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Das Valley – wo ist die Startupszene?

Im Silicon Valley entdecken Gründer nicht nur Co-Working, sondern Co-Living für sich. Immer mehr Entrepreneure leben zusammen und öffnen ihre Türen auch für Kurzzeit-Bewohner. Gründerszene hat einige Startup-WGs im Valley besucht und einen Blick hinter die Türen geworfen. Bald könnte es das Konzept auch in Deutschland geben.

Auf den ersten Blick sieht man im Valley nicht viel von der Startupszene. Mit Ausnahme von Türschildern, den Gründern auf Meetups und zufälligen bekannten Gesichtern in Coffeeshops. Doch in zahlreichen Wohnungen im Valley steckt Gründergeist. Hier leben Entrepreneure zusammen und basteln an ihren Ideen. Ist man bei ihnen zu Besuch, hat man das Gefühl, das Valley zu spüren. Die Tech-Liebe und die Dynamik.

Auch in Deutschland hört man ab und zu von Gründer-WGs, im Valley hat das Ganze aber Tradition und System. Hohe Mieten sind jedoch nur ein Grund zum Zusammenleben – Inspiration ist das wohl wichtigere Argument. Gründerszene hat einige Startup-Häuser besucht.

TheGlint – ein magischer Ort

Nach einer kurvigen Fahrt auf die Spitze eines Hügels der Twin Peaks in San Francisco erreicht man das Startup-Haus TheGlint (www.theglint.com). Die Einladung kam von Björn Lasse Herrmann, einem Deutschen, der bereits seit drei Jahren im Valley wohnt, derzeit an seinem Startup-Projekt Genome (www.startupcompass.co) arbeitet und zuvor Blackbox Mansion (www.blackbox.vc) gründete, ebenfalls ein Wohn- und Lebensort auf Zeit für Entrepreneure in Atherton, in der Nähe von Palo Alto und der berühmten VC-Straße Sandhill Road.

Am Eingang des Glint empfangen mich haufenweise Schuhe und über zehn lächelnde Gesichter. Es wird gekocht, es gibt Wein und dann viele Geschichten. Der Blick aus der riesigen Fensterfront reicht bis weit über die Stadt, der Blick durch den riesigen Wohnraum zeigt Sofaecken, Kamin und Luxusküche.

„Das Glint ist ein magischer Ort – ein Anziehungszentrum für Wissenschaftler, Programmierer und Gründer, die an Ideen und Unternehmen basteln, die unsere Welt von morgen auf den Kopf stellen werden“, erklärt Björn. Und ich bekomme das Gefühl, er könnte recht behalten. Magie liegt zumindest in der Luft. Und allein die Atmosphäre zwingt mich mitzudenken.

Thiel-Fellows, Helden und Gäste

Es ist Mittwochabend und im Haus trifft man einen bunten Haufen von Gründern aus aller Welt. Das Glint ist erst einige Monate alt. Ein Ort, an dem Unternehmer leben und arbeiten können. Für kurze Zeit oder einige Monate. Damian Madray, Charles Lee und Alexandros Pagidas gründeten das Gründerhaus und versammeln in sieben Zimmern auf vier Stockwerken auf der Spitze der Twin Peaks Persönlichkeiten, die sich sonst vielleicht nie über den Weg gelaufen wären.

Ein Bewohner des Glints ist Jeffrey Lim, ein Peter-Thiel-Fellow (www.thielfellowship.org), der von zwei Startups erzählt, an denen er arbeitet. Eines soll ein neues Zahlungssystem etablieren. Sein Mitbewohner Daniel Marthienal startete MeetCute (www.meetcute.net), ein Startup, das den romantischen Weg erfunden haben will, die große Liebe zu finden. Zudem sind zahlreiche Besucher da, aus Deutschland, Polen und Russland, alle haben einen Plan im Kopf, arbeiten an einem neuen Startup oder suchen Finanzierung im Valley.

