Enrico Mellis, Investmentmanager beim Berliner Wagniskapitalgeber Project A Ventures, gibt Gründern Verhaltenstipps.

Es ist das Problem vieler Gründer: Gerade in der Anfangszeit eines Unternehmens ist der Kapitalbedarf hoch. Die Entwicklung des Produkts ist teuer, Personal und die Miete für Büros ebenso. Einnahmen gibt es dagegen kaum, das Produkt ist zu unbekannt, der Geldbeutel leer. Viele Gründer wenden sich in so einer Situation an finanzkräftige Partner, die ihnen über die ersten schwierigen Monate hinweghelfen sollen. Darunter sind etliche Wagniskapitalgeber, die sich, wie der Name schon, etwas trauen müssen: Sie investieren verhältnismäßig viel Geld und Zeit in ein unbekanntes Unternehmen, das auch schnell wieder vom Markt verschwinden kann.

Dementsprechend vorsichtig sind sie in der Regel, was neue Investments anbelangt. Enrico Mellis ist Investmentmanager beim Berliner Wagniskapitalgeber Project A Ventures, der vor allem Unternehmen in einer sehr frühen Phase unterstützt. Auf der Heureka-Konferenz von Gründerszene in Berlin erzählte er, dass sich rund 10.000 Startups im Jahr bei dem VC bewerben würden – ein Investment bekämen allerdings nur weniger als zehn.

Diese Tipps gibt Mellis Gründern, die es versuchen wollen:

Stelle eine Hypothese auf, die deine Bewertung erhöht

  • Man sollte eine Hypothese aufstellen, wie sich die Firma in Zukunft entwickeln wird – nämlich positiv. Und das sollte man vor dem VC anhand von konkreten Punkten belegen können. Typischerweise führten Gründer hier an, dass der Markt groß und attraktiv sei, sagt Mellis. Und dass starkes Umsatzwachstum gegeben sei und das Team in der Lage sei, das auch weiter voranzutreiben. Vertrieb und Marketing müssten stimmen. „Für unsere Investoren ist wichtig, dass ihr Kapital eine hohe Rendite bringt“, so der Experte. 

Beschreibe dein Produkt gut

  • Viele Gründer würden ihr Produkt so gut kennen, dass sie es nicht mehr leicht verständlich erklären könnten, sagt der Experte. Das sei ein großes Problem: „Wenn ich mir 10.000 Unternehmen im Jahr ansehe, muss ich sehr schnell, spätestens in einer halben Stunde verstehen, worum es bei einer Firma geht.“

Nutze dein Netzwerk

  • Gründer sollten versuchen zu erreichen, dass ihr Startup einem VC empfohlen wird – und zwar nicht von irgendjemand, sondern von Leuten, denen der Kapitalgeber vertraut. Hierfür eigneten sich beispielsweise bereits bestehende Investoren oder Leute aus dem eigenen Netzwerk.

Setze auf FOMO 

  • FOMO bedeutet Fear Of Missing Out – also die Angst, das nächste große Ding zu verpassen. Die hätten auch Investoren, sagt Mellis. Und Gründer könnten sie nutzen. Sie sollten ihr Pitchdeck möglichst nicht breit herumschicken. Und auch nicht mit jedem über Fundraising sprechen. Sondern sich ganz gezielt einen oder höchstens zwei Investoren raussuchen, zu denen sie die besten Kontakte haben, also Menschen, die sie vorstellen können.

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Unterschätze nicht den Fundraising-Prozess

  • Heißt: Plane immer mehr Zeit dafür ein als du es eigentlich vorhattest. „Es dauert immer länger als man eigentlich gedacht hat“, sagt Mellis. Bis das Geld auf dem Konto liegt, könnten Monate vergehen.

Spiel VCs nicht gegeneinander aus

  • Wenn beispielsweise ein anderer Investor Interesse an der Firma habe, könne man das gegenüber einem anderen schon erwähnen. Es müsse allerdings stimmen, sonst mache man sich unglaubwürdig. Investoren würden sich oft untereinander kennen. „Ich rufe auch schon mal bei einem anderen an und überprüfe so eine Aussage“, so Mellis. Im schlimmsten Fall würde man mit einer Lüge oder Übertreibung Vertrauen zerstören. „Warum sollte ich in ein Startup investieren, das mich schon am Anfang zu täuschen versucht?“, sagt Mellis. 

Bleib bescheiden

  • „Jedes Unternehmen hat seine Schwächen, seien es Uber, Slack oder Salesforce“, sagt der Experte. Das sei ok, es sei nur wichtig, dass man sie auch einem Investor gegenüber offen zugebe. „Gute Gründer zeigen, dass sie sich bereits darüber Gedanken gemacht haben und Lösungsvorschläge haben“, sagt Mellis. Die Schwächen müssten nicht ins erste Pitchdeck, aber wenn die Gespräche mit dem Investor tiefer gingen, sollte man sie auf den Tisch bringen.

Unterschätze niemals Investmentmanager

  • Viele Gründer würden bei einem Wagniskapitalgeber gleich mit den Chefs sprechen wollen, erzählt Mellis. Mit der Riege darunter würden sie sich nicht zufrieden geben. Dabei seien es diese Mitarbeiter, die wie ein Filter vielversprechende Startups aus der Masse der Bewerbungen heraussortieren und sich auch vor den anderen für sie einsetzen würden. „Seid nicht arrogant, sprecht nicht nur mit den Partnern bei einem VC“, rät Mellis: „Große Gründer gewinnen alle.“

Außerdem gebe es, so der Experte, ein paar Grundfragen, die sich jeder Gründer stellen solle: Braucht er wirklich externes Geld? Falls ja: wie viel? Wie hoch ist der Wert der eigenen Firma – realistisch eingeschätzt? Wie viele Anteile will man höchstens abgeben? Welcher Geldgeber ist der richtige für einen? Und wie genau soll er helfen? Erst dann lohne sich die Vorstellung beim Investor. 

Und wenn man einmal eine Absage erhalte, heiße das nicht, dass diese für alle Zeiten gilt. Firmen entwickelten sich weiter, der Markt verändere sich, so der Experte: „Wir fordern Gründer häufig auf, sich nochmal zu melden, wenn sie ein bisschen weiter sind.“

Bild: Dominik Tryba