alexandre seifert paul martin vertical
alexandre seifert paul martin vertical Alexandre Seifert (damals 16) und Paul Martin (damals 15) gründeten Vertical

Ein Leben nach Plan? Das ist nichts für Paul Martin. Schon während der Schulzeit gründet der damals 15-Jährige den IT-Dienstleister Vertical, mit dem er seine Nachbarschaft ins Internet bringt. Mit an Bord des 2002 gegründeten Startups ist sein Partner und Mitgründer Alexandre Seifert, damals ebenfalls noch ein Teenager und 16 Jahre jung.

Heute, 14 Jahre später, führen Martin und Seifert das Sulzbacher Unternehmen noch immer. Sie beschäftigen 65 Mitarbeiter, wirtschaften profitabel – und stehen gerade vor dem größten Umbruch in ihrer Firmengeschichte. Nicht mehr als IT-Dienstleister sondern als Lösungs- und Produkthersteller wollen sie auftreten: mit einem IT-Service aus der Cloud. Das neue System soll die IT-Infrastruktur eines Unternehmens so einfach nachbilden können wie ein IKEA-Küchenplaner. Gründer Paul Martin im Interview.

Paul, wie kamst Du als 15-Jähriger dazu, ein Unternehmen zu gründen?

Das war Zufall. Ich hatte mir damals einen neuen PC besorgt, aber keine Ahnung davon, wie man den zusammenbaut. Ich fragte meinen Nachbarn Alex um Hilfe und lernte so meinen heutigen Geschäftspartner kennen. Beim Zusammenbauen von Rechnern und Netzwerken stellten wir fest, dass wir großes Interesse an IT haben. Aber auch unsere Nachbarn und Verwandten brauchten Hilfe bei ihrer IT. Und so haben wir mit einer Sonderausnahme des Vormundschaftsgerichts einfach einen PC-Service aufgebaut.

Was habt ihr für eure Kunden damals gemacht?

Wir haben die Leute ins Internet gebracht. Breitband kam damals für die breite Masse gerade erst auf den Markt, aber niemand wusste, wie man etwa einen Router einrichtet. Daneben haben wir individuelle PCs zusammengeschraubt und Netzwerke eingerichtet.

Wie hat sich das Unternehmen entwickelt?

Die ersten Jahre bin ich noch mit dem Fahrrad zum Kunden gefahren (lacht). Teilweise standen wir mit viel Schweiß auf der Stirn beim Kunden, haben das Problem mit nach Hause genommen, da ausprobiert, recherchiert und gelernt, mit neuen Situationen zurecht zu kommen. Wir sind an immer größere und renommiertere Kunden gekommen. Aus den Nachbarn wurden kleine Anwaltskanzleien und aus denen mittelständische Unternehmen.

Wann kam der erste Mitarbeiter ins Boot?

Das war erst vor sechs Jahren. Wir waren noch in der Schule, haben parallel das Abitur fertig gemacht. Danach haben mein Partner und ich Wirtschaftsinformatik studiert und Zertifikate erlangt, um komplexere Unternehmen zu verstehen. Irgendwann haben wir uns gesagt: ‚Wir arbeiten zwar viel, haben aber nie Urlaub – wir könnten doch auch einfach einen gutbezahlten Job annehmen.‘ Aber wir haben uns dann für das Wachstum unseres Unternehmens entschieden.

Bis vor fünf Jahren habt ihr quasi kein Geld verdient. Wieso habt ihr trotzdem weitergemacht?

Es war Leidenschaft, Spaß und die Anerkennung der Kunden. Aber der Berg, den wir hochgelaufen sind, der war schon sehr steil.

Nach 14 Jahren wagt ihr mit dem Unternehmen nun den Neustart. Warum?

Im vergangenen Jahr hatten wir bereits über 50 Mitarbeiter aufgebaut, es lief gut. Aber wir haben uns gefragt: ‚Was ist unsere Daseinsberechtigung?‘ Denn es gibt hunderte Unternehmen, die dasselbe gemacht haben wie wir: individuelle IT-Services, Outsourcing, der Aufbau neuer Infrastrukturen für Kunden. Wir stellten fest, dass wir und der ganze Markt das Thema falsch angehen.

Warum?

Business-IT wird so unglaublich kompliziert gelebt. Ich kenne keinen CEO, dem die Unternehmens-IT Spaß macht. Denn sie ist immer teuer und vom Geschäftsführer kaum steuerbar oder zu verstehen. Die IT heute denkt technologisch, aber nicht im Sinne des Business.

Und was macht ihr jetzt anders?

Wir haben ein System entwickelt, mit dem ein Unternehmer ohne IT-Vorkenntnisse sein Unternehmen wie mit einem Ikea-Küchenplaner virtuell abbilden kann. Wir geben Optionen vor zu Tools, etwa Office, Skype oder Photoshop, und Geräten. Anschließend liefern wir die Endgeräte zum Kunden und die Anwendungen sind nach einem Login sofort verfügbar.

Auf den Geräten selbst befinden sich keine Anwendungen, alles wird über ein Webinterface übertragen.

Genau, es wird alles über das Internet gestreamt. Eigentlich wird nur ein Bild übertragen. So kann man komplett ortsunabhängig arbeiten. Aber es gibt wenn gewünscht auch Offline-Komponenten.

Liegen alle Daten dann bei euch und nicht mehr beim Kunden?

Es liegt alles bei uns. Wir haben ein Datencenter in Frankfurt am Main aufgebaut. Zum Kunden selbst schicken wir neben den Endgeräten nur eine Box mit, die sich automatisch mit unserem Service verbindet.

Und wenn der Server in Frankfurt ausfällt, dann sind hunderte Unternehmen von ihrer IT abgeschnitten?

Das Risiko ist zwar mit der neuen Lösung größer, aber wir haben auch eine viel größere Kapazität, um die Ausfallsicherheit zu gewährleisten, etwa durch die Redundanz des Datencenters.

Ihr verkauft euren Service auf Monatsbasis. Warum?

Wir wollen nicht, dass Unternehmer Investitionen in die IT tätigen müssen. Sondern wir legen alles in eine monatliche Flatrate um. Die enthält das Gerät, alle Apps und einen 24/7-Support. Jetzt verdienen wir Geld, wenn es besonders wenig Probleme gibt, weil wir dann die Margen optimieren.

Und wie viel kostet der neue Service?

Das sind runtergerechnet auf den Mitarbeiter etwa 200 Euro im Monat, inklusive Geräten, Lizenzen und Support. Das ist weniger, als Unternehmen normalerweise für ihre Mitarbeiter ausgeben. Allerdings kennen die wenigsten Unternehmen ihre heutigen IT-Gesamtkosten.

Bild: Vertical