Think global first“.

Selbst wenn das Konzept in einem Markt validiert werden soll oder muss (konzeptabhängig), so gibt es in der Regel einen besseren Testmarkt (zum Beispiel Brasilien), der Investoren signalisiert, dass global gedacht und agiert wird. Idealerweise wird der Markt aus Deutschland heraus bedient, was das Konzept kosteneffizienter skalieren lässt. Das liebt der amerikanische Investor, da sich amerikanische Startups in der Internationalisierung schwer tun und daher gerne mal ein „Internationalization as a Service“-Startup aus dem Hause Rocket Internet erwerben. Die Marktgröße der USA bietet also auch Chancen für schwedisch denkende, deutsche Startups.

What’s cooler than a returned fund? A 3x returned fund.

Global gesehen ist die Rendite von Venture Capital hoch einstellig negativ. Betrachtet man jedoch die Rendite der Top-US-Fonds, offenbart sich eine hoch zweistellige Rendite pro Jahr. Das führt dazu, dass die besten Fonds in den USA mit jedem Fonds mehr Kapital einsammeln.

Ein Beispiel des führenden amerikanischen Fonds, Andreessen Horowitz. Die Fondsgrößen verdoppelten sich in jeder Sequenz: Während der zweite Fonds 2009 mit zirka 300 Millionen US-Dollar ausgestattet war, konnten 2010 bereits 650 Millionen US-Dollar eingesammelt werden. Im dritten Fonds 2012 waren es unglaubliche 1,5 Milliarden US-Dollar. Insgesamt hat sich der Fonds also verfünffacht. Strategisch führt das zu der Frage: „Fünfmal so viele Investments in der gleichen Größenordnung wie bisher“ vs. „Genauso viele Deals wie bisher mit fünfmal so hohem Investment“.

Die meisten Fonds tendieren zu Option zwei. Warum? VCs sind stark personenabhängig und für die fünfmal mehr Investments braucht es fünfmal mehr Partner und Investmentmanager. Eine Wette auf die Qualität der nächsten Partner ist dann selbst den VCs zu heiß. Stattdessen verlagert sich der Investmentfokus auf spätere Phasen beziehungsweise es werden höhere Schecks in früheren Phasen geschrieben. Früher größere Schecks schreiben heißt im Klartext: Immer heißere Wetten eingehen, um den Fonds dreimal zurückzuholen (das ist zirka der Benchmark, ab dem eine Fondsperformance als „gut“ bewertet wird).

Bei 1,5 Milliarden US-Dollar, wie im Andreessen-Horowitz-Beispiel, bedeutet das: Mindestens 4,5 Milliarden an Beteiligungswert müssen generiert werden. Bei verwässerter Beteiligung von zehn Prozent (üblich sind phasenunabhängig 20 bis 25 Prozent vor weiteren Runden) bedeutet das: Finde Startups, die, kumuliert, mindestens 45 Milliarden US-Dollar an Verkaufswert erlösen können. Ist das möglich in den USA? Absolut.

Das heißt aber auch, dass absurde Investments auf noch absurderen Bewertungen getätigt werden. Insbesondere wenn zwei dieser Top-Fonds zeitgleich auf dasselbe Pferd zur gleichen Zeit wetten möchten. Diese sorgen hierzulande für Kopfschütteln, Glorifizierung und den Irrglauben, dass in den USA alles und jeder finanziert wird – und zwar x-fach so hoch wie hier. Das ist falsch: Die Selektion ist gnadenlos und auf jede Erfoglsmeldung kommen signifikant mehr Startups, die scheitern oder gar nicht erst entstehen, da es kein Exist, HTGF, strategische Inkubatoren et cetera gibt, die anstelle des freien Marktes einspringen.

We need more Billion-Dollar companies, ja?

Für Fonds dieser Größenordnung gibt es schlichtweg keinen guten Grund, in Deutschland zu investieren, da nicht nur die Erlös-Multiples im Erfolgsfall wesentlich niedriger sind, sondern selbst im Falle eines guten Erlös-Multiples (zum Beispiel zehnfach Geld zurück) der absolute Wert des Erlöses die höheren Kosten für ein Investment in Deutschland niemals rechtfertigen können. Zehn Prozent von KaufDa, DailyDeal et cetera sind eine Spitzenrendite, absolut gesehen sind drei beziehungsweise 18 Millionen US-Dollar allerdings nicht signifikant, um 4,5 Milliarden US-Dollar Erlös zu generieren. Wenn man da noch die 100.000-Dollar-Anwaltsrechnung sowie die fünf Business-Class-Flüge pro Jahr nach Deutschland abzieht, erst recht nicht.

