So dürfte man Joko Winterscheidt jetzt öfter sehen

Für Joko war es Liebe auf den ersten Blick. In der vierten Folge der Sendung „Das Ding des Jahres“ hüllt sich der Moderator und Startup-Investor gleich beim dritten Pitch in einen flauschigen Jedi-Ritter-Umhang. Dass er den sogenannten „Huggle“ bis zum Ende der Show nicht mehr auszieht, mag zunächst lustig klingen. Doch die Witze über die Ganzkörper-Kuscheldecke („Eine neue Zeitrechnung beginnt! Ich dreh durch!“) ziehen sich zum Leidwesen der Zuschauer wie Kaugummi durch die Erfindershow. 

Und dies ist symptomatisch für die gesamten zweieinhalb Stunden der Sendung, die aus mehreren Gründen an den Nerven der Zuschauer zehrt. Die Pitches sind häufig langatmig, die Gespräche nichtssagend bis irritierend („Ist das Glas jetzt sehr heiß, wenn ich dran fasse?“ „Ja, das ist heiß.“ „Ich will trotzdem dran fassen.“), die Witze sind flach.

Außerdem fahren die Juroren einen nur schwer erträglichen Kuschelkurs, den Zuschauer vom Vox-Vorbild „Die Höhle der Löwen“ nicht gewohnt sind. Joko Winterscheidt, Topmodel Lena Gercke und Rewe-Einkaufschef Hans-Jürgen Moog schwanken bei jedem Produkt zwischen Zustimmung und Euphorie. Alles ist mindestens irgendwie „smart“, für Gercke meist sogar „genial“. Kein einziges Mal bekommen die Erfinder zu hören, das ein Ding totaler Mist sei. Nach einem Businessplan oder Kennzahlen, die über den Preis oder den bisherigen Verkaufserfolg hinausgehen, fragt keiner. Man will wohl niemandem zu nahe treten. Zur Wohlfühlatmosphäre trägt auch das Publikum bei, das zu oft zum Klatschen animiert wird.

Jetzt heißt es: Stark sein.

Wenn das Publikum abstimmt, ist allerdings von den Teilnehmern eine gewisse Abgebrühtheit gefragt: Die Zuschauer im Studio entscheiden nach jeweils zwei Auftritten, welches „Ding“ sie am besten gebrauchen können. Schon in der ersten von vier Runden macht sich – jedenfalls vor dem Fernsehbildschirm – Ratlosigkeit breit, als das Publikum einen flexiblen Topfuntersetzer aus Kunststoff einem E-Antrieb für Skateboards vorzieht – mit deutlichem Vorsprung. Als die Huggle-Kuscheldecke im Anschluss gegen eine mit Pellets betriebene Gartenfackel antritt, ist dank Jokos Decken-Kampagne von vornherein klar, an wen der Punkt geht.

Überspringen will der Innovationsfunke also auch dieses Mal nicht. Als Erfindungen folgen noch ein Helfer für Silikonfugen, dessen Macher bei Vox wahrscheinlich sofort ein Dümmel-Investment bekommen hätte, ein Stecksystem für Möbel, ein Zwitter aus biologisch abbaubarem Teebeutel und Löffel sowie ein Regentropfen-Ventilator für Motorradhelme.

Es geht um Convenience, nicht um Disruption

Undurchsichtig bleibt die Logik, mit der ProSieben die Erfinder den vier Duellrunden zugeteilt hat. So muss sich das Studiopublikum nicht nur zwischen Skateboard-Antrieb und Topfuntersetzer entscheiden, sondern auch einen Teebeutel mit einem Motorradhelm-Gadget vergleichen. Am Ende stehen vier Erfinder im Finale der Folge, die es bei einer Abstimmung unter allen Kandidaten vielleicht gar nicht so weit geschafft hätten.

Nach zweieinhalb Stunden und unzähligen Werbepausen ist die Folge endlich vorbei. Der Gewinner ist wenig überraschend Jokos kuscheliges Lieblingsding. Außerdem im Finale, das in zwei Wochen stattfindet, stehen bis jetzt: eine automatische Zahnbürste, ein Fitness-Shaker mit Smartphone-Halterung zum Selfies Knipsen (echt jetzt?) und ein faltbarer Autoanhänger. Mit diesen Produkten möchte das ProSieben-Publikum wohl vor allem eins: sich das Leben bequemer machen. Hier denkt niemand daran, die Welt zu verändern. Der Verbrauchercheck ist zwar gut für den Sender, der am Ende des Formats den Sieger mit einem Werbeetat in Höhe von 2,5 Millionen Euro belohnen will. Echten Startup-Spirit lässt das von Stefan Raab erdachte Show-Konzept dadurch aber vermissen.

Immerhin: Auch ein E-Antrieb fürs Fahrrad wird im Finale am 10. März dabei sein. Diese Entscheidung hatte vor einer Woche nicht das Publikum getroffen, das den Faltanhänger in die Endrunde wählte. Die Jury war begeistert und verhalf dem Produkt zum Weiterkommen.

Die Zuschauerquoten sprechen für sich: Die dritte Folge hatte noch einen Marktanteil von 10,2 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreicht. In der gestrigen vierten Folge sank der Wert auf 9,2 Prozent – den bislang schlechtesten seit Showbeginn. In Berichten wird die Show als „herbe Enttäuschung für ProSieben“ bezeichnet und als nächster „Super-Flop“ gehandelt.

ProSiebenSat.1 hat aber ohnehin bereits die nächste Startup-Show in der Pipeline. Juniqe-Gründerin Lea Lange und Milliardär Carsten Maschmeyer wollen darin ab dem 21. März auf Sat.1 zeigen, wie sie aus Leuten mit Ideen richtige Gründer machen. Vielleicht gelingt die Mischung aus Unterhaltung und Geschäftsrealität ja hier.

Bild: © ProSieben/Willi Weber