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Ein Beitrag von Foad Forghani, Gründer und Inhaber von Forghani Negotiations. Als Verhandlungsspezialist und Ghost Negotiator berät er Unternehmen und Institutionen bei anspruchsvollen Verhandlungen.

Leistung zählt! Und ein gutes Produkt findet seine Abnehmer. Mit diesen Prinzipien starten oft Existenzgründer ihr Geschäftsvorhaben. So führen sie ihre Verhandlungen. Verhandlungen mit Investoren, Verhandlungen mit neuen Kunden und Lieferanten und gewiss auch interne Verhandlungen. Sie agieren dabei fair und leistungstreu. Dennoch werden sie recht schnell mit Hindernissen konfrontiert. Dabei sind die Hindernisse nicht in Feldern zu finden, in denen sie aktiv sind. Nein, es geht um Hürden, welche durch unfaires, machorientiertes Vorgehen des Gegenübers entstehen. Hindernisse, die mit guter Leistung und vorteilhaftem Produkt nicht Überwunden werden können.

Rangordnung

Am Anfang äußern sich solche Aspekte recht subtil. Etwa, wenn es um die Klärung der zwischenmenschlichen Beziehung mit Verhandlungspartnern geht. Denn viele Verhandlungspartner, oft geschäftlich erfahrene, versuchen in der Regel ein Gefälle in der Beziehung zu ihrem Gegenüber aufzubauen. Die Mittel sind hierbei sehr tückisch, kaum durchschaubar.

Es sind die drei oder vier Sekunden, die der Gesprächspartner das Gegenüber warten lässt, bevor er antwortet. Es ist die Anordnung, die in einem angenehmen Ton ausgesprochen wird, um nicht entlarvt zu werden. Es ist das Wartenlassen des anderen, während in aller Ruhe die themenirrelevanten E-Mails gelesen werden. Die Handlungen gehen mit Abwertung und verborgener Demütigung des Gesprächspartners einher. Und während einige Personen solche Handlungen als unwichtig und Kinderspiel abtun, gehen andere darauf ein, um Augenhöhe herzustellen.

Existenzgründer ignorieren oft solche Aspekte der sozialen Interaktion, da ihr Fokus auf anderen Themen liegt. Es ist allerdings ein Fehler, solche subtilen Seiten des zwischenmenschlichen Tauziehens zu ignorieren.

Es wird nie nur um eine Sache verhandelt, verhandelt wird auch immer um die Beziehung zwischen Verhandlungspartnern und in diesem Zusammenhang immer auch um die Rangordnung. Gelingt es einem Verhandlungspartner, ein Gefälle in der Beziehung zu seinem Gegenüber aufzubauen, so zieht sich das Gefälle bis zur Vertragsgestaltung. Die in der Rangordnung unten positionierte, also die dominierte, Person wird sachlich mehr hinnehmen, als ihm lieb ist.

Jeder von uns Menschen hat das Bestreben, nach oben zu gelangen, in einer Hierarchie aufzusteigen. Manche bleiben in der Hierarchie in einer Position verharren, weil sie entweder nicht die Fähigkeiten besitzen, um weiter nach oben zu kommen, oder den Preis hierfür nicht zahlen wollen. Anderen gelingt es in der Tat, sich oben in der Hierarchie zu positionieren. Sie alle haben eines gemein: Das Bestreben nach oben.

Macht

Was aber gibt es dort oben? Die Antwort ist sehr einfach: Macht. Vor 2.000 Jahren bedeutete sie eine höhere Wahrscheinlichkeit zu überleben. Heute geht es um Lebensqualität. Aber eine solche Differenzierung nimmt lediglich unser Intellekt vor. Der Hirnstamm, das sogenannte Reptiliengehirn, der zuständig für die Entscheidungsfindung in diesem Zusammenhang ist, differenziert nicht auf dieser Ebene. Er treibt uns nach oben. Für ihn geht es ums Überleben.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine hierarchische Rangordnung von uns Menschen immer bewertet wird. Äußerungen, Aussagen und Forderungen einer Person, die weiter oben positioniert ist, wird in der Regeln mehr Wert, Wichtigkeit und Glaubwürdigkeit beigemessen als im Vergleich die Äußerungen und Handlungen einer Person, die sich unten in der Hierarchie befindet. Dies geschieht emotional und in der Regel unbewusst.

