Parker Nirenstein mit seinem Lamborghini Gallardo

Es war Liebe auf den ersten Blick: Parker Nirenstein ist zehn Jahre alt, als der italienische Sportwagenhersteller Lamborghini den Gallardo auf den Markt bringt. Dank seines Youtube-Kanals „Vehicle Virgins“, auf dem er Autos testet, kann er sich seinen Traumwagen 2015, mit gerade einmal 20 Jahren, endlich leisten. Heute schauen bis zu 22 Millionen Menschen im Monat seine Videos. OMR erklärt die Strategie hinter seinem Erfolg – und vergleicht ihn mit einem deutschen Online-Marketing-Gründer, der das Modell seit einigen Monaten recht erfolgreich auf den deutschen Markt überträgt.

Schon in der Kindheit ist Parker Nirenstein ein waschechter Autonarr und beschäftigt sich mit Vor- und Nachteilen verschiedenster Modelle. Die Folge: Bereits während der High School gilt er unter seinen Mitschülern als Experte und ist die erste Anlauf- und Beratungsstelle, als diese sich ihr erstes Auto kaufen wollen. So entsteht nicht nur die Idee zu einem entsprechenden Youtube-Kanal, auf dem er seine Tipps weitergeben kann, auch der Name leitet sich davon ab: Vehicle Virgins.

Am 12. Januar 2012 geht Nirenstein mit seinem Channel online; das erste Video, ein Test eines BMW M5 E39, lädt er allerdings erst Ende Mai 2013 hoch. Die Autos, die er in der Anfangszeit fährt und bewertet, leiht er sich noch von Bekannten und Privatpersonen – Luxuskarossen und teure Sportwagen sind nur selten dabei. Mit zunehmenden Erfolg stellen ihm allerdings auch Autohäuser immer teurere Modelle zur Verfügung, so Nirenstein in einem Interview mit BBC. Als Gegenleistung erwähnt er den jeweiligen Händler im Video und verlinkt in der Beschreibung zur entsprechenden Webseite.

Vehicle Virgins: Erster Durchbruch erst 2015

Zu Beginn ist der Youtube-Kanal für Parker Nirenstein ein reines Spaßprojekt und es dauert einige Zeit, bis er ernsthafte Einnahmen generieren kann. „It wasn’t like I made an app and then got lucky and it exploded. It’s like, no, this took two and a half years of producing videos, and it just naturally started gaining more and more traffic“, so Nirenstein gegenüber BBC. Bis 2016 studiert der Auto-Liebhaber noch parallel Maschinenbau an der University of Michigan und absolviert unter anderem Praktika bei Ford und Toyota. Die Kombination aus Studium und Youtube-Kanal habe für ihn 80-Stunden-Wochen bedeutet.

Stand heute haben knapp 1,5 Millionen Nutzer seinen Youtube-Kanal Vehicle Virgins abonniert, seit Start wurden die etwas über 1.000 Videos über 360 Millionen Mal angeschaut. Laut dem Statistikdienst Socialblade generiert der Channel vor allem seit März 2017 deutlich mehr monatliche Aufrufe (bis zu 22 Millionen) und neue Abos (bis zu 100.000), als zuvor. Die weiteren Social-Media-Profile sind dazu im Vergleich deutlich kleiner: Der Instagram-Account kommt auf 195.000 Abonnenten, bei Facebook haben 54.000 Fans ein Like hinterlassen.

Socialblade Vehicle Virgins OMR

Die Entwicklung des Youtube-Kanals „Vehicle Virgins“ (Quelle: socialblade.com)

Die Wachstumsstrategie von Vehicle Virgins

Um mit einem Youtube-Kanal Abonnenten zu gewinnen und die View-Zahlen zu steigern, müsse man laut Parker Nirenstein als allererstes regelmäßig und in einer gleichbleibenden Frequenz neue Inhalte veröffentlichen. Außerdem habe er versucht, genau zu verstehen, aus welchem Grund einige Videos deutlich besser laufen, als andere. Der gerade einmal knapp über acht Minuten lange Clip „How To Drive A Manual – (The Secret To Never Stalling)“ von April 2014 ist mit über 5,3 Millionen Views immer noch der dritterfolgreichste. Nirenstein sagt: „How-to videos seem to be really popular because they have a large audience; people often go to YouTube to learn things.“

In der Folge hat der Auto-Fan weitere Videos mit How-To-Ansatz veröffentlicht, die häufig Abrufzahlen im Millionenbereich erreicht haben. Einige der erfolgreichsten:“How to Pass Your Drivers Test – The Secrets!“ (4,2 Millionen Views), „How to Parallel Park (The Secret You have to Know!)“ (3,1 Millionen Views) und „How to Drive an Automatic Car! (The Secret you Need to Know!)“ (2 Millionen Views). Ein weiterer Hebel: Pro getestetem Auto veröffentlicht Nirenstein nicht nur ein Video, sondern direkt drei – eine „Love-Version“, mit Punkten, die er sehr positiv findet, eine „Hate-Version“ sowie ein ausführliches Gesamt-Review.

Bis zu 700.000 US-Dollar Einnahmen durch Display-Werbung pro Jahr?

