Christian Miele ist Vice President beim VC e.Ventures

Seit ein paar Monaten spiele ich jetzt als christian_miele mit Snapchat herum und habe ein eigenes Format mit dem Namen #2minVC entwickelt. Dabei ist das kleine Ghosticon auf dem Homescreen zu meiner Lieblingsmöglichkeit geworden, mit der Gründerszene zu kommunizieren und innerhalb von kurzen, zweiminütigen Videos Startup- und Venture-Capital-Wissen weiterzugeben. Ich erreiche damit eine relevante Zielgruppe von Anfang-20-Jährigen – und es macht mir Spaß. Wie konnte mir das als Social-Media-Muffel überhaupt passieren?

Ich glaube, dass wir in Deutschland noch mächtig Aufholbedarf haben, was das Gründen von Startups angeht. Universitäten und Schulen decken diesen Bereich bis heute nicht gut genug ab. Da fehlt es an geschulten Dozenten, Mentalität und Forschungsgeldern, was dringend geändert werden müsste. Eric Schmidt, der ehemalige Google-CEO, hatte sich jüngst zu dieser europäischen Schwäche geäußert. Aus diesem Grund versuche ich, mein Wissen an Gründer weiterzugeben – egal, ob wir in ein Team investieren oder nicht. Und ich habe Snapchat jetzt als neuen Kanal entdeckt.

Wie relevant ist Snapchat?

Bevor ich mit dem Snappen angefangen habe, stellte ich mir die Frage: Kann ich eine App ernstnehmen, die ich in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Begriff „Sexting“ in Verbindung gebracht habe? Und: Wie relevant ist dieses Netzwerk überhaupt? Um die App besser zu verstehen, habe ich mir ein paar Daten des Dienstes AppAnnie angesehen, die die gigantische Bewertung von Snapchat rechtfertigen sollten. (Hinweis: AppAnnie ist ein Portfoliounternehmen eVentures).

Meine Analyse hat ergeben, dass im Januar und Februar diesen Jahres – als ich mit Snapchat anfing – 180 Millionen Menschen monatlich auf Snapchat zugegriffen haben. Der sogenannte MAU-Wert (Monthly Active Users). Das Netzwerk scheint innerhalb von zwei Jahren etwa um den Faktor 1,8 gewachsen zu sein.

Beeindruckender ist der direkte Vergleich der Top 5 von sozialen Netzwerken, wenn man sich den MAU-Wert im Zeitraum von März 2014 bis Januar 2016 (Längster Zeitraum, der sich bei AppAnnie analysieren lässt). Es zeigt also, welcher Anteil der Nutzer, die App einmal im Monat verwendet.

  1. Facebook: 99,05 Prozent
  2. Snapchat: 85,70 Prozent
  3. Instagram: 71,56 Prozent
  4. Nextdoor: 61,07 Prozent
  5. LinkedIn: 52,91 Prozent

Warum ist Snapchat für mich als VC interessant?

Da sich weltweit bisher nur wenige Startup-Investoren wie Mark Suster an Snapchat herangetraut haben, erschien es mir sinnvoll selbst aktiv zu werden und ein Format mit meinem VC-Wissen auszuprobieren. Der positive Nebeneffekt: Wie von selbst stelle ich unseren Fonds und mich selbst in einer authentischen Weise vor. Daher produziere ich nun regelmäßig #2minVC, ein zweiminütiges Format bestehend aus einzelnen Snaps.

Ich gebe zu, die ersten sogenannten Snapstorms haben mich sehr viel Überwindung gekostet, weil ich es als komisch empfinde, mich selbst zu filmen. Was hat mich also dazu gebracht weiterzumachen? Ganz einfach: Die sehr einfache Möglichkeit, genau zu verfolgen, wer sich meine Snaps überhaupt anschaut. Das macht Mut weiterzumachen, weil ich sofort gesehen habe, dass meine Zuschauer in meiner Zielgruppe sind.

Wie funktioniert ein Snapstorm?

Wie lassen sich meine Zuschauer verfolgen? Snapchat hat eine Funktion, mit dessen Hilfe ich einzelne Snaps in einer zusammenhängenden Geschichte verbinden kann, die 24 Stunden sichtbar ist – die sogenannten Stories. Innerhalb dieses Zeitraumes kann jeder meiner Follower diese Story ansehen. Und ich wiederum sehe, wer sich meine Inhalte angeschaut hat.

Das ist eine super Funktion, weil sie mir zeigt, dass die Engagement Rate, also die Beteiligung meines potentiellen Publikums, weitaus höher liegt als bei allen anderen sozialen Netzwerken. Und hilft mir dabei, meine unangenehmen Gefühle beim Selfiefilmen zu überwinden. Das ist das Beispiel aus den ersten Tagen, auf dessen Basis ich mich entschieden habe, mir mehr Zeit für Snapchat zu nehmen:

Als ich diesen Screenshot gemacht habe, hatte ich insgesamt 75 Follower bei Snapchat. Zwei Drittel der Follower haben mir zwei Minuten ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit geschenkt. Die 50 Zuschauer haben die Story von Anfang bis Ende angesehen und sind sogar in 30,6 Prozent der Fälle meiner Aufforderung – neudeutsch: Call to Action – gefolgt: Sie haben einen Screenshot am Ende des Snapstorms gemacht, wozu ich sie aufgefordert hatte. (Funfact: Die einzige Person, die sich das Video nur bis zur Hälfte angesehen hat, war meine Ex-Freundin).