Es sollte erwähnt werden, dass mit der Hierarchie nicht die organisatorische Hierarchie gemeint ist, sondern die „versteckte“, zwischenmenschliche Hierarchie. Somit reicht es oft aus, wenn eine Person lediglich die Verhaltensweisen eines im Rangordnungssystem oben positionierten Menschen ausübt. Tut er dies, hat er es leichter beim Verhandeln.

Sein Gegenüber wird unbewusst Aussagen und Forderungen seines Gesprächspartners mehr Wert beimessen als seinen eigenen und somit eher bestrebt sein, diese zu akzeptieren. All das passiert im Sekunden- und Millisekundenbereich. Man kann solche Abläufe nicht immer durchschauen. Aus diesem Grund sind viele bei der Arbeit ernster als zu Hause. Sie tun dies, weil sie eben ernst genommen werden möchten. Sie wollen glaubwürdig erscheinen – wie eine Person, die in der Rangordnung weit oben steht.

Zu oft wird dieser psychologische und zugleich wichtige Aspekt der Verhandlungsführung von Geschäftsleuten in der Gründerszene übersehen und ignoriert.

Gelingt es durch entsprechende Erfahrung und Know-how, sich auf Augenhöhe mit dem Verhandlungspartner zu positionieren, gewinnt nach einiger Zeit des erfolgreichen Agierens eine andere Seite des geschäftlichen Tauziehens an Relevanz.

Immer, wenn eine Instanz, sei sie eine Firma, eine Organisation oder ein Land, in einer Gruppe von ihresgleichen über einen gewisse Zeitraum hinweg erfolgreich agiert, wird sie von anderen Gruppenmitgliedern als Bedrohung empfunden. Sie, die anderen, fürchten um ihren Marktanteile, um ihren Namen und die Durchsetzungskraft ihrer Leistungen und Produkte. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Startup aus der Gründungsphase heraus tritt, seine Produkte im Markt etabliert und sich einen Namen macht.

In einer solchen Phase beginnen die unfairen Angriffe derer, die sich von der aufstrebenden Instanz bedroht fühlen. Es beginnt ein Machtkampf. Es werden falsche Artikel in Zeitschriften lanciert, es werden Interviews mit vermeintlichen Experten geführt, es werden vermeintliche Fachartikeln geschrieben. Diese Aktionen haben alle dasselbe Ziel. Die Position des neuen, aufstrebenden Unternehmens zu unterminieren und sie aus dem Markt zu verdrängen. Die eingesetzten Mittel sind dabei gewiss nicht fair.

Oft investieren Jungunternehmer in einer solchen Lage mehr Energie in ihre Produkte und Leistungen, um diese zu optimieren. Dies ist aber vergebene Liebesmühe. Denn bei einem solchen Tauziehen um die Gunst der Konsumenten geht es nicht darum, wie die Produkte tatsächlich sind, sondern wie sie im Markt wahrgenommen werden. Bei der Verhandlung um die Machtpositionierung im Markt geht es an dieser Stelle nicht um Fakten, sondern um den richtigen Auftritt.

Nicht allen Jungunternehmern gelingt es, den Schalter in einer solchen Situation umzulegen und entsprechende Planung und Aufwand in die Wahrnehmung der eigenen Marke zu investieren. Gelingt dies, so startet erst der Kampf beziehungsweise die Verhandlung um die Wahrnehmung. Wird diese Verhandlung gut geführt, steigt die empfundene Wertigkeit des Produktes. Eine beständige und frequentierte Informationspositionierung im Markt ist vonnöten, um sich in diesem Umfeld zu behaupten.

Der qualitative Wert ist nicht gleich Marktwert. Das ist die Lehre, die man hieraus schlussfolgern kann. Denn der Marktwert basiert auf der Bewertung des Gutes durch eine dritte Instanz, den Konsumenten. Um diese Gunst gilt es eben zu verhandeln.

Die Macht zu beanspruchen wird nicht immer als positiv angesehen. Selbst Politiker tendieren dazu zu sagen, dass sie gestalten und nicht etwa Macht ausüben wollen. Wer aber nach oben drängt, findet an der Spitze jedes Systems unweigerlich eines: Macht. Den Kampf um sie gilt es anzunehmen und zu führen, wenn man sich im oberen Bereich einer Struktur behaupten möchte. Dabei gibt es nur wenige Mittel der Machtgewinnung: Krieg oder Verhandlung. Langfristig gewinnen immer die besseren Verhandler.

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