Noch heute kostet ein gebrauchter Lamborghini Gallardo rund 80.000 Euro, teilweise auch deutlich mehr. Ein Lamborghini Huracán, den sich Parker Nirenstein im Sommer 2016 zugelegt hat, wird heute sogar noch für bis zu 180.000 Euro gehandelt. Im Gespräch mit BBC verrät Nirenstein, dass er 2016 pro 100.000 Views zwischen 200 und 800 US-Dollar durch Display- und Video-Ads eingenommen habe. Socialblade weist für das Jahr 86,55 Millionen Views für Vehicle Virgins aus. Das entspräche Einnahmen von rund 173.000 bis 692.400 US-Dollar. Und obwohl sich Anfang 2017 zahlreiche Youtuber über spürbar sinkende Werbeeinnahmen beklagt hatten, schätzt Socialblade die aktuellen jährlichen Umsätze des Kanals immer noch auf 49.300 bis 788.400 US-Dollar.

Es scheint also durchaus realistisch, dass sich Parker Nirenstein die Luxusboliden tatsächlich durch auf Youtube generierte Werbeumsätze hat leisten können. Finanziell unabhängig war er aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon vorher: Sein Vater, John Nirenstein, hat mehrere Software- und Tech-Unternehmen im Silicon Valley gegründet und erfolgreich verkauft. So war er beispielsweise Co-Founder und Chairman beim Cashback-Portal ebates.com, das 2014 für eine Milliarde US-Dollar von Rakuten übernommen wurde.

Auto-Hype auf Youtube und deutsche Erfolgsbeispiele

Vehicle Virgins von Parker Nirenstein ist natürlich längst nicht der einzige Channel auf Youtube, der vom großen Interesse an Auto-Content profitiert. International macht das seit 1977 von BBC produziert TV-Format „Top Gear“ vor, wie gut diese Inhalte auch auf Youtube funktionieren (5,7 Millionen Abonnenten, 1,84 Milliarden Aufrufe); der Kanal des US-Automagazins „Motor Trend“ ist ebenfalls extrem erfolgreich unterwegs (5,6 Millionen Abonnenten, 1,71 Milliarden Aufrufe).

Deutschlands derzeit erfolgreichster Auto-Nerd dürfte mit Abstand Jean Pierre „JP“ Kraemer sein. Der Youtube-Kanal des Autoschraubers mit eigener Tuningwerkstatt hat aktuell 1,4 Millionen Abonnenten und fast 570 Millionen Views. Dazu kommen eigene TV-Formate sowie Live-Tourneen.

Socialbench-Gründer Nico Pliquett holt mit deutschem Kanal auf

JP zwar noch nicht wirklich dicht auf den Fersen, trotzdem aber mit einem ordentlichen Wachstum unterwegs, ist Nico Pliquett. 2011 hatte er das Social-Analytics-Tool Socialbench gegründet und Ende 2015 an Facelift verkauft. In der Folge war er erst als CMO für die Integration in das neue Unternehmen verantwortlich, Mitte 2016 begann er dann, Videos von Touren mit seinem Porsche zu veröffentlichen. Ein erster Reichweitenerfolg auf seinem englischsprachigem Channel gelang ihm mit einem Video einer gemeinsamen Spritztour mit Youtube-Star Casey Neistat, den er nach seinem Auftritt beim OMR Festival 2017 getroffen hatte.

Seit August 2017 konzentriert sich Pliquett allerdings vollständig auf seinen dann neu gestarteten deutschsprachigen Kanal.“Ich habe damals mit einem englischen Kanal angefangen, weil die Reichweite, die man damit hat, natürlich sehr viel größer sein kann“, erklärt er im Gespräch mit OMR. „Ich hatte mich damals schon bei meinem Startup geärgert, dass wir nicht von vornherein in englischer Sprache gestartet sind.“ Dass es auf deutsch besser laufen wird, habe er schon mit dem ersten Video auf seinem neuen Kanal gemerkt. „Durch englischsprachige Supercar-YouTuber sind die Zuschauer einfach abgestumpft“, so Pliquett.

Lamborghini-Content als Erfolgs-Geheimnis?

Auch Nico Pliquett ist hauptsächlich mit einem Lamborghini unterwegs, dem Mittelpunkt der meisten seiner erfolgreichsten Videos: „Ständig POLIZEI mit dem Lamborghini Huracán“ (2,6, Millionen Aufrufe), „Lambo mit 27 – Wie geht das?“ (941.000 Aufrufe) und „Was kostet der LAMBO monatlich?“ (691.000 Aufrufe). Insgesamt kommt sein am 1. August 2017 gestarteter Kanal auf fast 83.000 Abos und rund 12,5 Millionen Views. Konkrete Ziele verfolgt Pliquett mit seinem Channel allerdings nicht: „Mein Ziel war es, etwas zu haben, das mir Spaß macht. Ich liebe Autos“, sagt er gegenüber OMR. „Was die Zukunft angeht, habe ich keine Veränderung geplant. Ich genieße es ‚keinen Plan‘ zu haben und einfach abzuwarten, was auf mich zukommt.“

Finanziell lukrativ sei der Kanal übrigens noch lange nicht. „Man verdient schon Geld mit Youtube. Allerdings sind die reinen Werbeeinnahmen von Adsense eher dürftig. Die CPM sind ganz schön im Keller und dann wird nur jede zweite Wiedergabe monetarisiert, unter anderem durch Adblocker“, so Pliquett. Neben den Einkünften aus Adsense gebe es aber natürlich auch noch andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen. „Ich habe neulich die neue A-Klasse im Mercedes Me Store in Hamburg vorgestellt und für den Reifenhersteller Michelin für ein neues Produkt geworben. Die Kooperationen haben jetzt sehr gut gepasst, aber ich würde mich nicht für jedes Unternehmen verbiegen. Ich will erst mal meine Reichweite ausbauen.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Online Marketing Rockstars.

Bild: Vehicle Virgins / Youtube (Screenshot)