Dass Alfred Ritter stets eine Schokolade in seiner Sakkotasche mit sich trägt, hält sich als hartnäckiges Gerücht. Der Inhaber und Beiratsvorsitzende des Süßwarenherstellers Ritter Sport könnte aber durchaus Tafeln aus seinem eigenen Unternehmen unauffällig dort verstecken. Schließlich wurde die quadratische Form in den 1930er-Jahren extra dafür eingeführt, dass Schokolade problemlos in Jacketttaschen passt.

Für das Unternehmen hat sich diese praktische Herangehensweise in der Folge als Glücksfall erwiesen. Schokoladenfans jedenfalls dürften beim Anblick einer quadratischen Tafel nahezu ausnahmslos an Ritter Sport denken – auch in Zukunft. Denn die Schwaben dürfen ihr Monopol auf quadratische Schokoladenverpackungen behalten.

Das hat der für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden und dabei mit seinen Beschlüssen I ZB 105/16 und I ZB 106/16 zur „Schutzfähigkeit von dreidimensionalen quadratischen Verpackungsmarken für Tafelschokolade“ anderslautende Entscheidungen des Bundespatentgerichts aufgehoben. Obendrein bleiben auch die Traubenzuckertäfelchen von Dextro Energy geschützt. Auch hier stellte sich der BGH gegen die Patentrichter (I ZB 3/17 und I ZB 4/17) und hob die Löschung der Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt auf.

Konkurrenten waren gegen die Eintragungen vorgegangen. Im Schokoladen-Fall hatte der Milka-Produzent Mondelez die Löschung von Ritter Sports quadratischer „Warenformverpackungsmarke“ beantragt – und erstinstanzlich recht bekommen. Nach Ansicht der Patentrichter ist ein Schutz im Sinne des Markenrechts nur dann möglich, wenn es bei der Formgebung um mehr als nur eine technische Wirkung geht.

Das aber sahen sie im Fall von Ritter Sport nicht und verwiesen dabei ausgerechnet auf Firmenmitgründerin Clara Ritter, die als Ideengeberin der Quadratform gilt. „Machen wir doch eine Schokolade, die in jede Sportjacketttasche passt, ohne dass sie bricht, und das gleiche Gewicht hat wie die normale Langtafel“, hatte sie in den 1930er-Jahren vorgeschlagen. So jedenfalls steht es in der von Ritter Sport selbst erzählten Firmengeschichte.

Für die Richter ist das der Beweis, dass die Form nicht durch die Art der Ware selbst bedingt ist. Das aber sei die Voraussetzung für einen Markenschutz. Das Quadrat ist in ihren Augen lediglich eine besondere Art des Rechtecks und damit der handelsüblichen Form von Tafelschokolade.

Die BGH-Richter in Karlsruhe dagegen waren von dieser Begründung nicht überzeugt. Dabei gab es zuletzt schon eine ähnliche Rechtsauffassung beim Europäischen Gerichtshof: Der weltweit millionenfach verkaufte „Zauberwürfel“ von Ernö Rubik verlor 2016 seinen Markenschutz, weil die Würfelform des Geduldspiels eine technische Funktion sei, die nicht als Marke geschützt werden könne, hatten die Luxemburger Richter entschieden.

„Auch dreidimensionale Zeichen können Marken sein“, heißt es nun aber in einer Mitteilung des BGH. Das gelte grundsätzlich auch für solche Zeichen, die die Form einer Ware darstellen. Dass es keine einfache Entscheidung war, machte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher dabei in der Verhandlung deutlich.

„Das Markenrecht ist mittlerweile von einem sehr hohen Abstraktionsgrad erfüllt, was die Handhabung in der Praxis nicht gerade einfach macht.“ Mit dieser Abstraktion muss sich nun wieder das Bundespatentgericht auseinandersetzen. Der Bundesgerichtshof hat nämlich sowohl den Schokoladen- als auch den Traubenzucker-Fall an diese Instanz zurückverwiesen. Die dortigen Richter müssen nun klären, ob noch andere Gründe vorliegen, die einen Markenschutz ausschließen könnten.

Bei Ritter Sport zeigt man sich erleichtert über die Entscheidung des BGH. Schließlich gehe es ein Stück weit auch um die DNS des Unternehmens. Tatsächlich ist der Slogan „Quadratisch, praktisch, gut“ mit dem die Schwaben schon seit mehreren Jahrzehnten werben, Experten zufolge längst als geflügeltes Wort ins Verbraucherbewusstsein übergegangen.

Ein Weltuntergang wäre aber auch eine Niederlage für das Unternehmen nicht gewesen. Das hatte ein Sprecher im Vorfeld bereits betont. Denn er erwarte nicht, dass die Konkurrenz plötzlich komplett auf quadratische Tafeln umstellt. „Außerdem werden die Leute bei quadratischer Schokolade weiter an Ritter Sport denken.“

Ähnlich dürfte es auch beim Traubenzucker und Dextro Energy sein. Das Unternehmen hatte sich die Quaderform seines Produkts als Marke eintragen lassen. Das Bundespatentgericht verlangte dann aber die Löschung, auch hier wegen der rein technischen Wirkung. So ließen sich die Täfelchen durch ihre Form platzsparend stapeln. Die Vertiefung auf den Tafeln sorge außerdem für eine gleichmäßige Portionierung des Traubenzuckers.

Dass aber auch die abgeschrägten Ecken und Kanten eine technische Wirkung haben, weil sie dem „angenehmen Verzehr dienen“, sahen die BGH-Richter nicht als erwiesen an. Eine Warenformmarke sei aber nur dann nicht schutzfähig, wenn alle ihre wesentlichen Merkmale technische Funktionen aufweisen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt.de.

Lest auch

Bild: Getty Images / Westend61