Obwohl die Zahlen durch die wenigen Follower noch nicht sonderlich aussagekräftig sind, haben sie mir Mut gemacht. Mir wurde klar, dass ich hier innerhalb einer relevanten Zielgruppe, Inhalte vermitteln kann; mit relativ wenig Aufwand und keiner europäischen Konkurrenz. Das Video (siehe unten) hat mich etwa 20 Minuten Drehzeit und fünf Minuten Vorbereitungszeit gekostet. Diese Zeit investiere ich gerne und mittlerweile gehen mir die Stories noch schneller von der Hand.

Welche Inhalte kann ich verbreiten?

Um auch langfristig eine gute Anzahl an treuen Followern zu haben, ist es wichtig sich zu einem bestimmten Thema zu positionieren, möglichst auf den Punkt.  Mein Themenfeld ist dabei breit gewählt: von Geschäftsmodellen, an die ich glaube, bis hin zur Veränderung der Banken-Branche. Wenn ich etwas sage, dann versuche ich mich an die Regel „jeder Satz eine Aussage“ zu halten, auch ein komplexer Inhalt muss in den zwei-Minuten-Häppchen verständlich sein.

Damit will ich mich von den Snapchat-Formaten absetzen und kurzfristige, unwichtige und stumpfe Meldungen überdauert – und davon gibt es noch sehr viele auf Snapchat, weil die eigene Freundesliste häufig durch die privaten Kontakte heranwächst. Das hat damit zu tun, dass ganz am Anfang meistens die Telefonnummer aus dem Adressbuch benutzt wird, um die ersten Kontakte aufzubauen.

Wie bin ich auf das Format gekommen?

Die Stories auf zwei Minuten zu begrenzen hat den Vorteil, dass die Zuschauer wissen, worauf sie sich einlassen. Der Erfinder der Snapstorms, der US-amerikanische Investor Mark Suster, produziert zuweilen unvorhersehbar lange Stories. Das macht es schwierig ihm von Anfang bis Ende zu folgen, da Snapchat nur mit Hilfe eines kleinen, schwer interpretierbaren Kreises rechts oben im Bildschirm anzeigt, wo in etwa wir uns in der aktuellen Geschichte befinden. Übrigens hat Suster vor kurzem den „Tactical Tuesday“ eingeführt. Dreiminütige Snapsstorms zu bestimmten Themen. Meine Zuschauer bestätigen mir, dass sie das planbare Format sehr gut finden.

Ist die kurze Verfügbarkeit ein Problem?

Dass die Videos nur 24 Stunden sichtbar sind, ist für mich in Ordnung, weil es bei den Followern einen gewissen Druck erzeugt den Inhalt sofort zu konsumieren. Außerdem bleiben kosmetische Fehler bei der Erstellung der Videos nicht für immer im Netz, wodurch sich die Produktionszeit stark eingrenzen lässt. Denn meine kleinen Fehler sind ja ab morgen wieder verschwunden. Die Vergänglichkeit senkt den Druck für Perfektion.

Wie bekomme ich neue Follower?

Der Gewinn von neuen Followern ist schwieriger als bei den meisten anderen sozialen Netzwerken. Das hängt damit zusammen, dass es bis auf das Adressbuch keine Möglichkeit gibt, neue Kontakte zu erkunden. Viele Snapper, auch ich, versuchen daher über ihre anderen sozialen Netzwerke auf den Snapchat-Account aufmerksam zu werden. Außerdem muss man auf Empfehlungen der bestehenden Zuschauer hoffen. Einen viralen Effekt zu erzeugen, ist schwieriger, als in anderen sozialen Netzwerken.

Werde ich Snapchat langfristig verwenden?

Mein Fazit: Snapchat ist das gutes Medium für mich als VC, um Inhalte zu verbreiten und meinen Fonds bekannter zu machen. Mit anderen sozialen Netzwerken tue ich mich weitaus schwerer, guten Inhalt zu verbreiten. Instagram ist dafür zu visuell, Twitter wiederum durch seine 140 Zeichen zu stark limitiert. Bei Facebook habe ich keinen Account und das Schreiben eines Blogs macht mir keinen Spaß – und kostet sehr, sehr viel Zeit, die ich nicht habe.

Hinzu kommt, dass andere Startup-Investoren diese Bereiche bereits für sich erschlossen haben. Ausreichend Gründe als für mich, es mir auf einer grünen Wiese bei Snapchat bequem zu machen. Also, folgt mir unter christian_miele.

Und das erzählt Christian Miele in einem seiner Videos:

Bild: Christian Miele/Facebook: LizenzierenNamensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von BarnImages.com