Bewohner sind die treibende Kraft

Hinter dem Glint steckt mehr als ein wunderschönes Haus auf einem Berg. Die Macher wollen nicht weniger als Helden hervorbringen.

„TheGlint lebt von seinen Bewohnern, diese wohnen und arbeiten in den Räumen an ihren Projekten und erwecken das Glint durch kleine freiwillige Projekte und Events zum Leben. Die Bewohner sind die treibende Kraft der Gemeinschaft, sie helfen sich gegenseitig und unseren Gästen“, erklärt Mitgründer Damian Madray. Neben den festen Bewohnern empfängt das Glint auch Gäste für bis zu zwei Wochen. Doch das Glint ist nicht das einzige Community House.

The Rainbow Mansion – ein Mini-Palast

Das Rainbow Mansion (www.rainbowmansion.com) liegt auf einem Hügel in Cupertino, etwa 50 Fahrminuten von San Francisco entfernt. Kommt man nach einer kurvigen Fahrt, an den Apple-Gebäuden vorbei, auf der Spitze des Hügels an, steht man plötzlich vor einem Mini-Palast von 5.000 Quadratmetern.

Einst lebte hier ein Mann, der seine Millionen mit Chips für PC-Grafikkarten und CD-ROM-Laufwerke machte. Die Kreativität scheint dem Gebäude bis heute treu geblieben zu sein. Als ich Jelena Jovanovic zum ersten Mal treffe, sprudeln die Dinge, die sie zu erzählen hat, nur so aus ihr heraus.

Jelena arbeitet für Google, seit über vier Jahren, derzeit leitet sie ein Team, das am Suchmaschinen-Algorithmus arbeitet. Im Haus wohnt sie gemeinsam mit Googlern, NASA-Ingenieuren, NGO-Enthusiasten, Tesla-Elektroauto-Bauern und Unterwasserfahrzeug-Entwicklern.

NASA, Apple, Google

Bei meiner Stippvisite im Rainbow Mansion empfängt uns ein Spaßkomitee, das gerade vom Fechten zurück gekommen ist und noch in voller Montur steckt. Der Hausrundgang wird von einem Klavierkonzert, einer Didgeridoo-Ballade und massenweise Zaubertricks begleitet. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der innerhalb von 40 Sekunden ein Telefonbuch mit seinen bloßen Händen zerreißt, als würde dieses nur aus wenigen Seiten bestehen. Doch das ist nicht das Beeindruckendste im Rainbow Mansion.

Gleich neben der Empfangshalle ist eine kommunale Bibliothek entstanden, die regelmäßig Salons beherbergt. Buch für Buch haben sich hier über die Jahre angesammelt. Neben einem riesigen Wohnzimmer, einem Romantik-Raum und den Zimmern der Bewohner gehört ein behelfsmäßiges Hardware-Labor in der Garage, in dem die ersten Satelliten-Prototypen eines Startups gebaut wurden, und ein Riesen-Garten zur Ausstattung des Rainbow Mansion. Lebenmittel gibt es aus der Region – alles wird geteilt.

Regelmäßig hat das Rainbow Mansion prominente Besucher bei seinen Salons. Vom nobelpreisträchtigen Wissenschaftler über Internet- und Technologieunternehmer hin bis zur Witwe von Steve Jobs.

Weltveränderer gesucht

Wer im Rainbow Mansion leben will, muss die Welt verändern wollen, erklären mir die Mitbewohner. Ein Wohnplatz ist derzeit frei. In der Vergangenheit ist das mit dem Weltverändern den Rainbow-Bewohnern bereits geglückt – zum Beispiel mit dem Cloud-Computing-Software-Projekt OpenStack (www.openstack.org), bei der LCROSS-Mission der NASA, die Wasser auf dem Mond suchte, bei Google Ocean View oder beim Design des neuen Tesla-Elektroautos.

