Sie sind gemeinsam mit einem motivierten Gründerteam und einer guten Idee der Motor eines jungen Unternehmens: Investoren. Egal, ob Venture-Capitalist, Business-Angel oder Inkubator – ohne das nötige Kleingeld gäbe es so manche spannende Business-Idee nur auf dem Papier. Gründerszene hat sich daher einmal die Mühe gemacht und unter dem Motto “Interview mit einem VC” – und nein, Anspielungen an Blutsauger sind gänzlich zufällig – Deutschlands spannendste Geldgeber zu einem Interview gebeten. Dieses Mal: Dirk Meurer und Norbert Muschong von Vorwerk Ventures (www.vorwerk-ventures.de).

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Stellt euch doch mal kurz vor: Wer seid ihr und wie seid Ihr als Investoren unterwegs?

Wir heißen Dirk Meurer und Norbert Muschong. Als interdisziplinäres Team verantworten wir gemeinsam die Vorwerk Direct Selling Ventures, den Corporate-Venture-Arm der Vorwerk Gruppe. Während Dirk seit 18 Jahren im Venture-Capital Segment unterwegs ist, bringt Norbert knapp 20 Jahre operative und strategische Erfahrungen in den verschiedenen Ausprägungen des Direktvertriebs mit.

Seit 2007 investieren wir in junge dynamisch wachsende Unternehmen, die mit Blick auf den Vertriebsansatz interessante neuartige Ansätze verfolgen. Dabei finden wir insbesondere alle direkten Vertriebswege, gleich ob E-Commerce, Telesales, TV-Homeshopping, Distanzhandel oder personengestützt spannend; daher sind wir ziemlich technologieagnostisch und produktseitig weitgehend flexibel.

Wir agieren wir wie ein Finanzinvestor. Unser strategischer Ansatz beschränkt sich auf die Beobachtung und Förderung von jungen spannenden Entwicklungen, welche die Welt des B2C-Vertriebs strukturell verändern könnten.

Gebt uns doch mal ein paar Eckdaten zu euch: Größe, Größe des Fonds, Schwerpunkt, Stage, Investments…

Unsere Investitionsstrategie ist eher auf spätere Phasen des Unternehmensaufbaus ausgerichtet. Regelmäßig investieren wir erst nachdem das Unternehmen bereits zwei bis drei Jahre erfolgreich am Markt agiert und das Geschäftsmodell bewiesen hat, meist ist der Break-Even erreicht oder steht kurz bevor und die Historien von Wachstum und KPIs deuten auf eine nachhaltige dynamische Zukunftsperspektive hin. Nicht wenige unserer Investments haben wir eine längere Zeit beobachtet, bevor wir uns beteiligt haben. Insofern nehmen wir gerne an Folgefinanzierungsrunden teil und scheuen auch nicht die Rolle des Co-Investors.

Unserer Investitionsvolumen bewegt sich zwischen 0,5 und fünf Millionen Euro je Einzelinvestment, der Sweet-Spot liegt bei zwei bis drei Millionen Euro für das Erstinvestment. Sofern es uns lohnend erscheint, nehmen wir aber auch weit mehr als fünf Millionen Euro in die Hand.

Wir investieren aus der eigenen Bilanz, daher haben wir keinen zeitlichen Druck hinsichtlich der Exits und können Unternehmen langfristig entwickeln. Zum Fondsvolumen geben wir keine Auskunft; hier muss ein Hinweis auf die Finanzkraft unseres Investors ausreichen. Wir sind als Evergreen angelegt, so dass wir Exiterlöse wieder investieren können.

Aktuell halten wir 10 Investments, die – bis auf eines im Silicon Valley – alle im DACH-Raum angesiedelt sind. Glücklicherweise entwickeln sich alle bisherigen Beteiligungen zufriedenstellend bis erfreulich. Etwa die Hälfte der Unternehmen ist nachhaltig ertragreich und erlaubt uns, allein aus Dividenden eine nette Verzinsung des eingesetzten Kapitals darzustellen.