In Deutschland gab es 2012 insgesamt 135 Millionen Euro an Frühphaseninvestments, 65 Millionen Euro an Later-Stage und Growth-Investments und 456 Exits mit kumuliertem Erlöswert von 303 Millionen Euro. Wer würde als Fondsmanager von Andreessen Horowitz mehrmals pro Jahr nach Deutschland fliegen, um die ein bis zwei heißen Kisten zu finden, die im besten Fall (nehmen wir 600 Millionen Euro, wie zuletzt bei Trivago und Bigpoint als absolute Outlayer, als fiktiven Maximalwert an), 60 Millionen Euro zurückspielen (von 4,5 Milliarden US-Dollar)?

Accel Partners hat einen Zirka-500-Millionen-Euro-Fund in den USA, der nach obiger Rechnung (dreifacher Fonds bei zehn Prozent Ownership) zirka 15 Millionen Euro Unternehmenswert in Europa finden muss. Da muss jeder Hit im Portfolio sein und es dürfen nicht allzu viele Nullnummern dabei sein. Tough Call.

Kreisklasse vs. Champions League

Das Fundraising sämtlicher deutscher VCs im Jahr 2012 betrug 204 Millionen Euro (das ist kleiner als viele einzelne US-VC-Fonds), wohingegen Oliver Samwer alleine 750 Millionen Euro einsammelte. Das zeigt zwei Dinge:

(1) Im Vergleich zu den 20,6 Milliarden US-Dollar, die US-Venture-Firmen 2012 einsammelten, ist das bestenfalls Bezirksliga und
(2) dass die besten Fonds/Startups auch hierzulande größere Fonds raisen können.

Schaut man sich jedoch die Volumenentwicklung länger bestehender, deutscher Fonds von mindestenst 100-Millionen-Euro-Größe (Wellington, Target, Holtzbrinck, HTGF) an, bestätigt sich dieser Effekt hingegen nicht, was wiederum vier Gründe haben kann :

(1) Auf die falschen Pferde gesetzt und keine attraktiven Returns erwirtschaftet. Leider ist die Fondsperformance öffentlich nicht einsehbar, da diese Fonds nicht börsennotiert sind.
(2) Fonds tun sich ähnlich schwer im Fundraising (Deutschland: Zirka 0,15 Prozent des BIP fließen in Venture Capital, vs. USA, wo zwei Prozent eines fünfmal höheren BIPs investiert werden).
(3) Nicht ausreichend Exitkanäle für „hits“ nach dem Beispiel Zalando. Es gibt schlichtweg keinen bisherigen Milliardenexit eines deutschen Startups.
(4) VCs stehen im globalen Wettbewerb (also gegen die US-Fonds) im Fundraising.

Fazit: Mehr große Exits führen zu größeren Fonds, diese wiederum führen zu mehr Kapital in der Kategorie, bei der deutsche Startups die größten Probleme in der (Folge-)Finanzierung haben: mindestens fünf bis 20 Millionen Euro Wachstumskapital. Inkubatoren und Business Angels von fragwürdiger Qualität spülen viel zu viele Unternehmen in diese Kategorie, die niemals dort sein sollten. Doch auch unter diesen Companies sind einige Diamanten dabei, denen es nicht möglich ist, von deutschen Kapitalgebern zu raisen, da die Fonds zu klein sind beziehungsweise das Risikoprofil der Startups nicht zur Fondsgröße passt – mit 100 Millionen Euro kann eine heiße Zehn-Millionen-Euro-Wette zum Verhängnis werden, die bei einem Fondsvolumen von 1,5 Milliarden US-Dollar kaum Einfluss auf die Gesamtperformance hat.

Wie Oliver Samwer es möglicherweise formulieren würde: „We need billion euro aircrafts, not million euro cruise ships, ja?“ Daraus folgen dann größere Werften. Ob Programme im Format des jüngsten staatlichen Förderprogrammes „20-Prozent-auf-alles-außer-Tiernahrung“ (jedes Investment jedes deutschen Investors in jedes deutsche Startup erhält 20 Prozent bis maximal 50.000 Euro dazu) ist höchst fraglich.

Analogie: Wenn die Stadt beim 1. FC Kreisliga neue Umkleidekabinen sponsort, wird daraus noch lange kein Championsleague-Verein. Wir brauchen bessere Spielerförderung (Computertalente im Format Stanford), einen liquiden Transfermarkt (Neuer Neuer Markt) und visionäre Mannschaftskapitäne.

Bild:  Bestimmte Rechte vorbehalten von Maxime Guilbot