Aus einer Not heraus wurde Rainbow Mansion 2006 vom damaligen NASA-CTO Chris Kemp und vier anderen jungen NASA-Ingenieuren gegründet. Mittlerweile ist Kemp CEO seiner Firma Nebula (www.nebula.com). Damals brauchten mehrere neue NASA-Mitarbeiter einen Platz zum Leben und gemeinschaftliches Leben war die günstigste Variante. So entstand das Rainbow Mansion.

Selbstorganisiert oder Inkubator?

Das Rainbow Mansion ist eine Art von Wissenschaft- und Tech-Gemeinschaft, in der nicht jeder Bewohner selbst gründet, aber jeder im Tech-Bereich arbeitet. Damit unterscheidet sich das Community House gewaltig von anderen Startup-WGs im Valley.

Im Prinzip gibt es drei Arten von Häusern: Selbstorganisierte Community-Houses wie das Glint oder Rainbow Mansion, Startup-WGs, bei denen der Fokus auf Networking im Business-Sinne liegt, wie beim Chez JJ (via AirBnb) und Inkubatoren mit gemeinsamer Wohnfläche wie im Blackbox Mansion.

Startup-WGs nach Deutschland bringen

Die Idee von Gründerhäusern im Community-Stil könnte sich schon bald in Deutschland etablieren. Kristofer Fichtner will die Idee nach Berlin bringen. Dass dies funktionieren könnte, glaubt auch Björn Lasse Herrmann vom Startup Genome: „Ich glaube, der Ansatz vom Glint, Blackbox Mansion oder Rainbow Mansion wird auch für Deutschland funktionieren. Warum nicht?“

Seit einigen Monaten ist Kristofer auf Reisen durch die Welt – zuvor arbeitete er als Unternehmensberater, machte sich dann selbstständig, verlegte sein Büro ins Betahaus (www.betahaus.de) und verdiente sein Geld als freiberuflicher Berater mit dem Schwerpunk Mobile Commerce, gründete die Marktforschungsagentur Research2Guidance (www.research2guidance.com) und die App-Schmiede Smart Mobile Factory (www.smartmobilefactory.com) mit.

Als ich ihn in San Francisco treffe, ist er schon fast wieder auf dem Rückweg nach Deutschland, im Gepäck hat er die Idee, in Berlin das erste Gründerhaus zu eröffnen.

Immobilien- und Bewohner-Suche startet

„Wenn es in Europa einen Ort gibt, der dem Silicon Valley zumindest etwas ähnelt, dann ist das Berlin. Top-Internetgründer, Kreative, die Politik und internationale Besucher – das alles kommt in Berlin zusammen – also genau die richtige Mischung für Austausch und Vernetzung im Haus“, sagt Kristofer.

Etwas schwieriger sehe es mit einer passenden, zentral gelegenen Immobilie aus, die Platz für etwa zehn dauerhafte Bewohner, eine Handvoll Gäste und Gemeinschaftsraum biete, erklärt Kristofer weiter. „Aber auch das wird sich lösen lassen. Und sobald sich hier eine Gelegenheit bietet, geht es mit dem Suchen potenzieller Bewohner los. Sind die ersten Personen gefunden, habe ich keinerlei Zweifel, dass über Mundpropaganda bereits nach kurzer Zeit eine Warteliste entsteht“, so Kristofer.

Wenn Kristofer von dem erzählt, was er vorhat, glitzern seine strahlenden blauen Augen mehr als je zuvor. Und auch mein Herz schlägt höher bei dem Gedanken, bald ein Rainbow Mansion in Deutschland besuchen zu können.

Mansion für Berlin?

Alle Menschen, die ich während meiner Besuche kennenlernte, sind besonders. Alle brennen für Tech, ihre Ideen und den Willen, die Welt ein bisschen zu drehen. Und sie helfen sich gegenseitig.

Wenn sich diese Art von Startup-WG in Berlin etablieren sollte, stehen die Chancen für das Berliner Startup-Ökosystem noch besser. Und den ersten Bewohner hat Kristofer auch schon gefunden.

Bilder: Nora-Vanessa Wohlert, Björn Lasse Herrmann, Damian Madray