Zum Portfolio zählen unter anderem DaWanda (de.dawanda.com), Dinner-for-Dogs (www.dinner-for-dogs.com), Enjo (www.enjo.at), Pauldirekt (www.pauldirekt.de), MeinAuto (www.meinauto.de), Neato Robotics (www.botroom.com), Ringana (www.ringana.com), Stowa (www.stowa.de) und Stylefruits (www.stylefruits.de).

Wie viel investiert ihr und wie viele Anteile müssen Gründer dafür an euch abtreten? „Das ist eine individuelle Sache“ zählt als Antwort übrigens nicht.

Wir bleiben ausschließlich in einer Minderheitsposition. Unser Beteiligungsanteil oszilliert zwischen 15 und 35 Prozent. Eine Regel lässt sich kaum ableiten, meist gilt es, die Interessenslagen zwischen Beteiligungsunternehmen und Gründern abzuwägen und den Gründern ausreichend Spielraum und Komfort zu geben. In einem Erstinvestment fühlen wir uns zwischen 15 und 20 Prozent Anteil komfortabel.

Seid ihr selbst an den Investments Deines Fonds beteiligt? Zum Beispiel direkt oder über carry.

Unsere Vergütungsmodelle sind vollkommen marktüblich.

Was begeistert euch am Job als VC?

Der revolvierende Blick aus dem Fenster in eine Landschaft, die Zukunft heißt, und die Chancen, in dieser Landschaft jene zarten Pflänzchen herauszufiltern und begleiten zu dürfen, die hoffentlich irgendwann einmal die Landschaft maßgeblich beeinflussen. Die Vielfalt der Aufgaben und die ständig wechselnden Herausforderungen in einem sich beständig verändernden Umfeld, die intellektuellen Anforderungen an die strategische Kompetenz und viele spannende Begegnungen mit interessanten Menschen machen die Aufgabe besonders reizvoll. Last but not least sind die Freiheitsgrade für Gestaltungen, die einem als Investmentmanager offenstehen, außergewöhnlich.

Berichtet mal von eurer schlimmsten und eurer besten unternehmerischen Erfahrung?

Die schlimmste Erfahrung ist, einsehen zu müssen, dass man sich getäuscht hat. Besonders schlimm, wenn dies Konsequenzen für Mitarbeiter oder Gründer bedeutet, die alles auf eine Karte gesetzt haben. Für Venture-Capital-Geldgeber ist es ärgerlich aber nicht existentiell, gehören Fehleinschätzungen und Risiken doch zu unserem Geschäft und sind über ein breites Beteiligungsportfolio abgemildert. Wir sind hierfür besonders sensibilisiert, auch unserem Geldgeber gegenüber. Bisher konnten wir dies glücklicherweise vermeiden.

Zu den schönen Erlebnisse gehört, zu sehen, wie sich Gründer weiter entwickeln, wie sie zunehmend Kompetenz erwerben und Stufe um Stufe immer größere Schuhe tragen können. Natürlich freut uns dabei auch wie mit dem frischen Geld Wachstum und Unternehmenswert generiert wird.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?

Eine Idee ist nur so gut wie sie umgesetzt wird. Ist sie überaus zwingend, kann sie sich möglicherweise sogar am Markt durchsetzen, wenn auch nur suboptimal. Eine glänzende Idee kann aber kein Management ersetzen, während ein gutes Management eine Idee verwerfen kann oder so anzupassen vermag, dass sie erfolgreich wird. Ein Investor muss daher nach einer guten Kombination trachten: eine gut/schlecht-Kombination, gleich welcher Ausprägung, ist unglücklich, denn die kostet Geld oder führt zu unterdurchschnittlichen Ergebnissen.

Gibt es das ideale Gründerteam?

Ein Gründerteam sollte idealerweise ein Unternehmen erfolgreich vom Start bis zu einem mindestens gehobenen zweistelligen Millionenbetrag im Umsatz führen können. Dabei gilt es, das Unternehmen über mehrere Organisationstufen zu entwickeln und die eigenen Kompetenzen dynamisch an die beständig wachsenden Herausforderungen anzupassen.

