NEW YORK, NY - MARCH 31: (L-R) Soundcloud co-Founders Forss and Alexander Ljung speak onstage during the SoundCloud Go Launch event at Flash Factory on March 31, 2016 in New York City. (Photo by Johnny Nunez/WireImage)
Die SoundCloud-Gründer Eric Wahlforss (links) und Alex Ljung

Wenn man in diesen Tagen bei SoundCloud nachfragt, warum 173 Mitarbeiter gehen müssen und zwei von vier Büros geschlossen werden, bekommt man immer eine ähnliche knappe Antwort: „Jetzt ist die Zeit, mehr Kontrolle über unseren Weg in die Profitabilität zu bekommen“, sagte Alex Ljung, Gründer und CEO der Berliner Musikplattform, am Mittwoch auf dem Tech Open Air (TOA). Und eine Sprecherin des Unternehmens teilt gegenüber Gründerszene mit: „Wir sind weiter zuversichtlich, dass die Veränderungen von vergangener Woche uns auf den Weg zur Profitabilität bringen und die langfristige Lebensfähigkeit von SoundCloud sichern.“ Kosten einsparen, um finanziell zu überleben also. Doch wie früh wusste SoundCloud, dass das nötig sein würde? Hätte man die Mitarbeiter früher vor drohenden Entlassungen warnen können?

Bei seinem öffentlichen Auftritt in dieser Woche sagte Ljung, dass SoundCloud schon seit einiger Zeit keine neuen Mitarbeiter mehr angeheuert habe –  als Teil der neuen Strategie. Doch das scheint nicht zu stimmen, wie aus zwei Blog-Einträgen von ehemaligen Mitarbeitern hervorgeht: Der iOS-Entwickler Matthew Healy schreibt etwa, er habe am 3. Juli – drei Tage vor Bekanntwerden der Entlassungen – seine Stelle bei SoundCloud angetreten, zusammen mit elf anderen neuen Mitarbeitern. Nach seiner Bewerbung Mitte März und einem Vorstellungsgespräch habe er am 24. April eine Zusage für den Job bekommen. Ende Juni zog der Schotte demnach von Edinburgh nach Berlin und begab sich auf die schwierige Wohnungssuche – nur um keine zwei Wochen später seinen neuen Job wieder zu verlieren.

Vojta Stavik hingegen konnte seine Stelle nach eigener Aussage gar nicht erst antreten. Er habe sich im April beworben und Ende Mai einen Vertrag unterzeichnet, schreibt der tschechische iOS-Entwickler. Am 17. Juli hätte Stavik demnach bei SoundCloud anfangen sollen, doch dann kamen die Entlassungen. Am Abend des 7. Juli habe Artem Fishman, CTO der Musikplattform, ihm am Telefon mitgeteilt, dass seine Stelle gestrichen sei. „Heißt das, dass wir so tun, als sei meine Bewerbung an SoundCloud nie geschehen?“, fragte Stavik nach eigener Aussage, was Fishman bejaht habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er bereits seinen Job und seine Wohnung in Prag gekündigt gehabt und kurz vor dem Umzug nach Berlin gestanden, schreibt der Entwickler. Sowohl Healy als auch Stavik wollten sich gegenüber Gründerszene nicht weiter zum Thema äußern.

Eine Liste mit ehemaligen Mitarbeitern kursiert durchs Netz

TechCrunch berichtet wiederum unter Berufung auf anonyme Quellen, dass Kosteneinsparungen durch Entlassungen eine Bedingung für SoundClouds jüngste Kreditfinanzierung gewesen seien. Im März bekam die Musikplattform 70 Millionen US-Dollar von Ares Capital, Kreos Capital und dem Davidson Technology Growth Debt Fund. Wenn zu diesem Zeitpunkt schon klar war, dass Entlassungen kommen würden, warum heuerte SoundCloud dann weiter neue Mitarbeiter an? („Im ganzen Büro erzählten uns Leute, es sei der größte Intake seit Monaten“, schreibt Healy über seinen ersten Tag am Standort Berlin.) Wurden die bestehenden Mitarbeiter gewarnt? Und gab es den Einstellungsstopp, von dem Ljung spricht, überhaupt?

Fragen, die Gründerszene SoundCloud mehrfach gestellt hat, zusammen mit der Bitte um Stellungnahme zu Healys und Staviks Darstellung der Ereignisse. Beantwortet wurden sie nicht. Eine Sprecherin schickte lediglich das eingangs wiedergegebene allgemein gehaltene Statement. Zu Einzelfällen entlassener Mitarbeiter äußere man sich grundsätzlich nicht, schreibt sie. „Wir arbeiten weiter mit allen Betroffenen zusammen und unterstützen sie in dieser Übergangsphase bei der Jobsuche und mit finanzieller Hilfe.“ Das sei alles, was man derzeit sagen wolle.

Unterdessen kursiert im Netz eine Liste ehemaliger Mitarbeiter der Musikplattform mit dem Titel „Hire a SoundClouder!“, die anderen Startups zeigen soll, wer nun so alles wieder auf dem Jobmarkt ist. Wer sie angelegt hat und ob alle Genannten einverstanden sind, darauf aufzutauchen, ist unklar. Auf der Social-News-Website Hacker News diskutieren SoundCloud-User sowie derzeitige und ehemalige Mitarbeiter derweil, was schiefgelaufen sein könnte. Einer, der sich als ehemaliger „director of an engineering department“ ausgibt, schreibt: „Ehrlich gesagt sollte es keinen überraschen: Niemand hat jemals rausgefunden, was die Produktdefinition ist oder was ein Plan für die Monetarisierung sein könnte.“

Bild: Getty Images / Johnny Nunez