Bereit, um an Bord des Studentenschiffes zu gehen: Jonas Pohlmann

Es klingt wie der Traum der wohl meisten Studenten: ein Semester auf einem Kreuzfahrtschiff zu verbringen, dort zu studieren und gleichzeitig die Welt zu entdecken. Genau das ist das Konzept von Semester at Sea, einem Angebot der Colorado State University. Zweimal im Jahr gehen Studenten und Professoren an Bord eines Luxus-Kreuzfahrtschiffs und bereisen mehrere Länder. Auf dem Schiff erlernen sie in Kursen, die einen Bezug zur Reise haben – beispielsweise in den Themen Wirtschaft, Politik, Psychologie – theoretisches Wissen. Und in den Ländern vor Ort schauen sie sich dann die Praxis an. Der 23-jährige Jonas Pohlmann war von Januar bis April diesen Jahres einer von ihnen. Eigentlich studiert er am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam IT Systems Engineering. Doch für drei Monate tauschte er dort den klimatisierten Hörsaal gegen die Frischluft auf einem Schiff Hier erzählt er, wie die Reise ablief – und was ein besonders schöner Moment war.

Jonas, wie kamst Du darauf, Dich für das Studium auf dem Schiff zu bewerben?

Als ich im zweiten Semester war, habe ich einen Typen kennengelernt, der bei dem Programm mitgemacht hat. Ich wusste sofort, dass ich das auch tun will. Ich hatte mich erst kurz zuvor gefragt: Wofür will ich als Informatikstudent eigentlich später mein Wissen anwenden? Es schien daher auch wie die perfekte Abwechslung zu meinem Universitätsalltag in Deutschland und ermöglichte mir ein vertieftes Erkennen und Begreifen einer globalen Perspektive. Anfangs haben mich allerdings die hohen Studiengebühren abgeschreckt, die sind für einen Studenten aus Deutschland, der Bildung weitestgehend ohne große Kosten bekommt, gewöhnungsbedürftig. Zum Glück konnte ich einen Großteil der Gebühren über Stipendien finanzieren.

Hörsaal mal anders

Welche waren das?

Etwa die Hälfte des Geldes habe ich durch ein Stipendium erhalten, das Semester at Sea selbst anbietet. Und einen weiteren Teil über mein Stipendium bei der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Wie war die Reise?

Es war definitiv die Erfahrung, die mich in meinem Leben am meisten geprägt hat. Los ging es auf Hawaii, dann sind wir über die USA, Japan, China, Vietnam, Myanmar und Indien, nach Südafrika, Ghana und Marocco geschippert. Zehn Länder habe ich so gesehen, die meisten kannte ich vorher nicht. Auf dem Schiff habe ich viele Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt. Insgesamt waren wir 600 Studenten, davon ein Großteil Amerikaner, aber auch viele Leute aus anderen Ländern. Ich war einer von drei Deutschen. Mit dabei waren auch ältere Leute, sogenannte Life Long Learners, die schon einiges im Leben erreicht haben und die sich jetzt etwas gönnen wollten. Viele haben bereits Unternehmen aufgebaut. Und es reisten auch gute Professoren mit, sie haben uns tagsüber unterrichtet und saßen natürlich auch mit uns am Essenstisch.

Was habt Ihr zum Beispiel gelernt?

Ich habe vier Kurse belegt: Leadership and Organisational Behaviour, Global Communication Technologies, Food and Society und Global Studies. Die Kurse konnte man sich frei aussuchen – und die Auswahl war groß. Von Historic Textiles über Literature of the Earth bis hin zu World Interdependence und Social Change war für jeden Geschmack etwas dabei. Auf dem Schiff haben wir uns fachspezifisch auf unsere Trips an Land vorbereitet, die jeweils drei bis fünf Tage dauerten und die wir frei gestalten konnten. In Leadership and Organisational Behaviour ging es zum Beispiel um verschiedene Führungsstile. Da haben wir uns beispielsweise einen Film über Nelson Mandela angeschaut und analysiert, wie er andere Menschen führte. In Kapstadt haben wir dann das Gefängnis besucht, in dem er jahrelang eingesperrt war. Ein ehemaliger Mithäftling, mit dem sich Mandela eine Zelle geteilt hat, hat uns da herumgeführt und viel über die Zeit mit ihm erzählt. Später auf dem Schiff haben wir dann über das Erlebte diskutiert. 

Lernen an Deck

Hand aufs Herz: Machen viele Studenten diese Reise nicht nur, um auf dem Schiff ausgiebig zu feiern?

Viele denken, dass wir auf dem Schiff nur Party machen, aber das stimmt nicht. Ich würde auf keinen Fall sagen, dass da nur Studenten mitfahren, die das Ganze von ihren reichen Eltern bezahlt bekommen und den ganzen Tag feiern. Vielleicht glauben manche Studenten, dass sie das da erwartet. Aber in der Praxis ist es nicht der Fall. Der Fokus liegt wirklich darauf, dass man von Land zu Land reist und danach das reflektiert, was man dort erlebt hat. Alkohol ist auf dem Schiff größtenteils verboten, auch wegen früherer Vorkommnisse. Wir haben während der Reise sehr viel studiert und da man die Professoren so viel um sich hatte, konnte man eine ganz andere Bindung aufbauen, als das an einer Universität der Fall gewesen wäre.

Was war Dein schönster Moment der Reise?

Es gab viele Augenblicke, die mich begeistert haben und die perfekt waren. Einer, bei dem ich sehr glücklich war, war in der Mitte der Reise. Auf dem Weg nach Südafrika habe ich mich mit ein paar Kommilitonen entschieden, eine Nacht draußen auf dem Deck des Schiffes zu schlafen. Wir hörten richtig gute Musik, aßen Süßigkeiten aus aller Welt. Und wir haben in den Himmel geblickt, der sternenbesetzt war, die Wolken beobachtet und jede Minute genossen. Ich dachte mir: Wow, wir sind so privilegiert, dass wir auf diesem Fünf-Sterne-Schiff von einem Land zum anderen Reisen dürfen. Es war ein sehr fröhlicher Moment.

Meinst Du, dass Dir das Semester auch was für die spätere Arbeit gebracht hat?

Davon bin ich überzeugt. Bei den Reisen wurde mir nochmal klarer,  dass der Klimawandel das größte Problem ist, dass die Menschheit angehen muss. Und mir ist bei Studien in meinem Kurs Food and Society beispielsweise in den USA und China bewusst geworden, dass Fleisch in der Nahrungsmittelproduktion für einen Großteil der klimaschädlichen Gase verantwortlich ist. Deshalb würde ich gerne ein Startup gründen, dass sich diesem Thema widmet und an einer Technologie forscht, die die benötigte Energie für unsere Agrarwirtschaft insbesondere der Fleischproduktion drastisch vermindert und gleichzeitig nicht so stark das Klima beeinträchtigt.

Bilder: Jonas Pohlmann