Die vielen Aufgaben, die sich dabei stellen, erfordern hohe analytische Fähigkeiten, eine gute Portion Handlungs- und Umsetzungsstärke, aber auch die Offenheit, immer wieder sich selbst und seine Vorstellungen zu überprüfen. Besonders herausfordernd ist die Doppelrolle aus Management und Teilgesellschafter, die den Gründern abverlangt wird, weil sich daraus durchaus Interessenskonflikte der verschiedenen Rollen in ein und derselben Person manifestieren können.

Was muss ein Gründer machen, um bei euch eine Finanzierung zu bekommen? Welches sind die bedeutendsten Kriterien bei Startups für euch?

Entscheidend ist letztendlich ein guter fit mit unserem direct-to-consumer Suchfeld. Wir finanzieren keine Startups, sondern erst in späteren Phasen. Dennoch freut es uns, wenn ein Gründer bereits frühzeitig auf uns zu kommt und uns seine Idee vorstellt. Wir haben eine Reihe von Kontakten, die uns immer wieder über den Fortgang informieren und uns auf dem laufenden halten. Zur gegebener Zeit kann es bei einer weiteren Finanzierungsrunde zu einer Zusammenarbeit kommen, wir schätzen ein solches Verhalten als sehr professionell.

Was ist wichtiger – Profitabilität oder Wachstum?

Nachhaltige Profitabilität ist aus unserer Sicht das Stichwort. Die Mechanik der Geschäftsprozesse muss im Wachstum auch immer so justiert werden, dass sich Profitabilität absehbar einstellen kann. Wachstum zu erkaufen, halten wir für zumindest dauerhaft nicht sinnvoll.

Welches sind die Top 3 Kardinalsfehler von Startups in Deutschland?

Verrannt in die eigene Idee und die eigenen Fähigkeiten und nicht genügend reflektiert und beratungsoffen zu sein. Nicht genug antizipativ und abwägend zu denken. Nicht rechtzeitig nach starken Kapitalgebern gesucht zu haben, beziehungsweise nicht angemessen mit Ressourcen wie Kapital und Menschen umgegangen zu sein.

USA vs. EU – hinken wir Amerika in Sachen VC und Entrepreneurship hinterher?

Wenn man den Statistiken Glauben schenkt, dann hinkt Deutschland den USA sowohl in Sachen Volumen (in Relation zum BIP) und Gründungsaktivität noch immer „ein wenig“ hinter her. Beides hat sich in den letzten zehn Jahren aber deutlich verbessert. Zahlreiche erfolgreiche Rollenmodelle sind anschaulich zu beobachten und das Konzept der Bildung von Eigenkapital setzt sich durch.

Welche Themen sind für euch derzeit hot?

Die Verknüpfung von E-Commerce und sozialen Netzwerken zu sogenanntem Social-Commerce. Diese Konzepte gehören für uns aufgrund unserer Direktvertriebs-DNA zum spannendsten was wir derzeit sehen. Wir werden hier große Dinge sehen.

Wie stehst ihr zu Copycats?

Wir lieben Neuartiges und versuchen zumeist den Innovationsführer zu selektieren, bei dem wir uns beteiligen wollen. Wenn wir dazu einen Copycat im europäischen Raum finden, ist uns das lieber, als ein entferntes US-Investment.

Auf welchen Startup-Events kann man euch treffen und welche Blogs/Zeitungen könnt ihr empfehlen?

Wir recherchieren ständig und umfassend im Netz nach neuen Geschäftsmodellen und tauschen uns mit anderen Investoren aus, die eher in früheren Phasen investieren. Mittlerweile sehen wir auch sehr viele Projekte, die uns von den Gründern angetragen werden. Selektiv laden wir die Gründer ein oder besuchen sie. An Startup-Events nehmen wir aus Zeitmangel nur selten teil.